Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

DOI Artikel:
Karlinger, Hans: Empire-Öfen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0034

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ähnlich wie mit dem Aufbau steht es mit der Deko-
ration. Der Gfen des ;5. und j.6. Jahrhunderts
bevorzugt die glasierte Reliefkachel. Prachtstücke,
wie im Nationalmuseum zu München oder im
Germanischen Museum in Nürnberg, wetteifern
in der reichen Palette ihrer bunten Glasuren mit
dem farbenfunkelnden Innenraum der deutschen
Renaissance. Seit etwa Mitte des 1(6. Jahrhunderts
tritt daneben der Ofen mit flachen, weißen, bunt,
später blau dekorierten Kacheln auf. Seine peimat
ist vornehmlich die Schweiz. In Deutschland hat
sich der weiß glasierte Ofen mit Bunt- oder Blau-
dekor im allgemeinen erst im ts. Jahrhundert
und nur vorübergehend verbreitet. Namentlich
die Bürgerstube liebte diese farbenlustigen Ofen,
während Schloß und Repräsentationsbau mehr den
glasierten Tonöfen treu blieb. Ja, an Stelle der
polychromie trat für letzteren mehr und mehr die
einfärbige Glasur. Spätbarock und Rokoko machen
vom Reliefdekor ausgiebigen Gebrauch, wählen
aber für die Glasur vornehmlich stumpfe Unitöne.
Das satte Moosgrün des Renaissanceofens wird
mehr in die Bauernstube verdrängt, Kupfergrün
oder Manganviolett, Mattrosa, Lrdgelb und Kobalt-
blau erhalten den Vorzug. Der ganz weiß glasierte
Ofen kommt mit dem Rokoko zu Ehren.

Der Empireofen bedeutet eine konsequente Fort-
setzung der angegebenen Entwicklung. Tektonisch
kehrt er, wie der ganze Stil, wieder zur einfachen
Formenwelt zurück. Der Gesamtaufbau der Gfen
des späten r.8. Jahrhunderts läßt sich fast immer
vom Prinzip zweier aufeinander gestellter Zylinder
ableiten, wenigstens ist das die bevorzugte Form.
Das Empire liebte keine zu großen Möbel. Da,
wo sich Empiregeist rein ausspricht, namentlich in
Frankreich, das allerdings den Kachelofen auch im
späten t6. Jahrhundert nur als Ausnahme kennt,
bevorzugte man große Räume, die durch das
Mobiliar nicht erfüllt, sondern im Gegenteil in
ihrer Weiträumigkeit gesteigert werden sollten.
Daraus kann man auch die Rundform des Ofens
erklären, die in ihrer säulenhaften Begrenztheit
dem Streben der Zeit nach monumentaler Ruhe
jedes einzelnen Gegenstandes weit besser ent-
gegenkam, wie die breitstirnige Fläche des kubischen
Gebildes. Um so mehr, als keramische Aufbauten
erfahrungsgemäß immer raumfüllender wirken wie
polz. Dem Streben nach monumentaler Abge-
schlossenheit entspricht auch das beliebte Motiv der
Säulenkannelierung, das seit der Zopfzeit (vgl.
Fig. 4) eingeführt und im entwickelten Empirestil
immer wieder (vgl. Fig. \i, \8) verwertet wurde.
Aus demselben Empfinden entsprang ferner die

jetzt zur Regel gewordene Wahl einfärbiger Gla-
suren, unter denen weiß, Mattrose, gedämpftes
Blau oder Grün an der Spitze stehen.

Technisch zeigt der Empireofen eine Vervoll-
kommnung der Rokokokachel. Man stellt jetzt
ganze Werkstücke, halbe, bisweilen selbst ganze Auf-
sätze aus einem Stück her. Dabei sind die Anfor-
derungen an den Keramiker auch, namentlich
beim Rundofen, noch insofern gesteigerte, als jetzt
nicht mehr Dekorstücke so häufig wie früher sich
wiederholen, namentlich bei reicheren Arbeiten
(vgl. Fig. 2, 5, 7); also nicht so oft abgeformt,
sondern mehr frei modelliert werden mußten.
Die Übung, den Rundofen aus einzelnen zylindri-
schen Stücken aufzubauen (vgl. Fig. 5), wird na-
mentlich für den seit dem frühen Jahrhundert
beliebter gewordenen Gußeisenofen vorbildlich,
chat die Ofenbaukunst des klassizistischen Stiles
nun hinsichtlich ihrer tektonischen Lösungen gerade
keine große Vielgestaltigkeit erlebt, so ist sie um so
reicher auf dem Gebiete des Dekors. Der Relief-
dekor wird im Empire zu einer Feinheit, ja zu einem
Raffinement ausgebildet, die technisch jedenfalls
das Höchste darstellt, was keramische Modellier-
kunst überhaupt geschaffen hat. Innerhalb des
Empire läßt sich die Finesse des keramischen
Schmuckwerkes nur mit der ziselierten Bronze
vergleichen. Neben der: unerläßlichen Bestand-
motiven des Stils: Blattgirlanden oder Rosetten,
Pfeifen und Röhren, Masken und Vasen wird
namentlich der figürliche Dekor mit größter Liebe
gepflegt. Viktorien, Genien, antikisierende Profil-
köpfe oder Gruppen weiß man bis zu einer Sorg-
falt auszumodellieren, als wäre es Wegdwood-
Steinzeug. (vgl. Fig. (6.) Daneben behält aber
die tektonische Dekoration an Gesimsen und Kehlen
eine frische und volle Lebendigkeit, die nichts gemein
hat mit den verkümmerten und vertrockneten
Ornamenten der Neoklassizisten und Romantiker.
So ist z. B. der Laubdekor bei Fig. \ oder 3 mit
einer Sicherheit modelliert, die an einen Stukkateur
erinnern könnte.

Die Entwicklung einzelner Dekorationselemente läßt
sich hier nur andeuten. Im allgemeinen bewegt
sich der Dekorationsreichtum während der klassi-
zistischen Perioden vom Zopfstil bis zum Bieder-
meier in absteigender Linie. In gleichem Maßstab
verliert die Dekoration mehr und mehr ihre tek-
tonische Gliederung. Der entwickelte Empirestil
liebt eine möglichst intensive Flächenbelebung mit
gleichen Motiven im Gegensatz zu der alternieren-
den Reihung des Zopfstils. Das Biedermeier be-
vorzugt die glatte Fläche.

26
 
Annotationen