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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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75 Jahre Bayer. Kunstgewerbe-Verein : 1850-1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0004
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ANTON KIESGEN-MÜNCHEN

WANDELHALLE, KURHAUS AACHEN, MITTELBAU

schon der richtige Gedanke aufgestellt, daß sich alle
für die Raumausstattung tätigen Gewerbe dem Gan-
zen einzufügen haben.

Anknüpfend an den Satz, daß jedes Volk und jede
Zeit ihre besondere Gestaltungs=Sprache beansprucht,
wird dann das künstlerische Ziel folgendermaßen ge-
faßt: „Indem wir die Ausbildung der Gewerke als
unser Ziel setzen, können wir an keine andere als an
eine nationale und zeitgemäße Ausbildung
denken, an eine Entwicklung selbständiger im
Volksbewußtsein undim Geiste der Gegen -
wart wurzelnder Kräfte." National war hier nicht
im politischen Sinne gemeint, sondern es wurde ledig-
lieh der oben ausgeführten Entwicklungsgesetze des
Kunstempfindens gedacht. Die damalige Alleinherr=-
schaft des französischen Geschmacks im deutschen
Kunstgewerbe machte diese Betonung besonders
wichtig. 25 Jahre später zeigte Ferd. v. Miller durch
die Ausstellung 1876, was unter der „im Volksbe-
wußtsein wurzelnden" Kunst verstanden sein wollte,
damals war die Reinigung von artfremden Einschlägen

erreicht. Es ist aber ganz irrig, wenn man annimmt,
daß deshalb der neugegründete Verein zur Ausbildung
der Gewerke, das Kopieren altdeutscher Museums-
stücke empfohlen hätte. Ganz im Gegenteil,heißt es dort
„In der bloßen Wiederholung des Dagewesenen er-
stirbt die Lebenswärme, nur das Neue genügt dem
immer neuen Leben." So altmodisch uns selbstver-
ständlich manche Entwürfe aus alten Jahrgängen der
Zeitschrift anmuten, als Kopien können sie nicht an-
gesprochen werden, überall tritt die Absicht zu Tage
Neues, Zeitgemäßes zu schaffen. Auch will man
sich nicht mit der schönen Form allein begnügen.
„Seinen höchsten Wert erhält das Kunstschöne
durch den hinzutretenden Gedanken (heute „Durch-
geistigung") durch die Gaben der Phantasie, durch
die Äußerungen des Gemüts." Und so wollte man
hinaus ins Leben und den Alltag mit der Kunst durch-
dringen. Wohl wurde die kirchliche Kunst vorange-
stellt: „In der Religion liegen die Keime des monu-
mentalen Stiles",- auch die bessere Gestaltung der
Friedhöfe wurde betont, aber darüber hinaus faßte

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