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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1816

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https://doi.org/10.11588/diglit.14645#0002
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fand. Der bekannte Luigi Biondi, Arcadier, Tiberini-
scher Akademiker und noch von vielen andern Vereinen Mit-
glied, hat in einer Schrift, die schwerlich schon nach Deutsch-
land in vielen Eremptaren vorgedrungen ist, *) den ganzen
Befund genau angegeben.

Die Hauptgruppe dieses mit bewunderswürdigem Ver-
stand nach dem plastischen Princip des Alterthums geordne-
ten Gemahldes ist die jungfräulich verschämte Braut, auf
dem Rande des Brautbettes sitzend und von der liebkosenden
Zusprecherinn, (Promika), zu ihrer Seite mit süßer lieber-
redungsgabe angereizt, während oberhalb an der Schwelle
der gekränzte Bräutigam mit steigender Ungedult das Zeichen
der letzten Erhörung erwartet. Die neuere Kunst hat diese
ausdruckvolle Gruppe häufig benutzt. Aber mit Recht be-
merkt der große Kunstkenner, Heinrich Meyer in Wei-
mar, daß man bis zu den größten Meistern aufsteigen müsse,
wenn aufgegeben wäre, in Werken der neuern Kunst gleich-
mäßig gelungene Gegenstücke aufzuweisen. Bey der Reini-
gung des Urbildes fanden sich die Fleischtinten des Bräuti-
gams weit weniger gebräunt, und an der oberwarts ganz
enthüllten Zusprecherinn traten Armbänder und ein Hals-
schmuck hervor, der dieser sprechenden Figur einen höhern
Adel ertheilt. Vor Allem aber hatten die Leyerspielerinn
und Sängerinn, als die zwei) Hauptfiguren der zweyten
Gruppe nach außen zu, große Uubill durch ungebetene Er-
gänzung erlitten. Am langen, weißen Leibrock treten bey
ersterer in der ursprünglichen Gestalt goldene Streifen her-
vor, welche die Länge herab gehen, um die bis an die Hand-
wurzel reichenden Aermel aber runde Einfassungen bilden.
Von diesen Streifen war außer einer Einfassung unten um
den Saum des Gewandes bisher nichts zu sehen. Sie ent-
sprechen aber vollkommen den Begriffen, die man von den
Prachtgewänden der Citherfpieler und Cithersprelerinnen im
Alterthum, aus den alten Schriftstellern sowol, als aus grie-
chischen Vafengemahlden, sich machen darf, ja sie gehören ge-
wissermaßen so unerläßlich zum Kostüm, daß sie, hier nickt zu
finden, dem Kenner alter Sitte sehr befremdend seyn musste.
Der zur ganzen prachtvollen Kostumirung so wenig passende
Haarsack der Citharistria verschwindet im Urbilde ganz, wo
die Haare nur in einem Knoten hinter dem Diadem anfge-
buuden erscheinen, und mit dieser ihr angepinselten Haube
fällt auch ein ganzer gelehrter Ercurs in Böttigers Ab-
handlung über dieses Bild, als wenigstens hier ganz überflüs-
' sig, in den Schwamm. Das ist das Schicksal aller Antiquare,
die nach Ergänzungen erklären. Wer mag sich rühmen, daß
er hier überall auf sicherm Boden gehe! Auch bevde Hände
des mit dem Spiel beschäftigten musikalischen Mädchens er-
leiden in der ursprünglichen Figur große Abänderung. Die

*) Lettera sull’ antica eelebre pittura eonosciuta sotto
il nome delle nozze Aldokrandinc — da Luigi Bion-
di, Romano. Roma r 3 l 5. 4.0 S. in klein 4»

rechte Hand berührt nun die Saiten nicht mehr mit dem blo-
ßen Finger. Sie führt das Schlageisen, oder Metrum;
die Linke aber greift nun an die Winkel des mit sieben
Saiten bezogenen Instruments. Das Merkivürdigste aber
ist, daß die neben ihr stehende Figur, die Brautlied - Sänge-
rinn, durch die Beschauung des seiner Zusätze entladenen Bil-
des, die ganze linke Hand, womit sie bisher auf eine ganz
ungereimte Weife die Cither ihrer Nachbarinn unterstützte,
verliert, indem davon am Urbilde nicht die geringste Spur
zu entdecken ist. Sie hat also, wie es damals Anstand und
Sitte forderte, die linke Hand ganz unter den Mantel ver-
hüllt. Noch auffallender ist die nun ans Licht tretende Er-
scheinung an den dieser Gruppe auf der andern Seite zum
Gegengewichte dienenden drey Figuren, der ältlichen Ma-
trone, die das Brautbad prüft, und der zwey neben ihr ste-
henden Dienstmädchen. Diese letzter» verwandeln sich nun,
nachdem ihnen die Gesichter rein gewaschen wurden, in zwey
jugendliche Mannsgeftalten, welche Biondi, der in der Ma-
tronen-Figur eine Priesterinn, eine Flaminica, erblickt, nun
geradezu fürCamilli oder Opferknaben erklärt. Mannigfaltig
ist auch die Abweichung in den Gesichtszügen, so nste in den
Farben und Schattirungen der Gewänder, die sich aber ohne
ein kolorirtes Blatt von den Nozze vor Augen zu haben,
durch bloße Angaben in Worten nicht verstehen lassen. Nichts
aber hat durch diese Säuberung eine so veränderte Gestalt
bekommen, als der Hintergrund des Gemähldes. Bis jetzt
erhob sich die durch einen Pilaster in der Mitte abgetheilte,
und daher leicht auf drey verschiedene Hausräume zu bezie-
hende Hinterwand nur bis zur Hälfte des Bildes. Drüber
hin war ein Lufton, und so schien alles gleichsam im Freyen
vorzugehen. Ja, der eine Theil schien sogar ein ganz offener
Vorhof zu seyn, und Nie. Poussin hatte nicht verfehlt, in
der Ferne grüne Hügel und Bäumchen anzubringen. Man half
sich bey der Erklärung dieser auffallenden Ungereimtheit, so
gut sich's thun ließ, durch die Symbolik der alten Kunst u. s. w.
Der Schwamm hat jetzt das ganze Räthsel gelöst, und
über dem Pilaster einen Architrav aufgedeckt, der die ganze
Scene von oben schließt. Hinter der Cytherfpielerinn, wo
es sonst so ländlich ausfah, ist auch eine Wand zum Vor-
schein gekommen.

Auch über das Materielle und Technische dieses Gemähl-
des sind bey dieser Veranlassung interessante Untersuchungen
angestellt worden. Man hat gefunden, daß die ächte antike
Färbung so fest mit dem geglätteten Wandanwurf, (intonaco),
worauf es gewählt ist, zufammenhangt, daß die Farbe durch-
aus nur mit dem Messer zerstört, aber nicht abgewifcht wer-
den kann. Dies würde aufs Neue die Muthmaßung, daß
hier Alles enkaustisch gewählt fey, bestätigen, wenn nicht der
römische Chemiker, Giovanni delle Armi, in Verbin-
dung mit dem vor Kurzem noch in Rom sich aufhaltenden
großen brittifchen Scheidekünstler, Sir Humphry Dav y,
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