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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

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Danzer, Paul: Fünfundsiebzig Jahre Bayerischer Kunstgewerbe-Verein
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https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0071
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Schlafraum aus der Biedermeierzeit.

MORITZ VON SCHWIND, Morgenstunde.

zu verwundern, daß diese Tatsache den meisten entgangen ist, die sich berufsmäßig mit der Geschichte
künstlerischer Entwicklungen befassen, als daß die gleichen Gedanken in andere Worte gekleidet immer
wieder neu verkündet und mit ausschweifenden Hoffnungen verknüpft worden sind. Aber Allheilmittel
sollten sie gar nicht sein, sondern nur Grundlagen für schrittweise tüchtige Arbeit.

Nur wenige Proben, die heute geschrieben sein könnten: ,,Der Verein wird den Beweis führen,
daß dauerhafte Arbeit nicht zu hoch im Preise kommt, und schöne Erzeugnisse nicht teurer
2usein brauchen als geschmacklose (§2 der Satzungen 1851). Ferner finden wir einen ernst-
üchenHinweis auf das, was wir heute „Gebrauchskunst" nennen, es ist da von den „Dingen des
täglichen Lebens", die Rede „auf Markt und Straße, in Haus und Garten, für Kleidung und Nahrung,
für Lust und Ruhe". Eine weitere Mahnung: „Auch dürfen wir uns nicht mit bloßen Kunstformen,
und wären sie noch so schön, . . begnügen. . . Seinen höchsten Wert erhält das Kunstschöne durch
den hinzutretenden Gedanken." Auch die Notwendigkeit der Unterordnung aller kunstgewerblichen
Arbeit unter die Architektur. Die Raumgestaltung wurde nachdrücklich betont. Die „Ausbildung
der Gewerke" soll eine „nationale und zeitgemäße" sein, d.h. sie soll der Eigenart der Zeit gerecht
werden und sich auf dem Volkstum aufbauen. Damit war weder „Volkskunst" noch eine künstler*
ische Verherrlichung vaterländischer Gedanken gewollt, sondern es war schlechthin das gemeint, was
wir heute bodenständig nennen, ein Formausdruck, der sich aus dem besonderen Kunstsinn und
ererbter Fertigkeit des eigenen Volkes ergibt. Man stützte sich dabei auf die Gotik und später auf die
Renaissance, um das deutsche Kunstgewerbe als solches wieder herzustellen. Bei Würdigung
dieser Absicht darf nicht vergessen werden, daß jene Zeit von der Sehnsucht nach einem einigen
Peutschen Reich beherrscht war, daß man das unbedingte Vorherrschen des französischen Geschmacks
lri deutschen Landen als beschämend empfand und über die ganzen Stile des 18. Jahrhunderts von
»gepudertem Ungeschmack" sprach. Der Mahnruf zu eigenwüchsigem Arbeiten war also mehrfach be«

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