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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Steinlein, Stephan: Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0086

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schnitt selbst seinem verfall, seiner Ablösung durch
die Radierung und den Stich kräftig entgegen.
Venn noch war der Holzschnitt jener Tage Schnitt
in Langholz, meist in Birnbaum, wegen der Dich-
tigkeit dieser Holzfaser und seiner relativ glatten
Oberfläche. Die Erfindung, in Hirnholz zu schnei-
den, sollte jener Zeit nicht mehr werden. War
schon die in Langholz technisch möglich gewordene
Verfeinerung des Holzschnittes in den besten Er-
zeugnissen weit gediehen, so stand doch der zu solcher
Subtilisierung erforderte dazu nötige Aufwand an
Zeit für den Arbeitsprozeß bald nicht mehr im
Verhältnis zum marktgängigen Werte. Die Ra-
dierung mit ihrer weit rascher zu fördernden,
einfacher zu handhabenden Technik sollte den holz-
schnitt ablösen und bald gar gänzlich verdrängen.
Der Holzschnitt sank zu untergeordneten Arbeiten
geringer «Dualität herunter und verkam nach ver-
hältnismäßig kurzer Blüte, an Dauer mit anderen
technischen Werkübungen verglichen, von der Mitte
des sechzehnten Jahrhunderts ab so schnell, daß
sich bis in das neunzehnte Säkulum, das ihn wieder
aufnahm, kein irgendwie wirklich bedeutsamer
Name, selbst bei geringstem Anspruch an kunst-
handwerkliche Leistung, mehr mit ihm verbunden
nennen läßt.

VII.

wie die Ausstellung immer erneute Anschauung
und reiche Belege bei allen Kulturnationen über
Anfänge, Aufstieg und verfall der holzschnitt-
technik und Jllustrationskunst in den entscheidenden
Perioden des Buchdruckes bot, so bestätigte sie
auch an unzähligen Erzeugnissen des siebzehnten
und achtzehnten Jahrhunderts, daß es mit der
Kunst der Illustration zu Ende ging. Manieris-
mus und technische Verfeinerung der Radierung
und des Stiches wiegen vor. Der Druck dieser in
der Kupferdruckxresse erfolgten Illustrationen
konnte nicht gleichzeitig mit dem der gesetzten T^pe
erfolgen und löste sich als ein selbständiges Verfah-
ren notwendig immer mehr vom Buchdruck ab,
um zuletzt nur noch als Zugabe einzelner Blätter,
zuletzt oft nur als Titelblatt im Buch aufzutreten.
Die Werke der Illustratoren jener Zeit wirken mit
höchst seltenen Ausnahmen wie Kopien nach Ge-
mälden. Mit Daniel Ehodowiecki begann um die
Mitte des achtzehnten Jahrhunderts noch einmal
in der Technik der Radierung die Kunst der Illu-
stration im besten Sinne aufzuleben, die sich in der
Erfindung und Darstellung zwischen reiner, skla-
visch engster Bindung an die Worte des jeweiligen
Textes und freier Schaffenskraft, die sich nicht an

den Buchstaben hält, so sicher als taftvoll bewegt,
wenn auch Ehodowiecki in seinem Jahrhundert
nicht allein steht mit seinen liebenswürdigen
Schöpfungen, so hat ihn an natürlicher Frische und
Lebendigkeit und an spielendem Reichtum des
Hervorbringens niemand überragt. Die T^pen aller
Stände und Schichten seines Jahrhunderts ließen
sich aus seinen technisch schlichten, reizvollen Blätt-
chen mühelos sammeln. Nicht grundlos hat ihn
Menzel, der fast ein Jahrhundert nach ihm kommen
sollte, bewundert.

VIII.

Mit dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts
— Ehodowiecki starb, fünfundsiebzig Jahre alt,
im Jahre *80* — war für die Illustration des
Buches im großen und ganzen die beste Zeit vor-
über. Die Radierung war für die Herstellung grö-
ßerer Auflagen schon an und für sich nicht das am
besten geeignetste Mittel, die Notwendigkeit zwei-
maligen Druckes in verschiedenen Pressen, einmal
des T^pendrucks in der Buchdruckpresse und der
Illustration durch den Kupserdrucker, stellten zu
hohe Anforderungen der Kapitalsanlage für den
Verleger. Da wandte man sich abermals dem in-
zwischen technisch gänzlich verfallenen Schnitt
in Holz zu. Fast gleichzeitig geschah dies in Eng-
land und Deutschland. Irr Berlin waren es die
beiden Unger, Vater und Sohn, ihre Schüler Wilhelm
Gubitz, Unzelmann, Kretschmar und Bürkner.
Thomas Bewick, Thomas Stothard und William
Blake wären für England zu nennerr. handwerk-
lich war der Holzschnitt verkommen, die Radierung
und der Stich waren technisch irr Manier erstarrt.
Entscheidend für die Wiederbelebung des Holz-
schnittes wurde es, daß sich Künstler dieser Technik
wieder zuwendeterr und in ihr ein unmittelbares
Ausdrucksmittel suchten. Diesmal geschah ein be-
deutender Wandel im Technischen; Bewick und
Blake führten den „Tonholzschnitt" ein, der auf
Hirnholz mit Werkzeugen des Kupferstechers, mit
Sticheln, erzeugt wird, und darum im Gegensatz
zum alten Linienholzschnitt, der mit Messern in
Langholz hergestellt wurde, eigentlich holzstich ge-
nannt werden müßte. Thomas Bewick war „kein
bloßer Holzschneider, der die Arbeiten anderer
Leute übertrug, die er nur halb verstand und
würdigen konnte; er tat das für sich selber, was den
neuen mechanischen Reproduftionsverfahren bei-
nahe gelingt, für die heutige Illustration zu tun.
Für ihn gab es weder die Schwierigkeiten noch den
Jammer des Zeichners, der seine Entwürfe auf
den Stock gezeichnet hatte und sie nun verdorben

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