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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 37.1921-1922

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Lessing, Waldemar: Heinrich Hess: Bildnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.14154#0251

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HEINRICH HESS

THORWALD SEN

es kein Mensch glauben, daß das Bildnis ein
Porträt sei". Heß' Porträt ist stärker raffaelinisch
idealisiert als jenes, welches Overbeck für den
Kronprinzen 1821 von der Fünfzehnjährigen
malte und das jetzt in der Neuen Pinakothek
hängt. Bei Overbeck ist es das von der Feldarbeit
ruhende Mädchen. Die zusammengeduckte Hal-
tung, das Aufstützen des Gesichts auf die rechte
Hand, die herumliegendenGeräte verleihen diesem
Bilde einen Reiz des Natürlichen. Gerade dies
Zufällige vermied Heß in seinem Bilde. Er
wählte das Dreiviertelprofil und gab Vittoria
durch die aufrechte Haltung des Oberkörpers,
die klare Umrissenheit der Kopfform, die klas-
sische Strenge der Komposition eine stolzeWürde
und Anmut, die diesem lieblichen Geschöpf zu
eigen gewesen sein muß. „Was ist Bild? was ist
Ideal?" Dieses nach Jakob Burckhardt „anmu-
tigste Geheimnis" liegt auch über diesem Bildnis.

Aus der Zeit vor dem für Heß entscheidenden
römischen Aufenthalt stammt das Porträt der
Frau Zeiß in der Neuen Pinakothek. Nur ein
Künstler von tiefem sittlichen Ernst und reiner
Religiosität kann mit kaum zwanzig Jahren eine
Frau so erfassen. Mit den zurückhaltendsten
Mitteln ist das anspruchslose und doch so an-
sprechende Wesen der jungen Frau in dem klaren
Blick und den ruhigen Gesichtszügen gegeben.

Dersinnlichen.blühendenSchönheit desWeibes
scheint Heß in knabenhafter Scheu ausgewichen
zu sein. Die sinnige knospenhafte Unerschlos-
senheit des jungen Mädchens entsprach der
Keuschheit seines Wesens. Große fragende Augen
sprechen von dem, was die Seele dieser Mädchen
bewegt.

Auch in diesen deutschen völlig unrepräsen-
tativen Porträts meidet Heß den Reiz des
Momentanen. Das Aufsehen von der eben

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