Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 37.1921-1922

DOI Artikel:
Volbehr, Theodor: Ein Prophet des Expressionismus
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14154#0192

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sich vom Produkt oder vom Geschöpf entfernen,
aber nur, um sich zu der schaffenden Kraft
zu erheben und diese geistig zu ergreifen. Hier-
durch schwingt er sich in das Reich reiner
Begriffe: .. Jenem im Innern der Dinge wirk-
samen, durch Form und Gestalt nur wie durch
Sinnbilder redenden Naturgeist soll der Künstler
nacheifern."

Und der kühn seinem Zeitalter vorausspähende
Philosoph sagt: „Wie kommt es, daß jedem
einigermaßen gebildeten Sinn die bis zur Täu-
schung getriebenen Nachahmungen des soge-
nannt Wirklichen als im höchsten Grade unwahr
erscheinen, ja den Eindruck von Gespenstern
machen, indes ein Werk, in dem der Begriff
herrschend ist, ihn mit der vollen Kraft der
Wahrheit ergreift, ja ihn erst in die echt wirk-
liche Welt versetzt? woher kommt es, wenn
nicht aus dem mehr oder weniger dunkeln
Gefühl, welches ihm sagt, daß der Begriff das
allein Lebendige in den Dingen ist, alles andere
aber wesenlos und eitler Schatten?"

Man halte daneben die Worte unserer Expres-
sionisten über ihr tiefstes Wollen, vergleiche
das Wort Kandinskys von der Form als der
„Äußerung des inneren Inhalts" oder seinen
Lehrsatz, daß „die Form selbst, wenn sie auch
ganz abstrakt ist und einer geometrischen gleicht,
ihren inneren Klang hat, ein geistiges Wesen
mit Eigenschaften ist, die mit dieser Form
identisch sind", hat man nicht das Gefühl, als
wäre der „allein lebendige Begriff in den Dingen",
von dem Sendling sprach, sehr eng verwandt
mit der „klangreichen Äußerung des inneren
Inhalts", von dem Kandinsky spricht?

Man liebt es heute, zu behaupten, der Ex-
pressionismus habe sich bereits überlebt. Da
ist es vielleicht angebracht, darauf hinzuweisen,
daß die künstlerische Weltanschauung, die ihm
zu Grunde liegt, schon über hundert Jahre alt
ist. Was so tief im Erdreich der Kulturen
wurzelt, wird trotz aller Sturmwinde schwerlich
nach wenig Jahren starker Fruchtbarkeit ent-
wurzelt werden.

173
 
Annotationen