Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

DOI Artikel:
Karlinger, Hans: Die Pöffenbacher-Werkstätten und Eduard Pfeiffer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0200

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
nischer Fähigkeiten, das der Maschinenbetrieb hatte
vergessen und verlernen lassen, wieder neu zu er-
obern.

Das pössenbachersche Geschäft existiert als solches
seit $78$. Als x8?z mit den Aufträgen für König
Ludwig II. im Rahmen des ganzen Betriebes die
großen Erweiterungen einsetzten, war die Werk-
stätte in der Perzogspitalstraße somit nahezu ein
Jahrhundert alt. Tradition, die der moderne
Kunstgewerbler zu schätzen weiß, stand an der
wiege der neuen Ara.

Eine eigentlich moderne Bewegung im heutigen
Sinne setzte mit Heinrich pössenbacher, dem der-
zeitigen Geschäftsvorstand des pauses, ein. Selbst
Innenarchitekt, der neben seinem Lehrgang an der
Technischen Hochschule und dem reichen Arbeitsfeld
in den eigenen Werkstätten viele Anregung seinen
Studien im Atelier waring and Gillow in London
verdankt, sicherte sich Heinrich pössenbacher nament-
lich von Anfang an einen Kreis von Mitarbeitern,
die das moderne Programm der Werkstätten ver-
wirklichen halfen, pohlwein, Berlepsch und Sig-
mund von Suchodolski haben im und für das Ate-
lier pössenbachers gearbeitet. Zusammen mit Ar-
chitekt Lampbell entwarf peinlich pössenbacher
xg02 die bekannten Ausstellungshallen an der
Briennerstraße, die am besten Kunde gaben von
dem Sinn und Schaffen der Werkstätten,
pössenbacher hat sich nie extremen Richtungen an-
geschlossen, am besten legt dafür Zeugnis ab die
Diele nach Entwurf peinlich pössenbachers, die
seinerzeit auf der Ausstellung München xg08 zu
sehen war. Der übergroßen Brnamentfreude der
vergangenen Jahrzehnte wie der Ornamentscheu
letzter Richtung stand immer ein Maß gesunder
Überlieferung entgegen, ein gemäßigter, vornehmer
Geschmack und eine Welt eigener erlebter Erfah-
rung, die sich von ästhetischen Spekulationen nicht
irritieren läßt. Und so ist auch das wesentliche des
modernen Programms der angewandten Kunst, un-
bedingte Materialechtheit und technische Solidität,
nie vergessen worden, sondern immer gewissermaßen
das Leitmotiv des Kunstschaffens der Werkstätten
geblieben.

Eduard Pfeiffer, der jetzige Mitarbeiter peinrich
pössenbachers, dessen Werken die nachfolgeirden
Zeilen gewidmet sein sollen, ist aus der Schule
Lampbells hervorgegangen. Pfeiffer ist keine ganz
leicht zu verstehende Künstlernatur, seiner Arbeit
haftet eine ausgeprägt persönliche Note an, eine
herbe, eckige Individualität, die sich nicht für Imi-
tation empfiehlt. Bei einer sicheren tektonischen
Begabung, die am deutlichsten Werke wie der Ge-

schirrschrank (5. 203) zeigen, liegt sein eigentlichstes
Können in einer reichen ornamentalen Phantasie,
die aber nicht melodisch weich, sondern streng har-
monisch ist. Das mag eine Arbeit wie der Pallentisch
(S. 206) veranschaulichen. Pfeiffer arbeitet lieber
mit dem polzblock als mit der fournierten Tafel, er
wählt nicht gern die herkömmliche Gliederung, son-
dern wagt lieber einen kühnen Griff. (Fußgestelle
der Kredenz S. 202 oder bei dem Schränkchen
S. 203) Seine Arbeitsweise nähert sich vielfach
dem, was man unter Materialstil zusammenfassen
könnte. Die Figuren Jäger und Pirsch an dem er-
wähnten Dielentisch sind in breitflächiger Vortrags-
weise, wie es die Gestalt des ausgeschnittenen
Eichenbrettes verlangt, gegeben, der Ornament-
saum der Plattenkante erinnert an die schönen
Kerbschnitte westfälischer Truhen. Die ganze, mär-
chenhaft anmntende Darstellungsart ergibt ein Ge-
präge luxuriöser Einfachheit, die beim ersten An-
blick frappiert, aber um so mehr erfreut, je öfter
man das Stück sieht. Ähnlich wirkt die Kamin-
nische, wo die einzelnen eichenen Täfelungsfelder
mit bunter Ornamentik geschmückt sind. Daß sich
ein Sopha, wie S. 20\, sowohl zum Behagen wie
zur Repräsentation eignet, braucht kaum gesagt zu
werden, wie sicher ist die Polsterung in den kaum
merkbaren tektonischen Rahmen eingespannt und
wie anmutig wirken die geschnitzten Köpfchen in
der Rückwand.

Der Künstler benutzt die Blankfournierung selten,
bedient sich dagegen gern der Intarsia und des
Beschläges zur Flächenbelebung. Kredenz (S. 202)
und Geschirrschrank (S. 203) überzieht eine Kom-
position von Messing und Intarsia, die gewisser-
maßen das Begleitbild zu den Schnitzereien und
mit dieser: zusammen den so vornehmen Gesamt-
akkord bestimmen. Seine Stühle sind vielleicht zu
sehr auf das Stabile konstruiert, besonders der
Schreibtischstuhl (S. 208), wohltuender wirkt dieses
gedrungene Proportionssystem bei der Standuhr
(S. 207). Der Schreibtisch (S, 20$) zeigt bei aller
Trockenheit des Gebrauchsmöbels eine große Eleganz.
Ls ist wohl mehr als bloßer Widerspruchsgeist gegen
die vergangene Generation, wenn das modernste
deutsche Kunstgewerbe wieder zur Monumentalität
strebt. Nicht zu einer Monumentalität der prunk-
vollen Phrase, mag sie sich nun in ornamentalem
Pomp ausschütten oder mit absoluter Schmucklosig-
keit glänzen. Die Jahrzehnte der vergeschicht-
lichung der Kunst haben wohl manches Talent be-
irren können, aber keine Individualität aufhalten. An
Werken, wie den Pfeiffers, zeigt sich's am besten, was
das bürgerliche deutsche Kunstgewerbe erreicht hat.
 
Annotationen