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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0043

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Aber meine Damen und Herren! Ich wollte mich bei Ihnen
eigentlich nur einführen und fange unversehens an, lehrhaft
zu werden, so daß meine Worte der Einführung Gefahr laufen,
in einen Vortrag auszuarten.

Immerhin glaubte ich es Ihnen schuldig zu sein, da ich für manche
ein unbeschriebenes Blatt bin, einen kleinen Einblick in mein
künstlerisches Fühlen und Denken zu gewähren. Zur Buße
will ich mich nun eines trockenen Tons befleißen und kurz
zusammenfassend berichten, über das, was im Sommer seitens
des Vereins geschehen ist.

Der große Krieg hat uns ganz bestimmte Wege vorgezeichnet,
und wenn \870 ein Verein wie der unsrige von den politischen
Ereignissen keine Notiz genommen hat, so geht das doch jetzt
nimmer an. Alle Faktoren müssen Zusammenhalten für des
Reiches Herrlichkeit in feiner schwersten Stunde.

Das meiste ist Ihnen ja aus der außerordentlichen General-
versammlung und durch Veröffentlichungen in unserer Zeit-
schrift bekannt.

Die Feldpakete wirken bei unseren braven Kriegern draußen,
wie unter dem Lhristbaunr die Gaben von Weihnachts-
geschenken, tiefe Rührung und frommer Glaube an unsere
unbesiegliche Volkskraft sind die Wirkungen solcher scheinbarer
Kleinigkeiten. Lesen Sie die Dankeskarten, und Sie werden
begreifen, unser Verein hat sich mit diesem Liebeswerke dauernd
in viele Herzen eingeschrieben, man wird es ihm im Frieden
gedenken.

wir haben die Bemühungen der städtischen Lotterie des Wohl-
fahrtsausschusses mit einer eigenen Sammlung unterstützt.
Dieselbe umfaßtzurzeit ca. 750 Gegenstände in einem Schätzungs-
werte von ca. 8000 ITt. Lin schönes Zeichen von Geberfreudig-
keit, wo doch wahrlich Geberpflichten in Hülle und Fülle und
täglich in neuer Form von phantasievollen Menschen erdacht
wurden.

Ihnen allen, die in diesen schweren Zeiten dem Verein hilf-
reiche Unterstützung gewährt haben, sei es durch eigene Tätig-
keit, sei es durch Geld oder Gaben, sei der allerherzlichste Dank
zum Ausdruck gebracht.

Armer find wir geworden in diesen Tagen an Geldmitteln,
aber reicher an jenen unbeschreiblichen werten, die Kultur-
kräfte stärken und die Kunst als Destillat der Kultur erst ermög-
lichen. wir haben das feste vertrauen, daß nach dem Kriege
eine straffere Grganisation es dem Verein ermöglichen wird,
seine besondere Mission wieder voll und ganz zu erfüllen.
Dazu ist es nötig, daß alle Kräfte, besonders aber alle künst-
lerisch bedeutsamen Kräfte ihre Dienste wieder voll und ganz
dem Bayerischen Kunstgewerbe-Verein zur Verfügung stellen.
Nur durch ernste unablässige Arbeit kann dem Verein seine
Bedeutung in der Zukunft gesichert werden. Sein Endziel
muß sein, dem Kunstgewerbe wieder jene künstlerische Selb-
ständigkeit zurückzuerobern, ohne welche das Kunstgewerbe
niemals wieder zu einer vollen Bedeutung und Ansehen
gelangt. Und darum schließe ich meine Begrüßung mit der
herzlichen Bitte an Sie alle, sich recht zahlreich an den Vereins-
abenden beteiligen zu wollen, für das vereinsleben in jeder
Richtung zu wirken und zu werben, damit der Verein für einen
allgemeinen Aufschwung gerüstet ist.

Dieser mit starkem Beifall aufgenommenen Rede des l- Vor-
standes folgte der Vortrag des Herrn Prof. Dr. Halm „Belgische
Kunststätten", ein sehr aktuelles Thema, das viele Hörer an-
gezogen hatte. Steht doch auch die belgische Gotik, wie wir
an heimischen Bauwerken wahrnehmen können, uns unmittel-
bar nahe. Die flämische Kunst verbinden, wie uns ein Gang
durch die alte Pinakothek zeigt, unendlich viele Beziehungen

und Fäden mit der deutschen. Der Redner erinnerte gleich
in seinen den Vortrag einleitenden Worten daran, daß uns
von niederländischer Kunst fast nur meist die Malerei bekannt
ist, die der Gebrüder van Eyck bis zu Rubens und Rembrandt,
und diese hielt man ganz allgemein für das Spiegelbild natio-
nalen und kulturellen Lebens. Die Städte wurden als solche
weniger beachtet, und doch sind sie die Bühne, auf der sich der
große durch Gewerbe und Handel geförderte Aufschwung
Flanderns vollzog.

Denkmäler des vom Rhein her beeinflußten romanischen
Baustils find spärlich. Schon an dem bedeutendsten Werk
dieses Stils, der Kathedrale von Tournay, wird das Eindringen
des gotischen Stils sichtbar. Ein Lharakteristikum der räum-
lichen Anlage der gotischen Kirchen ist, daß sie mehr in die
Breite als in die Länge gehen; meist besitzen sie nur einen
Turm. An einer Reihe von Beispielen zeigte der Vortragende
die glänzende Entwicklung des Kirchenbaues im zz. Jahr-
hundert. Aber noch eigenartiger, reicher und vielgestaltiger
entwickeln sich infolge des großen wirtschaftlichen Aufschwungs
Profanbauten: Rathäuser, Kaufhallen, Gilde- und Zunft-
Häuser.

In lebendiger Sprache malte der Vortragende den historischen
Hintergrund dieser Bauperioden von der Zeit der Vererbung
Flanderns an Burgund bis zu der segensreichen Regierung
Albrechts und Margaretas von Österreich. Die anschaulichen
Lichtbilder versetzten nun in einzelne flandrische Städte, zu-
nächst in das stille Brügge, das wir in den Bildern von den
Stadttoren aus nach allen Richtungen hin durchwandern
konnten. Nach der toten Stadt kam die lebendige, Gent mit
dem Schloß Gravensteen, St. Nikola, St. Bavo, Tuchhalle.
Stadthaus u. a. von Necheln sahen wir die stolzen Tuch-
hallen, das Palais du Grand Lonseil, St. Rombaut mit seiner
schönen Kanzel. Dann kam Antwerpen mit dem Einzug der
deutschen Truppen, das Stadthaus, die Zunfthäuser am
Marktplatz, die Kathedrale, Iakobskirche, der Brabobrunnen,
der Steen mit den Kaianlagen und die vollständig erhaltene,
einst weltbekannte Gffizin des Buchdruckers Ehristoph Platin
mit dem Hof des jetzigen Platin-Moretus-Mufeums. Den
Beschluß machte Brüssel, das die Belgier so gern Paris an die
Seite stellen und das schon im zs. Jahrhundert „In noble"
genannt wurde, wenn Brüssel sich im zg. Jahrhundert ge-
waltig verändert hat, besitzt es doch noch im Grande Place,
im Rathaus, dem Maison du Roi und den vielen prächtigen
Zunfthäusern am Grande place prächtige Zeugen aus seiner
großen Bauperiode. Wittelsbacher waren es, die hier mit-
wirkten, besonders einer, der Generalstatthalter Max Emanuels
von Bayern, dem die Bierbrauer auf ihrem Innungshause
ein Reiterdenkmal errichteten, dessen Griginalmodell von
Marc de vos im bayer. Nationalmuseum steht und die In-
schrift trägt: Dnx Bavariae Brusselensium saius! Mit einem
Hinweis auf einen Besuch im Wiertz-Museum unter Vor-
führung einer phantasievollen Zeichnung von wiertz „Der
Krieg" schloß der Redner mit einem von glühender vater-
ländischer Begeisterung durchwehten Gedicht und einem Hoch
auf König, Kaiser und Reich, einen lauten, lang anhaltenden
Beifall bei den dankbaren Hörern erweckend.

Der t?- November brachte uns den Vortrag des Herrn
(Oberstleutnant würdinger, Vorstand des Kgl. Armee-
Museums in München über „Moderne Handfeuer-
waffen". Die allseitig gespannten Erwartungen, die man
dem für diese Ausführung berufensten Redner entgegenbrachte,
wurden durch die eingehenden, sachlich interessanten und auch

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