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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Dirr, Adolf: Vom Hausgewerbe im Pamir
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0082

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Stichen mit weißer Seide und braunem Faden das
ganze Muster freihändig vorgezeichnet; es ist in
der Durchsicht vollkommen deutlich in allen seinen
Einzelheiten zu sehen (S. 95).

Ein weiteres Objekt gediegener, mühsamer Frauen-
arbeit ist der Hemdeinsatz, genauer der bestickte
Hals- resp. Brustausschnitt, genannt sirozi oder
küripeS. Semenow unterscheidet (5. zo) zwischen
solchen für Mädchen- und solchen für Frauen-
hemden. Lrstere tragen am vorderen Teile des
runden Halsausschnittes Stickereien, die gewöhnlich
im Dreieck auf die Brust heruntergehen; der Aus-
schnitt der letzteren geht über die ganze Brust bis
zum Gürtel herunter (um das Stillen zu erleichtern),
und die Stickerei an diesem Ausschnitt läuft in
zwei schmalen Bändern über die Brust herunter.
Die Hemden werden aus mata verfertigt; die
Stickerei*) weist dasselbe Material^), dieselben
Farben und, mit Ausnahme des Vogels, dieselben
Motive auf, wie die Schleier, wie erwähnt,
verläuft der bestickte Teil der Hemdbrust bei den
Mädchen im Dreieck; der Halsausschnitt ist vorne
rund, hinten geht der Rand des Hemdes in gerader
Linie über den Nacken; auf der einen Schulter ist
das Hemd auf etwa 7 cm vom Halse an offen (um
das Anziehen zu ermöglichen)^). Der Ausschnitt
wird mit derselben angewebten Borte wie bei den
Schleiern eingefaßt (S. 92—94).
wie die Frauenhemdenausschnitte aussehen, ist
im allgemeinen schon gesagt. Material und Muster
sind dieselben wie bei den Mädchenhemden. Lines
der unfertigen Stücke der Sammlung (S. 93) klärt
uns über die Herstellung auf. Zunächst wird auf
einem rechteckigen Stück mata von entsprechender
Größe*) das Muster wie bei den Schleiern mit dunk-
lem Faden vorgestickt, dann die Stickerei ausgesührtH,
hierauf der Mitte entlang ausgeschnitten und an
die innern Ränder die erwähnten Borten ange-
bracht (in einem Falle grün) und diese in ihrem
untersten Drittel zusammengenäht oder -gewebt;
an dieser Stelle wird wohl auch noch ein Stickerei-
muster angebracht. Unten läuft die Borte in eine
kurze Ouaste ausb). Diese Hemdeinsätze kommen

*) Reitenstich wie bei den Schleiern.

2) Floconseide.

3) Manchmal ist auch der Rückenteil nahe am Nacken bestickt.

4) Das kleinste Stück unseres Museums mißt 22 X 47 cm,
das längste \7 X 62 cm.

6) An einem unserer Stücke ist das Muster wohl sicher der
Lebensbaum mit den beiden vögeln, aber schon stark verändert.
6) Abbildungen von Frauenhemdeinsätzen auch bei B 0 b r i n s -
k 0 j a. a. V., Tafel 7 u. 9. Übrigens werden nach Semenow
auch die Ärmel der Mädchenhemden mit ähnlichen gestickten
Besätzen verziert.

auch bei den Nachbarn der Tadschik vor; das Museum
besitzt z. B. einen von denRarakirgisen, nur sind die
Muster in Kreuzstich gearbeitet und statt der Borte ist
eine Einfassung aus schwarzem Baumwollstoff da.
Haar- und Stirnbinden, nach Semenow (S. 30)
sarbandak genannt, werden von Mädchen und
jungen Frauen über die Haare gelegt und ihre
Enden unter dem Zopf zusammengebunden. Sie
bestehen aus einem 2—\ cm breiten Streifen
mata, der in den üblichen Mustern mit dem üb-
lichen Material bestickt ist (S. 94).

Interessanter und in der mir zugänglichen Literatur
noch nicht erwähnt, sind Messerscheidenaufhänger.
Das Museum besitzt zwei Stück; sie bestehen aus
einem bunten, aus Baumwollgarn gewebten,
zum Ring zusammengenähten Bande von ca.
5^/2 cm Breite; durch dieses Band wird der Gürtel
gezogen. Vom unteren Ende des Bandes hängen
acht hohle, bunte Garnschnüre herunter, die in
Ouasten auslausen. Diese Schnüre sind wahr-
scheinlich in der „Spulenstrickereitechnik" unserer
Rinder hergestellt. Die Messerscheide selbst wird
nach Angabe des Herrn Rickmers am untern Ende
des Bandes über den Schnüren befestigt (S. 85).
An Textilien, wie sie die Tadschik selbst Herstellen,
besitzt das Museum ein paar Proben, die alle aus
Schugnan stammen, und zwar weißen Baum-
wollftofs, eben die schon erwähnte mata und ein
Stück naturfarbenes Helles Wolltuch. In Darwas
steht nach S e m e n 0 w (S. 58) fast in jedem Hause
ein webstuhl. Interessant ist die Arbeitsteilung
beim weben: die Frauen bereiten alles vor, das
weben selbst aber ist Sache der Männer*). Das
Tuch ist wohl etwas steif, aber wie die daghesta-
nischen, ihm vollkommen entsprechenden Tuche, un-
gemein dauerhaft, warm im Winter, kühl im
Sommer. Die matä, die vom Tadschik zu allem ge-
braucht wird, wozu sie sich nur brauchen läßt, ist
ein ziemlich rauhes Gewebe. Beide Textilien
werden in etwa 26—3h cm breiten und ziemlich
langen Stücken hergestellt; das Tuchstück in
unserem Besitz war so m lang, das eine Stück
mata über 44.

Am üppigsten spielt die künstlerische Phantasie
der Tadschik in der Bemusterung der bekannten
Wollstrümpfe, dLurob genannt. So ein Strumpf

*) Semenow a. a. V. S. 58. Nach einer Mitteilung Herrn
Rickmers weben in Schugnan die Frauen, in Darwas aus-
schließlich die Männer. Nähere Angaben über die bei Semenow
(2. 58) recht stiefmütterlich, bei v. Schultz (5. 29/40) etwas aus-
führlicher behandelten lvebstühle wären erwünscht. Beide
sprechen nur vom webstuhl mit vertikaler Rette; nach Herrn
Rickmers Angaben wird im Schugnan aber Tuch und msts
auf dem webstuhl mit horizontaler Rette gewoben.
 
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