WIE ICH ZU WHISTLER KAM
DIE ERINNERUNG EINES DEUTSCHEN MALERS
Mitgeteilt von Arthur Roessler
T ange hatten wir uns nicht gesehen, nun fügte
es das Geschick, daß uns der Keeper im
Speisewagen des nach Trient fahrenden Schnell-
zuges am gleichen kleinen Tisch die Gegen-
zutreffen. Was sich in den verschiedenen Lehr-
werkstätten meinen Blicken bot, waren durch-
wegsschwächliche Arbeiten, Pinselübungen, gar
nicht zu vergleichen mit den Leistungen, die
F. VON STUCK ^^^B Mit Genehmigung der Photographischen
KINDERBILDNIS ^^^T'ä Union, München
Überplätze anwies. Wir freuten uns des un- ich in Münchener Malschulen sah. In den
verhofften Zusammentreffens und blieben nach Akademien fiel mir die merkwürdig tonlose
dem Essen plaudernd sitzen. Die Rede ging Malweise aaf, und die starke Bevorzugung
munter über Kunst und Künstler hin und her, von Gelb und Rot. Erst die Arbeiten, die ich im
und geriet von ungefähr auf Whistler. Whistler-Atelier zu Gesicht bekam, gefielen
„Hab' ich Ihnen schon erzählt, wie ich mit mir, denn dort wurde im Ton gearbeitet. An
Whistler bekannt wurde?" fragte mich der die perlgrau gestrichenen Wände geheftet, sah
Maler. Ich verneinte. Mein Tischgenosse sah ich Büttenpapierbogen, auf denen sorgfältig in
beim Fenster hinaus auf die Semmeringland- den Raum gestellt — so viel ich zu entziffern
schaft, tat einen saugenden Zug an seiner vermochte — folgende „Ratschläge" zu lesen
Zigarette und hub an: „Es war im November waren: ,
1899 in Paris. Also just vor zehn Jahren. Ich „Ein Bild ist vollendet, sobald jede Spur der
kam aus dem altertümlichen Amsterdam und zur Herstellung des Werkes angewandten Mittel
wollte einige Zeit in Paris bleiben, um zu verschwunden ist.
arbeiten. Verschiedene Schulen hatte ich bereits Von einem Bilde zu sagen, wie oft, in der
gesehen, und ich war nicht wenig betroffen, Absicht es zu loben, getan wird, es zeige die
überall in Paris so viel argen Dilettantismus an- Merkmale von vielem und ernstem Fleiße,
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DIE ERINNERUNG EINES DEUTSCHEN MALERS
Mitgeteilt von Arthur Roessler
T ange hatten wir uns nicht gesehen, nun fügte
es das Geschick, daß uns der Keeper im
Speisewagen des nach Trient fahrenden Schnell-
zuges am gleichen kleinen Tisch die Gegen-
zutreffen. Was sich in den verschiedenen Lehr-
werkstätten meinen Blicken bot, waren durch-
wegsschwächliche Arbeiten, Pinselübungen, gar
nicht zu vergleichen mit den Leistungen, die
F. VON STUCK ^^^B Mit Genehmigung der Photographischen
KINDERBILDNIS ^^^T'ä Union, München
Überplätze anwies. Wir freuten uns des un- ich in Münchener Malschulen sah. In den
verhofften Zusammentreffens und blieben nach Akademien fiel mir die merkwürdig tonlose
dem Essen plaudernd sitzen. Die Rede ging Malweise aaf, und die starke Bevorzugung
munter über Kunst und Künstler hin und her, von Gelb und Rot. Erst die Arbeiten, die ich im
und geriet von ungefähr auf Whistler. Whistler-Atelier zu Gesicht bekam, gefielen
„Hab' ich Ihnen schon erzählt, wie ich mit mir, denn dort wurde im Ton gearbeitet. An
Whistler bekannt wurde?" fragte mich der die perlgrau gestrichenen Wände geheftet, sah
Maler. Ich verneinte. Mein Tischgenosse sah ich Büttenpapierbogen, auf denen sorgfältig in
beim Fenster hinaus auf die Semmeringland- den Raum gestellt — so viel ich zu entziffern
schaft, tat einen saugenden Zug an seiner vermochte — folgende „Ratschläge" zu lesen
Zigarette und hub an: „Es war im November waren: ,
1899 in Paris. Also just vor zehn Jahren. Ich „Ein Bild ist vollendet, sobald jede Spur der
kam aus dem altertümlichen Amsterdam und zur Herstellung des Werkes angewandten Mittel
wollte einige Zeit in Paris bleiben, um zu verschwunden ist.
arbeiten. Verschiedene Schulen hatte ich bereits Von einem Bilde zu sagen, wie oft, in der
gesehen, und ich war nicht wenig betroffen, Absicht es zu loben, getan wird, es zeige die
überall in Paris so viel argen Dilettantismus an- Merkmale von vielem und ernstem Fleiße,
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