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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Fischer, J. L.: Die Kunst am Metall
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Fischer, J. L.: Römische Gefässformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0056
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künstlerisch veredelten Gegenstande des Alltags nicht
etwa Sonderrecht der Oberschicht oder halbverstan*
denes Privileg des Reichtums war, sondern alle Kreise
bis in die Reihe der AI*
lerärmsten durchdrungen
hatte. Kunst und Fort*
schritt war nationales Er*
eignis, von dem sich kein
Volksangehöriger aus*
schloß. Wer einmal die
Museen von Pompei
und Neapel durchwan*
dert, der staunt über die
kunstvollen Bettgestelle,
über die prächtigen Drei*
füße, Stühle, ist verblüfft
über das Raffinement der
zahlreichen herrlichen
Wassergefäße, die der
Warmhaltung der Spei*
sen dienten, wundert sich
vielleicht, wie selbst die
Eintrittsmarken für das
Theater von künstleri*
schem Geschmack sind.
Wenn wir in diesem Zu*
sammenhange nur eine
Gattung, die Gefäße,
herausgreifen, so ge-
schieht es deswegen,weil
eine Art für sich schon
des eifrigsten Studiums
wert, und wohl reichste
Anregung für unser mo*
dernes Kunstgewerbe zu
bieten imstande ist.

Das Gefäß, der Topf,
die Schüssel, die Kanne,
die Schale, der Becher,
sind fast ausschließlich
mit primitiven Lebens*
notwendigkeiten des
Menschen verkettet. Sie
stehen bei ihm mit dem
periodischen Wechsel des
Alltäglichsten im unmit*
telbaren Verhältnis. In

ihnen bereitet und findet sich, was der Erneuerung der
Lebens* und Arbeitskraft dient und da das Leben der
Götter nur als gehobene Form irdischen Wohlseins
galt, so sind jene Gegenstände auch unmittelbare kul*
tische Objekte, Dinge, die man den Toten in die Gräber

OPFERKANNE. Etruskisch.

Etruskisches Museum

gibt usw. Das hat von Anfang an entscheidend auf die
Entwicklung der Gefäßformen eingewirkt. Mykenische
und trojanische Funde haben Becher von gediegenem

Golde und feinster künst*
lerischer Ausführung zu*
tage gefördert und so
muß es durch die Jahr*
hunderte des antiken
Lebens gegangen sein,
bis einst der „Fund von
Hildesheim" : der Sil*
berschatz aus römischer
Künstlerhand diese An*
schauungen bestätigte
und mit der irrigen Mei*
nungaufräumte, die man
sich bis dahin vom Leben
der Römer gemacht hat.
Soweit nicht die Eigen*
tümlichkeit des Inhalts,
der kultischen Speziali*
täten dem Gefäß seine
Form und sein Orna*
ment vorschrieben, war
für beides das immanente
Gefühl des Künstlers für
das Eigentümliche, oder
für den charakteristischen
Dienst des Gefäßes be*
stimmend. Die frühe
Erfindung der Töpfer*
scheibe verwies auf
runde, zentrale, symme*
frische Formen, deren
Architektur sich durch
künstlerische Proporti*
onen des Radius der ver*
schiedenen konzentri*
sehen Kreise <Boden,
Bauch und Öffnung) auf*
baute. Diesem zentralen
Prinzip folgte so gut wie
ausnahmslos die reich*
entwickelte berühmte
Vasenkunst der Grie*
chen, Italer, Römer,
Etrusker. Am reinsten
kam die architektonische Idee des Zentralen in den
Vasen zum Ausdruck, die überhaupt keinen Henkel
hatten, bei denen jede Form kreismäßig in sich zurück*
kehrte. Sehr bald merkte man freilich, daß die den Ge-
brauch so sehr erleichternde Handhabe, der Griff,1 in

7. Jahrhundert vor Christus
des Vatikans, Rom.

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