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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 65.1914-1915

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L. G.: Kommerzienrat Reinhold Kirsch, Kunstschlosser: 14. August 1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.8768#0238

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der älteren Generation angehörigen Meisters
schwerer als sonst die gebührende Würdigung; na-
mentlich wird neben der eigentlichen Berufs-
tätigkeit leicht übersehen, was in der Stille des
Vereinslebens geleistet wurde. Darum sei an dieser
Stelle zunächst der Dank des Vereins zum Ausdruck
gebracht.

Reinhold Kirsch trat schon 1880 j)em Kunst-
gewerbeverein als Mitglied bei; er wurde 1888
in den Vereinsausschuß gewählt, dem er bis 1902
angehörte. Er nahm stets lebhaften Anteil an allen
Vereinsangelegenheiten, und sein Wort war na-
mentlich auf dem Gebiete der Lehrlingspreis-
arbeiten und der Ausstellungen von besonderem
Gewicht.

* -i-

*

Reinhold Kirsch wurde im Jahre 1.850 als Sohn
eines wohlhabender: Landwirts in Buir bei Köln
geboren, wo er auch seine erste Anleitung im
Schmiedehandwerk empfing. Seine Wanderschaft
führte ihn nach Hamburg, Bremen, Frankfurt a. M.,
Berlin und zuletzt nach München; aber sie war unter-
brochen worden durch den Kriegsrnf vom Jahre
1.870, dem Kirsch als kriegsfreiwilliger Ulan freudig
folgte. — 3n München begann er dann noch vor
der epochemachenden Ausstellung von 1876 selb-
ständig zu arbeiten, vieles im Auftrag des Archi-
tekten Aufleger.

Das eigentliche Gründungsjahr für Kirschs Kunst-
schlosserei ist das Jahr 1676; in raschem Siegeslauf
gelang es dem Nicht-Münchner, sich an die Spitze
der Münchener Kunstschlossereien zu stellen, wo
sich ihm bald technisch ebenbürtige Fachgenossen
zugesellten: die Westfalen Karl wildhagen und
Dietrich Bußmann.

Als Hauptarbeitsfeld seiner kunstgewerblichen Werk-
stätte wählte Kirsch mit sicherem Blick das Gebiet
des Lichtgeräts und der Gitter, wo es galt, allerlei
Schädlinge zu beseitigen, und es dauerte auch nicht
lange, so wurde das bisher wegen seiner Derbheit
scheel angesehene Schmiedeisen salonfähig, indem
es mit seinen kleinen und großen, immer charakter-
vollen Leuchtern, seinen Lüstern usw. sich die Zu-
neigung der Allgemeinheit eroberte. Die führende
Rolle, die Kirsch bald zufiel, brachte es mit sich,
daß sein Arbeitsgebiet sich mehr und mehr ausdehnen
mußte, so daß es nach und nach sich fast aller Dinge
bemächtigte, die je aus Schmiedeisen gemacht wor-
den sind, von den kleinsten Schloßblechen an durch
alle Arten von Beschlägen hindurch, bis zu großen
Torgittern und Ringlüstern, und ganze Samm-
lungen von Einzelheiten fanden ihren weg in

Museen und Hochschulen als Vorbilder. An grö-
ßeren in München gebliebenen Arbeiten seien die-
jenigen im Iustizpalast und das Tor an der Hypo-
theken- und Wechselbank genannt; nach auswärts
wurden u. a. geliefert: Ausstattungen von Waren-
häusern und zahlreichen Schlössern mit Lichtgerät
usw., darunter das Schloß Sinaia des Königs von
Rumänien und das des Königs von Siam.

In wie hohem Maß Kirsch aber auch „unserer
Väter Werke" schätzte, an denen zu lernen er nie
aufhörte, er hatte doch einen zu weiten Blick —
nicht nur künstlerisch-technisch sondern auch ge-
schäftlich-wirtschaftlich —, um nicht die Zeitforde-
rungen nach ihrer formalen und materiellen Seite
zu erkennen und zu berücksichtigen.

So gehört Kirsch mit zu den ersten, die die Bedeu-
tung der Mannesmann-Röhren für das Kunst-
gewerbe, besonders für die Lichtträger, erkannt ha-
ben (Mitte der 90er Jahre); ebenso hat er sich bald
nach dem Anftauchen der Schmiede-Bronze (Du-
rana-Metall) mit dieser neuen Legierung ver-
traut gemacht; namentlich hat er es dabei ver-
standen, Schmiedeeisen und Bronze zu gemein-
samer Wirkung harmonisch zu vermählen. —
Kirsch hat auch die technischen Vorzüge des auto-
genen Schweißverfahrens erkannt und zur Anwen-
dung gebracht.

Daß Kirsch sich auch um die künstlerisch-technische
Erziehung des Nachwuchses bemüht hat, geht schon
ans den seinen Lehrlingen zngefallenen Preisen
des Kunstgewerbevereins hervor. Ls wäre ebenso
seltsam wie bedauerlich, wenn den aus einer mit
so ausgesprochen künstlerischem Verständnis gelei-
teten Anstalt hervorgehenden Kräften keine Ge-
legenheit geboten würde, sich selbst als Fachlehrer
zu betätigen. In der Tat waren die Fachlehrer
Prof. Abele in Aachen und Prof. Lauterbach in
Barmen fast unmittelbar vor Antritt ihrer Lehr-
stellen in Kirschs Werkstatt tätig.

Zu den großen Erfolgen Kirschs, namentlich im
Ausland, haben die Ausstellungen sehr viel beige-
tragen, so daß in Rußland, den Balkanstaaten und in
England die Einrichtung von auswärtigen Muster-
lagern notwendig wurde. So haben die Werk-
stätten Kirsch im In- und Auslande festen Fuß
gefaßt und ihren Ruf begründet.

Daß diese guten Traditionen und Beziehungen der
Werkstätten mit dem Tode des Vaters nicht ver-
loren gehen, dafür sorgen seine beiden Söhne,
welche schon bei Lebzeiten des Vaters das Ge-
schäft übernahmen, um es in seinem Geiste weiter-
zuführen. L. G.

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verantw. Redakteur (ausgenommen Anzeigeteil): Alexander Heilmeyer. — herausgegeben vom Bayer. Aunstgewerbeverein. — Druck und Verlag

von R. Mldenbourg München.
 
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