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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0096

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müssen. Da wir auf Einzelheiten, die oft an Hand der
Bilder dargelegt wurden, hier nicht näher eingehen können,
hat die Redaktion Herrn von Staden ersucht, sich in der
Zeitschrift über uns nahestehende Beziehungen zum Dsten
und seiner Kunst zu äußern. Sein Vortrag im Kunstgewerbe-
verein, der sich auch eines sehr zahlreichen Besuches erfreute,
darf wohl zu den gelungensten gezählt werden.

Dienstag, den 26. Januar, Metallfachabend mit einem Referat
über: „Alte und neuere Techniken in der kunstgewerblichen
Metallarbeit" und einer Fachausstellung. Der Referent des
Abends, Herr Gottlob Wilhelm, führte zunächst in einem ge-
schichtlichen Überblick aus: Die Kunst, Metall zu bearbeiten,
geht auf eine sehr frühe Zeit zurück. Am Anfänge der Technik
steht das Hämmern, Schmelzen und Gießen. Die für die
Metalltechnik wichtigste Erfindung war das Hartlöten; damit
waren auch die drei Grundformen der heutigen Metalltechnik
gegeben: der Guß, der Draht, das Blech. Gleich die
ersten Arbeiten aus den frühen geschichtlichen Epochen, der
Bronzezeit, LaTtae- und Keltenzeit, wie vor allem die Bronze-
arbeiten und Goldschmuckfunde aus M^kenä, wohl eine der
frühesten Perioden, zeigen als Gemeinsames die logische sach-
liche Bearbeitung des Materials und gewisse Ähnlichkeiten
in den Motiven eines der technischen Bearbeitung dieser Zeit
gemäßen Flächenstils. Die römisch-griechische Metallknnst wächst
davon abweichend mehr aus plastisch gefühlten Formvor-
stellungen heraus. Der Vortragende kam im Zusammenhang
damit auf verschiedene Eigentümlichkeiten der Metallkunst in
den geschichtlichen Stilen: griechisch, römisch, romanisch, gotisch,
Renaissance zu sprechen. Die Ursache des Verfalls im Metall-
kunstgewerbe der späteren Zeit sieht er darin, daß es in der
neueren Zeit keine selbständigen künstlerisch empfindenden
üketallarbeiter im Sinne der Gotiker mehr gab, sondern eine
vollständige Arbeitseinteilung eintrat. Ls gab jetzt Bildhauer,
Ziseleure und die, die architektonischen und plastischen Schmuck-
formen zusammenbauenden Metallarbeiter. Freilich zeigen
uns die Leistungen noch eine großartige technische Vollendung,
eine Vornehmheit der Materialbehandlung, wie sie nie besser
und schöner ausgeführt werden könnte. Um die Mitte des
J8. Jahrhunderts beginnen dann die am Ausgang des Mittel-
alters, noch im \6. und l 7. Jahrhundert, so sorgfältig behüteten
Zünfte zu zerfallen; unsere deutschen Fürsten und Staaten
begannen die Industrie im allgemeinen, insbesondere die
Kunstindustrie zu fördern. Porzellanmanufakturen wurden
gegründet. Friedrich der Große gründete auch eine Kupfer-
treibanstalt und bezog aus Paris Bildhauer und Ziseleure,
die das Potsdamer Schloß ausstatteten. Auch in München
scheinen damals keine diesen Metallarbeiten für würdig erachtete
Meister ansässig gewesen zu sein; wir wissen, daß ein solcher
aus Paris verschrieben wurde, um die Beschläge der sogenannten
reichen Zimmer in der Residenz auszuführen, wofür er 7000 Gul-
den erhielt. Mit dem Emporkommen der Metallindustrie
kamen auch Maschinen ins Metallkunstgewerbe: Einrichtungen
zum Pressen und Malzen; auch lernte man das Drucken des
Metalls.

So ging mit dem Einzug der Maschinen in die Werkstätte die
kunstgewerbliche Handarbeit rasch zurück. Doch verdanken wir
auch wieder der Maschinenarbeit viel Gutes, besonders um die
Zeit Ende des \8. und Anfang des ly. Jahrhunderts, als noch
Tradition genug vorhanden war und man sich bewußt blieb,
daß Maschinenarbeit nicht Handarbeit darstellen soll,
sondern sich eben als Maschinenarbeit zu geben habe.
Im Wiener Gewerbemuseum befindet sich eine Sammlung
von Silberarbeiten aus dieser Zeit von einer ausgebildeten

Prägetechnik. Die unter dem Namen „Wiener Silber" be-
kannten Arbeiten mit vortrefflichen prägnanten Formen ge-
nossen einen ausgezeichneten Ruf.

In Deutschland geht von den SO er Jahren des zy. Jahrhunderts
an das Verständnis für die Form immer mehr zurück; Hand-
werker, die ihr Material und die Technik beherrschen, werden
immer seltener. Dieses neue Metallkunstgewerbe versucht sich
in naturalistischen Formen und in einer neuen Gotik. Export-
geschäfte mußten Formen und Arbeiter aus Paris holen.
Paris und mit ihm Frankreich war insofern günstiger daran,
als es über eine durch das {?. und \8. Jahrhundert ununter-
brochen fortlaufende Tradition verfügte. Paris war der Liefe-
rant der ganzen Welt geworden. Solange Stücke im Geschmack
Louis' XVI. begehrt wurden, hatte man keine Ursache, Neues
zu erfinden. Freilich auch das zy. Jahrhundert hatte keine be-
sonderen Fortschritte zu verzeichnen, wenn man nicht gerade
die virtuosen Schmuckstücke eines Lalique, von denen jedes
gewiß ein technisches Meisterstück darstellt und an dem oft zehn
verschiedene Kunsthandwerker beteiligt sind, als solche ver-
zeichnen will. In den so er und 70 er Jahren des ver-
gangenen Jahrhunderts mußte ein deutscher Goldschmied und
Ziseleur, der für vollwertig angesehen werden wollte, in Paris
gearbeitet haben. Allerdings heute können wir sagen, daß die
deutschen Werkstätten einen vollen Ersatz bieten
können. Es gibt natürlich immer noch metalltechnische Spezial-
gebiete pariser Kunsthandwerker, die auch bis heute noch von
keinem anderen erreicht worden sind.

Im allgemeinen stand noch das Metallkunstgewerbe der 70 er
Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf Pariser Füßen,
als München mit seiner, neue Bahnen weisenden Ausstellung:
„Unserer Väter Merke" die Bewegung der Rückkehr zur deutschen
Renaissance einleitete. Freilich war nicht alles, was gut ge-
meint war, auch gleich gut brauchbar. Statt der vermeintlichen
Umkehr zu den einfachen heimatlichen Kunstformen, suchte
man die kompliziertesten Renaissanceformen auf, um sie in
Metall zu pressen, zu gießen, zu treiben und zu ziselieren.
Die Renaissance erfuhr so manche mißverständliche Auslegung.
Es war natürlich nicht jeder ein Gabriel Seidl, Rudolf Seitz
und Gedon.

Wie richtig aber auch einzelne Künstler des Metallkunstge-
werbes den Geist der Formensprache der Renaissance erfaßt
hatten, zeigen die prächtigen Werke Fritz vor: Millers, Halb-
reiters u. a. Es waren meist vornehme Prunk- und Schaustücke,
die aus diesen Werkstätten hervorgingen, echte Handwerks-
stücke, die Münchens Namen in aller Welt bekannt machten.
Uber das Intermezzo des Jugendstils hinweg, das ein orna-
mentales Capriccio darstellte, war man wieder zur Einfach-
heit und Sachlichkeit einer materialgemäßen Werkform zurück-
gekehrt — ungefähr auf denselben Wegen, die schon vor Jahr-
tausenden zu denselben Ergebnissen geführt haben.

Aber die moderne Entwicklung zur Kunstindustrie läßt sich mit
all dem nicht mehr aufhalten. Es ist nicht anzunehmen, daß
wie einstmals den Nürnberger Fingerhutmachern uns die Be-
hörden zu Hilfe kommen, damit einer nicht mehr herstelle
wie der andere. Man kann den Lauf der Zeit und die in der
Zeit liegende Entwicklung nicht mehr zurückdämmen: deshalb
wird überall die Maschine, da, wo sie angewendet werden kann,
als Bundesgenosse der Arbeit in Betracht kommen.

Daher wird auch das Mort von der reinlichen Scheidung
zwischen Industrie und Handwerk wohl für immer eine
schöne Redensart bleiben. Denn auch der noch so ideal ver-
anlagte Kunsthandwerker muß nach Brot gehen, und er wird
bei seiner Arbeit sich alle technischen Hilfsmittel zunutze machen.

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