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misch-niederländischen Kunstkreis bezogen hat. Abgeschrie-
ben, was damals kein Makel war, hat unser anonymer Maler von
einem Stich des oberrheinischen Meisters E.S. Aus dessen
Marter der hl. Barbara (L. 161) entlehnt er die Rückenfigur mit
ihrem Kapuzenmäntelchen und anderes.12
Zum Verständnis des Bildes, das einem 1467 gestifteten St.
Georgsaltar der 1827 in der Ledergasse abgebrochenen St.
Georgskapelle entstammen dürfte, sei aus der Legende des hl.
Ritters zitiert: Georg, einem vornehmen Geschlecht entstam-
mend, diente als Oberst im Heerdes Kaisers Diokletian. Als die-
ser in seinen letzten Lebensjahren die Christen grausam ver-
folgte, legte der Bekenner nicht nur sein Amt nieder, sondern
machte sogar dem Kaiser wegen seiner Unmenschlichkeiten
ernste Vorhaltungen. Der Kaiser beantwortete dies mit Gefäng-
nis und Marter. Da er aber den Mut des Heiligen nicht zu bre-
chen vermochte, versuchte er es mit Schmeicheleien und ver-
sprach Georg die höchsten Ehrenstellen, wenn er seinen Willen
befolge und den Götzen opfere. Georg ging darauf insofern ein,
als er zusagte, mit dem Kaiser zusammen den Göttern im Tem-
pel gegenübertreten zu wollen. Allein, als der Heilige in den
Tempel getreten war, nahte er sich mit ausgestreckter Hand der
Bildsäule des Götzen Apollo und sprach: Du willst also ein
Opfer, welches allein dem wahren Gott gebührt? Er sprachs und
machte das Zeichen des heiligen Kreuzes. Kaum war dies
geschehen ... stürzten alle Götzenbilder zur Erde nieder. Jetzt
aber brachen die Götzenpriester und das Volk in die größte Wut
aus; sie wollten den Heiligen als Zauberer zerreißen und der
Kaiser sah sich genötigt, ihn sogleich abführen und enthaupten
zu lassen ....

Hat der Maler der St. Georgstafel sich auf den Meister E.S.
gestützt, so entwirft der wohl etwas jüngere Urheber der Geiße-
lung Christi (84,5 x 87 cm, Altarflügelbild mit ruinierter Rücksei-
te) sein Bild nach einem Kupferstich Martin Schongauers (B 12).
Wie andere Zeitgenossen und selbst noch Albrecht Dürer (s.
Meder 109) und Hans Burgkmair hat er diesen Stich nachfor-
muliert. Die Übersetzung des Stiches mit der Fülle der Einzelhei-
ten und allen Stufen von Hell und Dunkel zwangen ebenso zu
Vereinfachungen, wie allerdings auch die beschränkten Fähig-
keiten des Malers. Man sieht, wie er Mühe hat, in der Gestalt
Christi einen Akt zu formulieren.
13 Bislang (1979) lagert im Depot das größte Tafelbild des
Museums, das zeitlich hier seinen Platz hätte. Die aus dem Klo-
ster St. Ludwig oder dem Münster stammende Tafel mißt
225 x 86,5 cm und trägt auf ihrem Dachbrett die Inschrift: „Das ist
ain gleichnus der person cristi ■ die leng ond gros 1485 ■
Renouiertt -1 -6-10". Christus steht dem Betrachter als 2,02 m
hohe Gestalt gegenüber. Die Linke hält die Kristallweltkugel, die
Rechte ist segnend erhoben. Neben den bloßen Füßen Christi,
 
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