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14 Zwei Wappenhalter
um 1500

Spätmittelalterlicher Legende zufolge soll er in Persien bei der
Verkündigung des Evangeliums mit einer Keule erschlagen
worden sein. Das Bild ist von einer Qualität, wie wir uns durch-
schnittliche Malerei jener Zeit vorzustellen haben.

15 Sitzende Muttergottes,
um 1330 ►

16 Maria mit dem Kind,
um 1515 ►

Nun zu den Schnitzwerken der Spätgotik. Zuvor sei daran erin-
nert, daß plastisches Gestalten des 14. Jahrhunderts noch vor-
wiegend Steinskulptur im Dienste der Architektur war, die Spät-
gotik jedoch als Standort ihrer Skulpturen den Innenraum und
als bildsames Material das Holz bevorzugte. Hauptthemen
waren die Heiligen und ihre Szenen in den Schnitzaltären und
auch die einzeln aufgestellten Andachtsbilder. Zwar hat das
Museum ein ganzes Altarretabel nichtzu bieten (indessen meh-
rere das nahe Münster), jedoch fast ein Dutzend Einzelfiguren,
die einige Stilphasen zweier Jahrhunderte und auch handwerk-
liche Vorgänge veranschaulichen.
15 Das früheste Werk ist die sitzende Muttergottes (um 1330, Lin-
denholz, ursprünglich farbig gefaßt, 75 cm).14 Ein sehr beschä-
digtes Werk; die Unterarme fehlen, die das auf dem linken Ober-
schenkel stehende Kind gehalten haben. Von der Fassung
blieben nicht mehr als Spuren. Wissen und Einbildungskraft
vermögen vielleicht diese Bildruine für einen Augenblick
zurückverwandeln in ein Andachtsbild mit goldenen Haaren,
elfenbeinweißem Inkarnat und einem emailhaft schimmernden
blauen Mantel. Stilistisch gesehen hat sich der Schnitzer zwei-
fellos von der Portalplastik des Münster-Langhauses beein-
drucken lassen. Dabei ist seine Figur fast strenger, hierarchi-
scher als die Steinskulpturen formuliert, womit etwas über die
Abhängigkeit und die Anfänge der großen Zeit der spätgoti-
schen Schnitzkunst gesagt ist.

Formengeschichtliche Entwicklungen lassen sich bei den
Schnitzfiguren insbesondere an der Drapierung und ihren
Gewandfalten ablesen: Im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts
ist das Lendentuch des Christus von einem hl. Grab15 (Linden-
holz, Reste alter Fassung, 89 cm) mit wenigen, kräftigen Wül-
sten organisiert, so auch bei der zeitgleichen Halbfigur eines
Palmeselchristus (im Bereich Volksfrömmigkeit aufgestellt); bei
der hl. Barbara (Lindenholz, Reste alter Fassung, 89 cm, um
1430) schwingt das Gewand in weich gelegten Saumwellen
aus, hier ein Nachklang der schönlinigen Eleganz und der
schmiegsamen Falten des sogenannten Weichen Stiles um
1400. Mit dem Ulmer Multscher beginnen um 1430 auch in
unserem Raum die Faltenbrüche. Eine Strukturierung setzt ein,
die um 1500 ihren Höhenpunkt erreichen wird, wie etliche Figu-
ren auch hier belegen. Dieses Knitterwerk beginnt sich Anfang
des 16. Jahrhunderts zu beruhigen (s. Muttergottes, um 1515,
Lindenholz, Fassung abgelaugt, 64 cm),16 um dann um 1520 in
langschwingende Parallelfalten überzugehen, so beim Aufer-
 
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