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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 6.1905-1906

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Unterstaatssekretär wirkl. geheimer Rat Dr. M. v. Schraut
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https://doi.org/10.11588/diglit.6481#0112
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102

Unterstaatssekretär Wirkt. Geheimer Rat Dr. M. v. Schraut f.

ihm Ausgezeichneten, verfolgte er mit
regster, nie ermüdender Teilnahme das
Aufwärtsstreben und Vollbringen der
jungen Künstler, die ihm näher getreten
waren. Was er hier leistete, läßt sich
nicht in bestimmte Worte fassen.

Auch die Zeitschrift « Das Kunst-
gewerbe in Elsaß-Lothringen » ist ein
Beweis dafür, wie v. Schraut die Bedürf-
nisse des heimischen Kunstgewerbes er-
kannte, als er einen Sammelpunkt für
alle Bestrebungen schaffen wollte, die
gleichzeitig auf eine Förderung echter
moderner Werkkunst und der Kenntnis
der Geschichte des heimischen Kunst-
gewerbes gerichtet sind. Gerade bei der
Gründung unsrer Zeitschrift zeigte sich,
daß v. Schraut die ausgeprägte Eigenart
unserer Kulturbewegung ebenso scharf
durchschaute, wie er einem restlosen
Untergehen in der allgemeinen Hochflut
moderner Richtungen durch die steten
Hinweise auf das Bodenwüchsige und
Ursprüngliche früherer Epochen vorge-
beugt sehen wollte.

Schrauts harmonische, in sich abge-
schlossene Persönlichkeit, bei der Ver-
stand und Gemütsleben sich innig durch-
drangen und der die Förderung des
Kunstgewerbes nicht nur eine Sache von
hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung,
sondern auch eine wahre Herzenssache
war, sorgte dafür, daß alle Arbeit, die
unter seinen Auspizien auf diesem Gebiete
geleistet ward, von dem Hauch begei-
sterten, warmen Empfindens durchweht
wurde.

Alle, die auf dem Boden der Kunst und
des Kunstgewerbes in Elsaß-Lothringen
in unsren Tagen arbeiteten, werden
Schrauts geistiges Bild in ehrendster
Erinnerung bewahren als das Bild eines
Staatsmannes, der mit einem klaren Ver-
stand eine ungewöhnliche Empfänglich-
keit für alles Schöne vereinigte und allem
ehrlichen Kunstschaffen mit der warm-
herzigen Liebe eines Jünglings zugethan
war. Ein Herold und Vorbild jener künst-
lerischen Bildung, wie sie unserer Zeit
nottut, verfolgte Schraut namentlich die

Entwicklung des modernen Kunstge-
werbes, das ihm, der in seiner unbe-
stechlichen Wahrheitsliebe die neuzeit-
lichen Forderungen auf diesem Gebiete
ganz besonders willkommen hieß und seine
Wertschätzung derselben in Bezug auf den
Materialstil und auf die technische Be-
handlung gerne betonte, die Erweckung
allgemeiner künstlerischer Interessen ein-
zuleiten schien. Das Lebenskräftige in der
ganzen neuen Bewegung wollte er sicht-
lich kräftigst hegen und pflegen. Er ver-
mied es sogar, da Mißtrauen zu zeigen,
wo das Gebärden des Mösts leicht er-
kenntlich war — wenn auch ihn, der an
den feinen Schöpfungen unserer alten
Kunst seinen Geschmack gebildet hatte,
der Mangel an Schönheitszielen, an Vor-
nehmheit und Vollendung in Geist, Form
und Farbe immer traurig stimmte. Schrauts
Hinweise auf die Notwendigkeit der ört-
lichen Einzelfärbung der neuen Kunst
fanden im elsässischen Kunstgewerbe am
ehesten Beachtung. Es erfüllte ihn mit
Stolz, daß die Opfer, die das Land diesen
Bestrebungen brachte, nicht vergeblich
waren, daß sie überall laute Anerkennung
fanden, daß das wiederbelebte elsässische
Kunstgewerbe mit Ehre und Achtung
auch im Ausland behandelt wurde. In
einer Zeit, in der andere Staatsmänner
sich der neuen Bewegung- gegenüber
noch völlig ablehnend verhielten, hatte sich
v. Schraut bereits einer thatkräftigen För-
derung maßvoller Bestrebungen dieser Art
geneigt gezeigt. Und das sei ihm namentlich
unvergessen, daß er auch das Werdende,
das noch nicht Geklärte ermunternd und
wohlwollend beurteilte, daß er selbst da,
wo er die Grundsätze der alten Kunst
verneint sah, dem neuen Ausdruck des
Zweckes nicht verständnislos gegenüber
stand.

Wer aber Gelegenheit hatte, Schraut
über die Errungenschaften der modernen
Bewegung sprechen zu hören, weiß, wie
glücklich er war, wenn er in modernen
Leistungen einem wahrhaft vornehmen
Empfinden begegnete, wie er das Geläu-
terte und Ruhige besonders dankbar hin-
 
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