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Zu Gmünds Geschichte und Kunst

im Städtekrieg 14493 nach Waldstetten am St.-Georgs-
Tag, am 23. April. Graf Rechberg sollte geschädigt und
zur Raison gebracht werden, der es gewagt hatte, eine
Viehherde vor dem Waldstetter Tor einzufangen und
wegzutreiben. Mit 600 Mann, der gesamten wehrfähi-
gen Mannschaft, fielen die Gmünder in Waldstetten ein
und ließen das rechbergische Haus in Flammen aufge-
hen und nahmen viel raub. Das Kriegsziel erreicht, also
entsprechend gehaust, traten die Reichsstädter sieges-
trunken, unbesorgt und entsprechend ungeordnet den
Rückzug an - und liefen in die Falle des Rechbergers,
der sich mit Württembergern verstärkt hatte. Fürchter-
lich zusammengehauen flüchteten die Gmünder ihren
Mauern zu. 34 Tote und 68 Gefangene ließen sie zu-
rück, allerdings auch 18 tote Württemberger4. Der
Schrecken saß tief. Ihr Hauptmann, der Herr von Hork-
heim, wurde sofort der Stadt verwiesen. Fortan ließ sich
die Reichsstadt nie mehr in ein militärisches Unterneh-
men ein. Nicht einmal Hans Diemar in Lindach, einen
Ritter zweifelhafter Herkunft, einen Rohling und

3 Felix Debler, ein geschichtsinteressierter Gmünder, sprach gegen-
über dem Verfasser die Vermutung aus, der Überfall könnte bei der
Dreifaltigkeitskapelle erfolgt sein. Die Geländesituation spreche da-
für. Das leuchtet ein. Strategisch gesehen konnte der Rechberger im
Waldstetter Tal, dem Anmarsch- und Rückzugsweg der Gmünder,
nirgendwo günstiger den Hinterhalt legen. Hier bot ihm eine Hang-
kanzel Ausblicke auf über 2 km des Tales, hier im Bereich eigener
Lehensgüter (s. UAG 929, UASp 809) kannte er Weg und Steg. Der
unruhige, von Gebüsch und Waldstücken durchsetzte Westhang bot
seinen lauernden Männern Versteck für den Ausfall. In ihrem Rücken
wußten sie das dem Rechberger verpflichtete Straßdorf, ihre Auf-
marsch- und Auffangbasis. Für den Taktiker war zu erwarten, daß die
heimziehenden Gmünder, denen hier nur noch ein Hangspom der
Schapplachhalde den Blick auf Mauer und Türme der nahen Stadt
verwehrte, sich nun in Sicherheit wähnten, ihre Ordnung auflösten
und ihre Wachsamkeit vernachlässigten.
Am Fuß dieses Hangabschnittes liegt eine alte Furt des Waldstetter
Baches. In ihrer Nähe fanden sich noch um 1928 mehrere alte Stein-
kreuze (s. Werner Debler, 300 Jahre Dreifaltigkeitskapelle in Schwä-
bisch Gmünd 1693-1993, Schwäbisch Gmünd 1993, 140). An diesem
Ort wird es zum Kampf und zum Gemetzel gekommen sein.
Nebenan steht die Dreifaltigkeitskapelle, erbaut 1693 von einem reu-
igen Sonntagsjäger, der dort auf einen Vogel gefeuert hatte, der einen
Rosenkranz im Schnabel trug. Dieses legendäre Motiv überliefern in
ähnlicher Form auch andere Kirchentraditionen. Wir fragen uns des-
halb, ob die volksreligiöse Neigung zur Tradition - auch zur Tradition
des Ortes - hier die Legende in das blutgetränkte Feld verlegt hat?
Veranlaßte seine Stadt- und familiengeschichtliche Bedeutung als
Kampf- und Opferfeld eine Art Rezeption mit sakraler Überhöhung,
Sühne und Aussöhnung? In dem Stiftungsanlaß zum Kapellenbau
spielt auch ein Schießeisen eine Rolle. Der getroffene Vogel jedoch -
wie es in einer Legende nicht anders sein darf - blieb unversehrt und
entkam dem Anschlag. Zurück blieb kein totes Wesen, zurück blieb
der Rosenkranz.

Strauchdieb sondergleichen, der die Stadt am 16. Ok-
tober 1543 in einem Fehdebrief herausforderte, lehrte
man mores.
Aus diesem Jahrhundert nimmt man alle positiven
Nachrichten, gleich welcher Bedeutsamkeit, gerne zur
Kenntnis. 1464 kam hierher die erste Stadtuhr (Debler,
Chronik V, 30). Am 12. Oktober 1476 schreibt aus Bo-
logna Leonardus Mansuetis de Perusia an den hochan-
gesehenen und großmächtigen Herrn, den Bürgermei-
ster und die Räte der berühmten Stadt Gmünd (UAG
1736). Dieses Stückchen Galanterie des Quattrocento
wird den Adressaten gut getan haben, zumal dieser Or-
densgeneral der Prediger der Stadt Gmünd die Schutz-
herrschaft über das Kloster Gotteszell zugesteht. Das
reichste der Gmünder Klöster war damit an die Stadt
gebunden, seine Finanzen und Rechtsgeschäfte den
städtischen Pflegern überantwortet. Das gibt der Stadt
Auftrieb. Wie sie im ausgehenden Jahrhundert einge-
schätzt wurde, läßt sich einer Bestimmung der Grün-
dungsversammlung des Schwäbischen Bundes, die im
Juli 1487 in Eßlingen tagt, entnehmen. An gerüstet lewt
zu roß und zu fuß sollen haben Gmünd 6 zu Pferd und
66 zu Fuß, Ulm das zehnfache, Hall das dreifache.
Doch das Gmünder Kontingent umfaßt immerhin dop-
pelt so viel wie Aalen oder Leutkirch und dreimal so
viel wie Giengen oder Bopfingen.

Gmünder Kunst 1300-1500
Stilgeschichtlich ist es die Epoche der Gotik. Wie an-
dernorts im süddeutschen Raum beginnen um 1250 ihre
Formen und Prinzipien, die aus dem Westen kommen,
sich bemerkbar zu machen und durchzusetzen. Schlank
wächst der oktogone Turm der Johanniskirche aus dem
quadratischen Unterbau heraus bis hinauf zur Glocken-
stube mit seinen spitzbogigen Schallarkaden. Zur glei-
chen Zeit wird es gewesen sein, als beim Bau der gera-
den Chorostwand von St. Franziskus der Stilwechsel
abrupt vollzogen wird. In 2 m Höhe schneidet die ro-
manische Lisenengliederung ab, und drei Sohlbänke
markieren den Anfang für drei schmalhohe Spitzbogen-
fenster. Beim Ausbau dieses Mönchschores krönen
Blattkapitelle die Runddienste mit jenen frühgotischen
Formen, die wir von Maulbronn her kennen.
In der Mitte des 14. Jahrhunderts erfolgt der Übergang
von der Hoch- zur Spätgotik, repräsentiert durch den
Hallenchor des Münsters, Gründungsbau der deutschen
Spätgotik, erstes Paradestück der Parier. So sehr dieses
auf Wand und Volumen hin konzipierte, mit plastischen

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