AACHEN. 67
Von einer Gemeinde ist noch keine Rede: Allein nach und nach ging durch die Frei-
gebigkeit der Kaiser das Grundeigenthum in Privateigenthum über, und aus der Vermin-
derung kaiserlichen Besitzes und Rechtes entwickelte sich die Gemeinde und ihre Freiheit.
1187 ist Aachen bereits die wohlbefestigte Hauptstadt Niederlothringens, Friedrich I. veran-
lasste die neuen Ringmauern und hob das städtische Wesen durch die Verleihung der Zoll-
freiheit, der Münze und verschiedener Jahrmärkte82, welches Privilegium Friedrich IL um
Vieles vermehrte. Der Vogt von Aachen, der neben dem Pfalzgrafen die oberste Leitung der
Polizei und Verwaltung hatte, war ein Mann höchster Bedeutung; wir sehen ihn als das
alter ego des Kaisers auftreten, denn er beschwört den Genuesen anstatt dessen den kaiser-
lichen Freiheitsbrief.83 Mit der in der Zeit liegenden Energie entwickelte sich das junge
Stadtwesen, und in seinem Beruf als Krönungsstadt in alle Wechselfälle des Interregnums
verwickelt, belagert bald von Friedrich IL, bald von Wilhelm von Holland, stählte es lediglich
seine Widerstandskraft. Es gab jetzt in Aachen nur die Macht der Stadt; der Palast war in
seinem grössten Theile längst Privateigenthum, der Kern des Gebäudes durch furchtbare
Feuersbrünste so vernichtet, dass Rudolf von Habsburg kaum noch würdige Räume zu seinen
Krönunffsfesten vorfand84: die kaiserlichen Bäder waren ebenfalls verschenkt85 und seihst das
Stift mit seiner eigenen Gerichtsbarkeit hatte Noth, sich gegen die Stadt zu behaupten und
lag in seinem Vermögen darnieder.86 Ja bald darauf werden die Vögte ermalmt, das Stift
nicht zu drücken. Wie die Städteerhebungen im 13. Jahrhundert überhaupt auf der Kraft
revolutionärer Gewalt beruhen, und diese Blüthezeit somit Hand in Hand geht mit Willkühr
und Unsicherheit aller Art, so fehlten auch in Aachen diese Trübungen nicht. Schon 1255
war gegen die Unsicherheit zu Oppenheim ein Landfrieden errichtet. Die Grafen von Jülich
hatten lange ein begieriges Auge auf das benachbarte Aachen geworfen. 1248 finden wir
sie mit der Stadt im Bunde und zwischen 1269 —1274 in der Ausübung der VoMei^ewalt.
1277 aber in offener Fehde begriffen, erschlugen die Aachener den Grafen von Jülich am
hellen Tage in den Strassen der Stadt.87 Wie mit dem Emporwachsen der Macht der Städte
und Dynasten die kaiserliche überhaupt sich verringerte, so gab für die leidige Summe von
1500 Mark Kaiser Adolf die Vogtei 1292 abermals an Jülich, welches bald auch den letzten
Besitz der Kaiser zu Pfand nahm.88
82. Lac. I. 412.
83. Muratori IV. p. 253.
84. Quix, Codex dipl. p. 71, berichtet ad an. 1146. einen bedeutenden Brand; zwei fernere Brände
erfahren wir im folgenden Jahrhundert 1224 und 1236. Bock im V.Heft der rhein. Jabrb.
p. 79 hat die betreffenden Stellen zusammengestellt, p. 81—85. Meyer p. 277. 280 und
Quix II. 85.
85. An das Slift, welches das Königsbad, dessen Marmorpracht unter Barbarossa noeb gerühmt wird,
seit 1240 in Erbpacht gab. Vergl. Quix, Gesch. II. p. 22 und Günther Ligurinus, Beschreib,
des Bades, bei Beuber Script.
86. Lac. II. 182 und III. 83. Quix II. p. 23 und 27.
87. Noppius p. 164. Lac. II. 653. 924. III. 140.
88. Lac. III. 291. 454. 455. 475.
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Von einer Gemeinde ist noch keine Rede: Allein nach und nach ging durch die Frei-
gebigkeit der Kaiser das Grundeigenthum in Privateigenthum über, und aus der Vermin-
derung kaiserlichen Besitzes und Rechtes entwickelte sich die Gemeinde und ihre Freiheit.
1187 ist Aachen bereits die wohlbefestigte Hauptstadt Niederlothringens, Friedrich I. veran-
lasste die neuen Ringmauern und hob das städtische Wesen durch die Verleihung der Zoll-
freiheit, der Münze und verschiedener Jahrmärkte82, welches Privilegium Friedrich IL um
Vieles vermehrte. Der Vogt von Aachen, der neben dem Pfalzgrafen die oberste Leitung der
Polizei und Verwaltung hatte, war ein Mann höchster Bedeutung; wir sehen ihn als das
alter ego des Kaisers auftreten, denn er beschwört den Genuesen anstatt dessen den kaiser-
lichen Freiheitsbrief.83 Mit der in der Zeit liegenden Energie entwickelte sich das junge
Stadtwesen, und in seinem Beruf als Krönungsstadt in alle Wechselfälle des Interregnums
verwickelt, belagert bald von Friedrich IL, bald von Wilhelm von Holland, stählte es lediglich
seine Widerstandskraft. Es gab jetzt in Aachen nur die Macht der Stadt; der Palast war in
seinem grössten Theile längst Privateigenthum, der Kern des Gebäudes durch furchtbare
Feuersbrünste so vernichtet, dass Rudolf von Habsburg kaum noch würdige Räume zu seinen
Krönunffsfesten vorfand84: die kaiserlichen Bäder waren ebenfalls verschenkt85 und seihst das
Stift mit seiner eigenen Gerichtsbarkeit hatte Noth, sich gegen die Stadt zu behaupten und
lag in seinem Vermögen darnieder.86 Ja bald darauf werden die Vögte ermalmt, das Stift
nicht zu drücken. Wie die Städteerhebungen im 13. Jahrhundert überhaupt auf der Kraft
revolutionärer Gewalt beruhen, und diese Blüthezeit somit Hand in Hand geht mit Willkühr
und Unsicherheit aller Art, so fehlten auch in Aachen diese Trübungen nicht. Schon 1255
war gegen die Unsicherheit zu Oppenheim ein Landfrieden errichtet. Die Grafen von Jülich
hatten lange ein begieriges Auge auf das benachbarte Aachen geworfen. 1248 finden wir
sie mit der Stadt im Bunde und zwischen 1269 —1274 in der Ausübung der VoMei^ewalt.
1277 aber in offener Fehde begriffen, erschlugen die Aachener den Grafen von Jülich am
hellen Tage in den Strassen der Stadt.87 Wie mit dem Emporwachsen der Macht der Städte
und Dynasten die kaiserliche überhaupt sich verringerte, so gab für die leidige Summe von
1500 Mark Kaiser Adolf die Vogtei 1292 abermals an Jülich, welches bald auch den letzten
Besitz der Kaiser zu Pfand nahm.88
82. Lac. I. 412.
83. Muratori IV. p. 253.
84. Quix, Codex dipl. p. 71, berichtet ad an. 1146. einen bedeutenden Brand; zwei fernere Brände
erfahren wir im folgenden Jahrhundert 1224 und 1236. Bock im V.Heft der rhein. Jabrb.
p. 79 hat die betreffenden Stellen zusammengestellt, p. 81—85. Meyer p. 277. 280 und
Quix II. 85.
85. An das Slift, welches das Königsbad, dessen Marmorpracht unter Barbarossa noeb gerühmt wird,
seit 1240 in Erbpacht gab. Vergl. Quix, Gesch. II. p. 22 und Günther Ligurinus, Beschreib,
des Bades, bei Beuber Script.
86. Lac. II. 182 und III. 83. Quix II. p. 23 und 27.
87. Noppius p. 164. Lac. II. 653. 924. III. 140.
88. Lac. III. 291. 454. 455. 475.
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