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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Steinlein, Stephan: Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0084

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so fanden auch die künstlerischen Absichten der Zeit
eine Lormensp rache im Holzschnitt, wenn auch vor-
erst noch in technisch beschränkten, priinitiven,
bald darauf aber in der dem Holzschnitt als Technik
nötigen Umformung der vom Kupferstich lange
vorher schon entwickelten Ausdrucksformen, jene
reichen Mittel, welche die Grundlage für die
tfolzschnittillustration auch noch nach dem fünf-
zehnten Jahrhundert bilden konnten, bis die Ra-
dierung, der Stich, um die Mitte des sechzehnten
Säkulums dem Holzschnitt die wirkungsmöglich-
keit benahmen.

pans Polbein fast allein ausgenommen, haben die
großen, in Wahrheit bedeutendsten Künstler der
Renaissance, mit Ausnahme des unbekannten
Schöpfers der „blxp^erotomacliia", sich nicht um-
fassend und dauernd der Bücherillustration zu-
gewendet. wohlgemut, Pleydenwurff, Schäuffe-
lein, wächtlin, pans Baldung Grien, Wolf Traut,
Sxringinklee, Sebald Beham, Guldenmund, Er-
hard Schön, Lukas Lranach und Burgkmaier
sind wohl als Meister zu preisen, die Rahe eines
Dürer ertragen sie aber nicht. Dürers polzschnitt-
werke gingen als Einzelblätter in die Welt, wurden
als Bildermappen, obgleich ein wenig Text dabei
nicht fehlte, verkauft, aber als illustrierte Bücher
können diese Werke nicht gelten. Dürer war nicht
zur mehr oder weniger bloßen Interpretation
eines Textes, selbst nicht wie die Bibel ihn gab, ge-
schaffen und geartet. „In der graphischen Kunst
dieses Gewaltigen ist das Mehr an Ausführung,
das ihn weit über die Grenzen des lediglich sich
dem Text Anschmiegenden, Sitnationsanpassenden
hinausführt, immer zugleich Ausdruck eines Mehr
an eigenster Poesie und Erfindung, er greift selbst
dann, wenn er sich schon bindet, weit über den vor-
stellnngsinhalt seines Textes hinaus, in sein eigenstes
Reich, das Gedankenschwere, Empfindungsvolle."
Joseph pennel schrieb: Obgleich es nicht möglich
ist, mit absoluter Sicherheit die wahren Gründe
anzugeben, warum die bekanntesten Künstler nicht
die bedeutendsten Bücher ihrer Zeit illustriert haben,
so lassen sich doch drei, wie es scheint, gute Gründe
dafür anführen. Es ist ziemlich sicher, daß der
Holzschneider, wenn er überhaupt bekannt gewesen,
was immerhin voraussetzt, daß er Erfolg hatte,
Inhaber einer großen Werkstatt war, in welcher
der Künstler und der Formschneider nur notwendige
Übel waren; der Eigentümer nahin ohne Zweifel
für sich alle Ehre und wahrscheinlich auch den
Löwenanteil des Gewinnes für sich in Anspruch,
wir haben Dürers eigenes Zeugnis, daß seine
Holzschneider unfähig und sorglos waren, und es

ist wohl ganz sicher, daß die berühmte Dürersche
Linie, welche man an den Holzschnitten bewun-
dern soll, nicht von ihm selbst geschnitten ist.
Er skizzierte und zeichnete frei auf Papier, seine
Zeichnungen wurden dann von einer anderen
Person auf den polzstock übertragen und oft sogar
noch von einer dritten geschnitten. Daß Dürer selbst
auf den: polz arbeitete, indem er die Zeichnungen
verbesserte, die Arbeiten seiner Holzschneider kri-
tisch überging, unterliegt keinem Zweifel; das geht
schon aus den Verbesserungen dieses Reproduk-
tionsverfahrens hervor, die auf ihn zurückzuführen
sind. Der Grund aber, warum ein großer Künstler
wie Dürer Bücher ungern illustrierte, liegt wahr-
scheinlich darin, daß seine Zeichnungen nicht ange-
messen bezahlt und daß sie verschnitten wurden,
überschätzt man das Beste der Buchillustration
nach Dürer nicht, sondert man genug wertloses
von wenigem Unvergänglichen, so muß man sich
zu Kautschs Auffassung bequemen, daß in der Zeit
nach Dürer die Ansprüche an Kunst durchweg nicht
hochgestellte waren. Ja, man müsse sagen: selbst
vor den Illustrationen der besten unter den Schü-
lern Dürers überkommt es uns bisweilen wie
peinliche Langeweile. Keiner dieser Epigonen
hat Dürer an Erfindungskraft auch nur annähernd
erreicht. Ihr geistiges Leben war nicht so stark und
tief, daß sie dem Wort, das sie illustrierten, eine
eigene, neue Deutung in sichtbarer Gestalt hätten
geben können. Sie standen alle viel zu bedingungslos
im Bann Dürerscher Formengebung. Sahen nicht
mit eigenen Augen die Welt. Zwiefach ward
ihnen das, wenn sie illustrierten zum Verhängnis.
Sie sehen nicht die Gestalten, die Szenen ihrer
Texte neu, eigengeartet vor sich, sie vermögen
nicht die Anregungen, die das geschriebene Wort
bietet, weiter zu entwickeln. Sie sehen nur eben,
was da steht, und sie sehen es nicht neu, sondern in
der Formensprache Dürers obendrein.

Es ist vieles von diesen innerhalb solcher Begren-
zung gesehenen Arbeiten bei aller Sicherheit der
Zeichnung und vor allem um der technisch hoch-
gebrachten Schönheit und Klarheit des Schnittes
willen doch nur Handwerk, allerdings erlesenes
Handwerk, und die Masse des Geschaffenen ist so
erstaunlich als die durchschnittliche Röhe und Be-
deutung der Arbeiten dieser Epoche, wenn inan
sich nicht der Suggestion gewaltsamer Überschätzung
ausliefert.

Mit wenig Ausnahmen wirkt sich denn mit stei-
gendem technischen Können auch die malerische,
energisch modellierende Behandlung, wie bei Burgk-
maier, immer mehr aus, und so treibt der Holz-

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