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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0142

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tiefer Ernst und die Weisheit der Psalmen versteckt. Beispiele
dafür sind: die Mittelsäule der Krypta des Freisinger Doms, das
Portal in Isen, das Nordportal der Schottenkirche in Regensburg.
Die Entwicklung zur Gotik läßt sich am klarsten in den Pfälzer
Bauten: Seebach, Eußertal, Bttersberg, vor allem an der
Stiftskirche zu Kaiserslautern verfolgen. Aber die hervor-
ragendste Schöpfung nicht nur des Ubergangsstils, sondern
eine der künstlerisch glänzendsten Schöpfungen deutscher Kunst
überhaupt ist der fränkische St. Georgsdom in Bamberg.
Neben diese rege Bautätigkeit der Kirche traten nun auch die
Städte, in deren Architektonik zuerst der Zweck, dann die Zier
hervortrat. Redner schilderte die Schönheit mittelalterlicher
Städtebilder, wies auf Regensburg, auf München und unsere
Frauenkirche, auf Landshut mit der Martinskirche, auf Strau-
bing, Burghausen, Neuötting, Wasserburg und Salzburg,
passau und Augsburg, Würzburg und Bamberg, Nürnberg
und Rothenburg hin.

Die Plastik fand ihre Meister in Adam Kraft, Veit Stoß, Peter
Bischer, Tilman Rienienschneider, pans Beierlein, Erasmus
Grosser, pans Leinberger, Wolfgang Leb und ini Meister
des Grabmals des Ulrich Kastenmayer in Straubing.

In den gleichen Bahnen ergeht sich auch die Malerei Alt-
bayerns, wie uns ein Blick auf Jan Pollacks Pochaltar von
St. Peter in München belehrt. Wie Grassers Schöpfungen
zeigen sie eine eindrucksvolle Lebendigkeit, nicht selten mit
starken, fast groben Effekten, aber von sprechender Realistik
in den Typen und von ausgezeichneter Raumbehandlung und
landschaftlicher Vertiefung. Als liebenswürdiger Schilderer
landschaftlicher Märchenstimmung und heimatlicher Wälder
gibt sich Albrecht Altdorfer zu erkennen,
pochaufstrebend aber wie die Dome des Mittelalters überragt
in Franken der Genius Albrecht Dürers alle Kunst seiner Tage
und Genossen. In ihr verkörpert sich die Steigerung des all-
gemeinen Lebensgefühls und der geistigen Produktivität der
Zeit und das Kraftbewußtsein der Nation, für das Putten die
Worte prägte: „daß dem deutschen Volk die erste Stelle unter
den Völkern der Thristenheit gebührt."

In der nun anhebenden Renaissance steht die Kunst vorwiegend
unter der Gnadensonne der pöfe. Und wieder war es ein
Wittelsbacher, der das Schloß in Neuburg aufführte, Btto
peinlich von der Pfalz, dem ja auch das stolzeste Werk deutscher
Renaissance seinen Namen verdankt, der Btto peinrichsbau
des peidelberger Schlosses. Friedrich II. von der Pfalz baute
die anmutige Regierungskanzlei in Amberg. In München
errichteten Peter Tandid und Friedrich Sustris das kirchliche
Pauptwerk des neuen Stils auf deutschen: Boden, die nach
il-Oesu in Rom angelegte Michaelskirche. Peter Tandid,
pans Krümper, Dionys Frey deckten auch den Bedarf an
Monumentalplastik, schufen das Kaisergrab Ludwig des
Bayern und die figurenreiche Komposition des Wittelsbacher-
brunnens. Auch in den übrigen Städten blüht die bildende
Kunst auf: in Augsburg baut Elias Poll, schaffen pudert
Gerhard und Adrian de vries die schönen Brunnen.

Mit den weltlichen und geistlichen pöfen aber wetteifert der
Adel, dem gerade Bber- und Unterfranken eine ungezählte
Reihe von Schlössern verdankt. Nicht weniger baufreudig
zeigen sich auch die kleinen Städtchen. Besonders nach dem
Dreißigjährigen Krieg hebt eine neue fruchtbare Bauxeriode
an. Das Land steht nunmehr unter dem künstlerischen Einfluß
Italiens. Den Reigen des italienischen Barocks eröffnet Mün-
chen mit Kurfürst Ferdinand Maria und seiner Gemahlin
Penriette Adelaide von Savoyen, die ihre sonnige peimat
Turin nach dem Norden zaubern wollte. Auf dem Starnberger

See schwamm, der Venedigs Staatsschiff nachgebildet, Bucentoro,
für italienische Schauspieler und Sänger wurden Theater er-
richtet; der Bolognese Agostino Barelli erbaute die Theatiner-
kirche und den Mitteltrakt des Nymphenburger Schlosses,
Zuccali die Pauptteile des Schleißheimer Schlosses.

Mehr und mehr treten aber auch die einheimischen Meister auf
den plan; die Künstlerfamilien der Asam, Jimmermann und
Dinzenhofer, die häufig als Architekt, Bildhauer und Maler
zugleich tätig waren und vornehmlich jene effektvollen Kirchen-
interieurs schufen, wie z. B. Fürstenfeldbruck, St. Emmeran,
Rott a. Inn, Wies b. Steingaden und Isen, an die sich als
glänzende Profanschöpfungen die reichen Zimmernder Residenz,
die Amalienburg und das Residenztheater von Tuvillies an-
schließen. Dazu kamen die Schloßbauten und Parks von
veitshöchheim und werneck, zahlreiche Klosterbauten und
Landkirchen. Pier entwickelte sich vor allem auch die äußerst
glanzvolle Malerei des Rokoko, wie wir sie in der Kuppel
der Klosterkirche von Ettal sehen. Auch in kleine Märkte und
Dörfer, selbst in die entlegensten Einöden dringt diese Kunst
der Martin Knoller, Math. Gündter; der Jeiller, Zwink,
Zick, polzer und Bergmüller.

Diese farbenfreudige Kunst war so recht nach dem Perzen des
lebensfrischen, sinnenfreudigen bayerischen Volksstammes.

Nach einer solchen Fülle schöpferischer Kunst blieb für die Folge-
zeit, die Zeit des Klassizismus, wenig Gelegenheit mehr, sich
auszuwirken. Es fehlten auch größere künstlerische Aufgaben.
Die Architektur pflegte den profanbau, das bürgerliche paus,
das in seiner schmucklosen, strengen Sachlichkeit manchen frucht-
baren Gedanken für das moderne paus birgt. Die Napoleo-
nifchen Kriege und die Mediatisierung der kleinen perrschaften,
die Säkularisation der Klöster raubten die letzten Möglichkeiten
eines größeren Aufschwungs im Monumental- und Kirchenbau.
Da trat mit Ludwig l. in Bayern ein neuer Mäcenas der
Kunst auf. Bekannt ist das königliche Wort, das er bei seiner
Thronbesteigung sprach: „Ich will aus München eine Stadt
machen, die Deutschland so zur Ehre gereichen soll, daß keiner
Deutschland kennt, wenn er nicht München gesehen hat," und
dieses Wort hat dieser Fürst glänzend eingelöst. Er blieb seinem
Grundsatz treu: „Kein Jahr ohne eine künstlerische Tat" und
schuf alle jene herrlichen Bauten, Monumente, Straßen und
Plätze, die München zu einer der schönsten Städte Deutschlands
gemacht haben. Sein Sohn Maximilien II. blieb der Tra-
dition der Wittelsbacher treu; er hat den Museumsbauten
seines Vaters das Bayerische Nationalmuseum hinzuge-
sügt. Mächtig und mächtiger wuchs diese Sammlung, so daß
unter Prinzregent Luitpold der neue prachtvolle Bau von
Gabriel v. Seidl^entstehen konnte, der heute diese einzige
Samnilung birgt.

Was alles Bayern seit der Gründung der Akademie, des Na-
tionalmuseums, der Knnstgewerbeschulen und unter der För-
derung rühriger Genossenschaften und Vereinigungen, zu denen
auch unser Verein zählt, geleistet hat, ist würdig der künst-
lerischen Vergangenheit unseres Landes.

Bayern steht mit seiner jahrtausendalten Kultur, seiner stetigen
Entwicklung, wie sie sich in kirchlichen und profanen Kunst-
schöpfungen ausspricht, auch heute noch an erster Stelle. Daran
ändern auch bedauerliche Entgleisungen der allerjüngsten Zeit
nichts. Die Zeit wird auch hier die Spreu vom Weizen sondern.
In dem künstlerischen vermögen der Vergangenheit aber
liegen auch die Wurzeln der Kraft für unsere Zukunft. Mehr
denn je hat heute das goldene wort Geltung:

„Was du ererbt von deinen Vätern hast,

Erwirb es, um es zu besitzen!"

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