Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

DOI Artikel:
Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0068

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KunfM£onbottietis, denen die geistigen Kämpfe der Kunst-
arbeit nur Vorwand für angemaßte Rollen sind, von Künstler,
Dilettanten, die einer illustren Gesellschaft, wie es der werk-
bund wirklich ist, Theorien aufstellen, Richtung geben und refor-
inieren. Namen, die allen geläufig sind, tun hier nichts zur
Sache. Müsse! sprach dann über die im Grund gleichen Ziele
des Bundes und des Kunstgewerbevereins, wobei ersterer nur
mehr großdeutsch, exportungeduldig sei. Dem Kunstgewerbe-
verein fehlten eben alle großen berauschenden Worte, aber
dafür setzt er sich aus Könnern und Fachleuten zusammen.
3m Werkbund dominiert der „angewandte" Künstler, der vor der
großen (Öffentlichkeit Selbstgespräche führt, wie sich in ihm das
Kulturleben konzentriert. Aber ein Haus oder ein Stuhl werde
nicht besser, ob einer gescheit oder dumm darüber rede. Nicht
der Drang der Zeit, sondern das bewußte Experiment einiger
suchen eine neue Kunstform, was daran gut ist, vollzog im
wesentlichen die überlegene Arbeit deutscher Architekten.
Deutsche Arbeit sei im Gegensatz zu französischer und englischer
bemerkenswert durchgeistigt — ohne Zutun des Werkbundes.
Eine Erhöhung der Kultur könne nur durch die Kultur selbst
hindurchsühren. Die gut deutsche Art sei still wie es auch bayerische
Art ist. von hier, wo er entstand, sei der Bund weggezogen
zu den Stätten unruhigen Lebens, wohin er gehöre, und möge
dort mit dem ihm wesensverwandten deutschen Kaufmann die
lvelt erobern. Resümierend sprach zu all diesen Ausführungen
unser Vorsitzender Professor Hönig: Es sei kein Zufall, daß
sich die höchsten Potenzen der Kölner Veranstaltung in
Worten ausgelebt haben, eben anläßlich jener Tagung. Die
Führer überschätzten das Wort; sie stellen nicht wie frühere
Künstler die Tat in den Vordergrund. Worte, nichts als Worte,
konnte man bei dieser Ausstellung sagen; sie waren die Signatur,
unter der die Ausstellung und die einzelnen Gebäude standen.
Der Gesamteindruck der Ausstellung, als eines Kölner Unter-
nehmens, für das aber der Werkbund als verantwortlicher
Redakteur zeichnete, war ein außerordentlich unreifer; eine
verfehltere Art, große künstlerische Grundzüge zu propagieren,
hätte nicht geboten werden können.

Man soll der natürlichen Jeitentwicklung nicht immer vorgreifen
wollen. Stil wird nicht gemacht. Er ist da oder ist nicht da
und gedeiht um so eher, je weniger von ihm geredet wird.
Gbwohl die Ausstellung im ganzen nicht gut war, bot sie Einzel-
leistungen, die München aufwecken müssen; bezeichnend aber
ist, daß am besten jene Arbeiten waren, die der guten Tradition
sich näherten, von diesen Kriegszeiten dürfen wir hoffen,
daß sie uns von Illusionen und Phrasen reinigen, der ehrlichen
Arbeit wieder den ihr gebührenden Platz geben und uns wieder
warten lehren in Ruhe, weil nur so Erfüllungen möglich sind,
die der ruhigen Entwicklung bedürfen, verfehlt sei es, immer
von vornherein etwas von der Entwicklung zu verlangen, was
nur Jahrzehnte bringen können. Es wäre ein Unglück gewesen,
wenn man im Anschluß an die Geschmacks-Ausstellungen
München H908 und Gewerbeschau tdl.2 die aufgestellten Theo-
rien sofort in die Praxis hätte umsetzen wollen, Hier schlage
übrigens auch das Trägheitsmoment der Masse ein, als nicht
zu unterschätzende natürliche Hemmung, die nur durch Taten,
nicht durch Worte sich überwinden lasse. Unendlich viel Elend
sei durch den derzeitigen Krieg über uns gebracht, er gebe uns
aber auch gute Hoffnungen in der Zuversicht, daß wir wieder
normalere, ruhigere Menschen werden, die gediegen ausgereifte
Arbeit leisten und den Erfolg abwarten können. Sei dies
erreicht, dann werde alles wieder recht werden, dafür bürgen
uns die soliden künstlerischen Kräfte, die wir haben.

Die Ausführungen Prof, Hönigs wurden des öfteren von
lebhaften Zustimmungen und lautem Beifall begleitet, ein

Zeichen, wie sehr unser Vorstand im Sinne aller gesprochen
hat.

Die Münchener Neuesten Nachrichten, denen wir z. T. den
Bericht entnahmen, bemerkten dazu: „Nachklänge zur
Werkbundausstellung. Auf Veranlassung des Bayerischen
Kunstgewerbevereins hielt Herr Dr. Georg Jakob Wolf im stark
besuchtenKunstgewerbehaus einen sehr bemerkenswerten Vortrag
über die Werkbundausstellung und den Deutschen Werkbund."
Or. Wolf hielt sich in der Hauptsache an seine im September-
Heft der „Dekorativen Kunst" enthaltenen, viel besprochenen
Ausführungen über den deutschen Werkbund und die Werk-
bundausstellung in Köln und kam auch hier zu einer sehr prä-
zisen, klar begründeten Stellungnahme. Für München und
das bayerische Kunstgewerbe war es dabei besonders wertvoll,
zu hören, daß der angeblich vom Werkbund geschaffene und in
Köln gezeigte „neue deutsche Stil" in Wirklichkeit gar nicht
existiere, und daß der Werkbund bei all dem vielen Tüchtigen,
was er bis jetzt, zumal auf industriellem Gebiete, geleistet hat,
über „Gut und Schlecht" überhaupt und im Kunstgewerbe
im besonderen noch nicht im klaren ist; nicht bloß die Werk-
bundausstellung, sondern auch die Werkbundtagung, die einen
starken Riß in den Werkbundturm brachte, hätten dafür den
deutlichsten Beweis gegeben. Darum sei auch für den Werk-
bund die Zeit der „offiziellen Wertabstempelung" noch nicht
gekommen. In München, wo diese bekanntlich etwas voreilig
und ebenso nachdrücklich wie einseitig schon zum Prinzip er-
hoben werden sollte, wird man diese Konstatierung nicht ohne
Genugtuung vermerken, zumal auch Professor Riemerschmid,
Führer des Münchner Bundes und Vorstandsmitglied des
Werkbundes, in Köln bei der Werkbundtagung Veranlassung
nahm, zu erklären, „daß die Zeit ein Tempo eingeschlagen habe,
bei dem die im Dienste des Werkbundes stehende Kunst nicht
habe mitkommen können, und darum solle sich der Werkbund
mehr mit organisatorischen Dingen befassen als mit Entschei-
dungen, wie man es mit der Kunst halten wolle. Künstlerische
Arbeit werde nicht auf Ausstellungen und Kongressen geleistet,
sondern in der Stille irgendwo und von irgendwem, ohne daß
es der Werkbund und ohne daß es eine Ausstellung zu beein-
flussen vermöchten."

Diese Bekenntnisse, die das bestätigen, was die Meinung anderer
Leute schon lange vor der Kölner Ausstellung war, sind für uns
besonders deshalb lehrreich, weil in Köln die bayerische bzw. die
Münchner kunstgewerbliche und künstlerische Arbeit, die dort
offiziell und inoffiziell sehr stark vertreten war, zugunsten
vorherrschender doktrinärer werkbundkreise offensichtlich zurück-
gedrängt wurde, und weil man dort bei den Werkbundfestreden
und selbstgefälligen Publikationen der damals noch als Glanz-
werk des Werkbundes gefeierten Kölner Ausstellung Münchens
bevorrechtigten Anteil an der fortschrittlichen Entwicklung des
Kunstgewerbes, die von je nach „(Qualitätsarbeit" und „Durch-
geistigung der Arbeit", wie die Werkbundschlagworte es wollen,
drängte, unzweideutig und ohne Widerspruch übersah. Der
Werkbund hat sich selbst und seiner Ausstellung damit gewiß
nicht genützt. Ls wird noch manches zu tun geben, um dieses
verhalten und die auf der Werkbundtagung unter den führen-
den Künstlern offenbar gewordenen Gegensätze zu überbrücken.
München wird dabei nicht ungehört bleiben können, ja es wird
der seinerzeit in München ins Leben gerufenen gesunden
Werkbundsache nur dienlich sein, wenn alle unsere künstlerischen
und kunstgewerblichen Kräfte ohne Unterschied sich mit ihr
auseinandersetzen in gemeinsamer Arbeit und selbstlosem Vor-
wärtsdrängen. Darum ist auch der vom Bayerischen Kunst-
gewerbeverein veranlaßte Vortragsabend, als erfreuliche Ini-
tiative zu begrüßen."

iiMiiimiiiiiiiiiimiiiiiiiiiiiiiiimiiiMiiiiiimiiimiiimmiiiiiiuiiiiiiimmiiiiiiiiimiiiiiiiiiimiiiiiiiiiiii.....

verantw. Redakteur (ausgenommen Anzeigeteil): Alexander Heilmeyer. — Herausgegeben vom Bayer. Kunstgewerbeverein. — Druck und Verlag

von R. Mldenbourg, München.
 
Annotationen