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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0098

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die den Armen im Geiste, den verzweifelt Erregten, die Adressen
andrer „weiser grauen" und Wahrsager vermitteln. Seit Jahren
erhitzen sich, wie auch schon (870, chauvinistische Kreise an
einer alten Prophezeiung, die von einem großen Kampf auf
westfälischem Boden spricht. Die um (700 gedruckte Prophetie
verheißt das Kommen eines „weißgekleideten Fürsten" aus
dem Süden, der feine unbesieglichen Scharen gegen die „Völker
des Nordens" führen und sie in „dreitägiger Schlacht" auf dem
Birkenfeld bei Westfalen völlig vernichten wird. Dem Sieg
des „lichten Fürsten", einer mythischen Baldergestalt, wird
das glückliche Zeitalter folgen, in dem ewiger Friede auf Erden
fein wird. Die Franzosen sind das „Lichtvolk" des Südens,
sie beziehen den Sieg des weißen Fürsten auf sich, daß die Ent-
scheidungsschlacht im „Herzen" Deutschlands geschlagen werden
soll, war den Galliern ein sehnsüchtiger Wunsch und ver-
führerischer Gedanke. In interessanten Ausführungen be-
leuchtete der Vortragende diese Prophetie und ihre Herkunft
aus den fernen Gebieten der Mythen, germanischer Kosmologie,
Götterwelt und Sage. Denn auch in den Sagen erhielt
sich im Volke die immer blasser gewordene Erinnerung an die
alten vorstellungskreise der Ideenwelt unserer Altvordern
und ihrer Religionsformen. Spekulative Weltuntergangs-
gedanken, Götterdämmerung und Erneuerung der Welt, ver-
mischten sich mit Erinnerungen an dke Wiederkehr des guten
Gottes und der Glückseligkeit eines tausendjährigen Reiches.
All diese alten Motive, ihre Herkunft und ihre Wandlungen
im Zeitenlaufe, erhellte der Vortragende mit vielen Zügen;
auf ihren dunkeln, verführerischen Inhalt fiel das Licht der
wissenschaftlichen Forschung und zeigte als den Urgrund dieser
Prophetien alte Weltanschauungsreste, Mythologie und davon
abgeleitete nur noch sagenhaft dämmernde Volksüber-
lieferungen, die sich am längsten in Westfalen erhielten,
woraus um (700 die „Prophezeiung" von einer „Endfchlacht"
entstand.

In längstverflossenen Jahrhunderten, airknüpfend an die ver-
schiedenen sibyllinischen Prophezeiungen, war die Prophetie
eines der gewaltigen politischen Mittel, von dem alle Zeiten
bis ins (7. Jahrhundert tumultuarifch erfüllt waren. Sie wirkten
mit ihrem Inhalt ins Leben auf ihre weife, und find mit den
politischen-religiöfen und sozialen Kämpfen der Vergangenheit
bei allen Nationen innig verknüpft gewesen. Noch heute lassen
sich indirekt darum die Wesenszüge der Raffen und Nationali-
täten aus ihrem Inhalt erschließen. Und das war wohl der
interessanteste Punkt der Erläuterungen des Vortragenden.
An der Art der Kaiserprophetien und Sagen wurde erwiesen,
daß diese bei den Italienern von kirchlichen Tendenzen immer
erneut durchdrungen wurden, daß sie bei den Franzosen wohl
national gefärbt, aber immer äußerliche auf Gloire, auf Welt-
herrschaft gestimmt erschien, indes die Prophetien in Deutsch-
land durch das politische, soziale und ethische frühzeitige Drängen
der untern Massen auf Umgestaltung der sozialen Verhältnisse
einen reformatorischen Lharakter gewannen. Gegen Ende
faßte dies der Vortragende in diese Sätze: „Aus dem Jahrhunderte
währenden Gang der Kaiserprophetien, sowohl als der Sage,
läßt sich die Geschichte und Bildung, das eigentlich „wahre
Gesicht" unseres völkischen Sonderwesens gleicherweise heraus-
ahnen wie herausforschen. Wenn die im Lichte geschichtlichen
Werdens erfaßte und verstandene Vergangenheit einer großen
Volksgemeinschaft irgend dazu angetan ist, in die Zukunft zu
weisen, so lassen Artzüge, die unser bestes Teil sind, sich an
allem dauernd Festgehaltenen und Behaupteten erkennen,
was als Grund und Kern, in Sehnsucht, Wünschen, Hoffnungen
und Antrieb zur Verwirklichung die alten Prophetien erfüllt.

Wie sich ein Volk im Laufe langer Jahrhunderte zu seinen
vielfältigen Überlieferungen verhält, wie es sie fortbildet und
abstößt, das ist ein Wahrzeichen, vielleicht das einzig überzeugend
echte für das Naturnotwendige seines besonderen Lharakters,
Seelenlebens, Denkens und Handelns.

Der Vortragende brachte überreiches Material bei, um seine
Gedanken zu vertiefen, und erntete dafür den lebhaften Dank
seiner zahlreichen Zuhörerschaft.

Mitteilungen

Vereinsnachrichten

Lehrlingsprüfung unö Stipendien. Die Herren Lehrmeister
werden darauf aufmerksam gemacht, daß die Anmeldungen
zur Bewerbung um Lehrlingspreise und Geleitsbriefe in der
nächsten Zeit zu betätigen sind.

Die hierfür geltenden allgemeinen Bestimmungen und An-
meldeformulare werden auf Verlangen vom Vereins-
sekretariate verabfolgt.

Auch Heuer steht von seiten des Vereins wieder ein Betrag
für zwei Stipendien zur Verfügung, welche an solche Ge-
hilfen zur Verteilung gelangen sollen, die ihre Lehrlingsprüfung
in unserem Verein mit Erfolg bestanden haben.

Zugleich wird an die Freiherr!, v. Rastsche Ge-
werbe st ipendien st iftung erinnert, die alljährlich
größere Beträge an junge Handwerksgehilfen und Lehrlinge
zu weiterer fachlicher Ausbildung zur Verteilung bringt, und
würden Vorschläge und Empfehlungen durch unseren Verein
besonders gerne gesehen und berücksichtigt werden. Unser
Sekretariat ist zu allen weiteren Auskünften in Fragen der
Bewerbungsgesuche und den dazu nötigen Beilagen gerne
bereit.

König-Ludwigs-Preisstiftung für die Bayerische Landes-
gewerbeanstalt in Nürnberg. Als Gegenstand der preisaüf-
gabe für das Jahr (g(5 ist bestimmt: Eine zur Aufbewahrung
von Kriegserinnerungen dienende Kassette aus einem beliebigen
Material. Es stehen Geldpreise in der Höhe von 400, 300 und
200 ITT. zur Verfügung, letztere auch für künstlerische Entwürfe.
Die Bewerbung beschränkt sich auf das Königreich Bayern,
jedoch ohne daß Staatsangehörigkeit zur Bedingung gemacht
wird. Die Arbeiten sind bis Juli (9(5 an die Bayerische
Landesgewerbeanstalt in Nürnberg abzuliefern. Jeder Bewerber
hat seine Arbeit mit einem Motto zu versehen; sein Name und
seine genaue Adresse sind in einem versiegelten Umschlag, der
das gleiche Motto als Aufschrift trägt, beizulegen. Die Preis-
Verteilung erfolgt am 25. August zum Geburts- und Namens-
feste weiland Seiner Majestät des Königs Ludwig II. Die
Arbeiten werden vom 2. September (9(5 ab an die Bewerber
frei zurückgesandt. Außer den für die besten Lösungen dieser
Preisaufgabe angesetzten Geldpreise kommen, der Allerhöchsten
Stiftungsurkunde gemäß, am 25. August eines jeden Jahres
auch Medaillen von Gold, Silber und Bronze für die besten
Arbeiten zur Verteilung, welche im Laufe des Jahres in der
Bayerischen Landesgewerbeanstalt nach freier Wahl des Ver-
fertigers ausgestellt und ausdrücklich zur Beteiligung an der
König-Ludwigs-Preisstiftung in Nürnberg angemeldet werden.
Auch diese Arbeiten sind bis spätestens (. Juli (9(5 in der
Bayerischen Landesgewerbeanstalt in Nürnberg abzuliefern.
Der Direktor der Bayerischen Landesgewerbeanstalt. Th. von
Kramer, Kgl. Dberbaurat.

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Dermit». Redakteur (ausgenommen Anzeigeteil): Alexander heilmeyer. — Herausgeg-b-n vom Bayer. Aunstgewerbeverein. — Druck und Verlag

VON R. Vldenbourg München.
 
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