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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 2.1867

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Falke, Jacob: Das Programm des "Deutschen Kunst- und Gewerbemuseums" zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4906#0052

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dessen, was der Berlmer Verein verfolgt. Dafür standen
ihm bis jetzt etwa 50,000 Gulden jährlich zur Verfügung,
von denen 15 bis 20,000 zu Ankäufen verwendet wer-
den konnten. Die Kosten des provisorischen Lokales sind
darin nicht mitbegriffen. Die Herstellung eines einfachen,
fast schmucklosen definitiven Gebäudes, welches dem Mn-
seuni bloß für seine gegenwärtigen Zwecke, ohne Kunst-
schnle, ohne wissenschaftlich-technisches Musenm nebst ent-
sprechender Schule, räumlich genügen würde, ist, mit
Ausschluß von Grund und Boden und mit Ausschluß der
inneren Einrichtung, allein anf etwa die gleiche Summe
berechnet, welche der Berliner Verein für seine (vierfache)
Gesammtaufgabe erforderlich und hinreichend findet.

Diese Vergleichung dürfte klar genug sprechen, zumal
die Größenverhältnisse bei beiden Mnseen, zu Berlin und
zu Wien, in Bezug auf das Gebiet ihrer Thätigkeit, in
Bezug auf die Anforderungen, die an sie gestellt werden,
so ziemlich sich gleichen, nnd es ist daher nicht nöthig,
noch das Kensington - Museum zn weiterem Vergleiche
herbeizuziehen.

Selbst angenommen, es sei die Summe von 250,000
Thalern allein für das Gebände und den Ankauf der
Sammlungen bestimmt, so scheint sie uns dennoch nicht
im Verhältniß znm Zweck zn stehen. Wenn dasjenige, was
der Bau übrig läßt, auf deu Ankauf für das wissenschaft-
liche und das Kunstmuseum so vertheilt wird, daß alle
Zweige, die das Programm anfstellt, damit bedacht werden,
so wird für jeden einzelnen nur ein sehr unbedeutender
Anfang gemacht werden können, so daß man nur ein Ge-
rippe haben wird, nicht Fleisch und Blut, davon das Ge-
werbe sich nähren kann. Es kommt aber vor allen Dingen
darauf an, daß man von vornherein etwas hinstellt, was
sofort und positiv nützen kann, was das kaufende und
arbeitende, das lernbegierige, stndirende und schaulustige
Pnblikum gewinnt und nicht erst mit Hofsnungen auf die
Zukunft vertröstet. Mit Letzterem erweckt man keine
Sympathien. Und verschiedenartige Einzelheiten, an denen
man nnr die ungeheure Menge dessen sieht, was fehlt, sind
weiter nichts als Anweisungen aus die Zuknnft, denn nicht
sie sind es, die bei mangelnder Vorbildung sich lehrreich
erweisen, sondern ganze Kollektionen gleichartiger Gegen-
stände.

Freilich wird man sich darauf berufen, daß man die
Lücken durch das Leihsystem ergänzen könne, welches sich
ja bei dem Wiener Museum ausgezeichnet bewährt hat.
Uns war es allerdings mit Hülfe dieses Systems möglich,
binnen sechs Wochen nach Uebernahme des provisorischen
Gebäudes, in dem noch Maler, Tischler und Glaser ar-
beiteten, ein Kunstindustriemuseum mit zweitansend Gegen-
ständen, mit einer ornamentalen Kupferstichsammlung und
dem Anfang einer Kunstbibliothek herzustellen, das sofort
seine praktische Wirksamkeit beginnen konnte und an Wer-
ken ersten Ranges vielleicht das Kensington-Mnseum über-

! traf. Uutcr allen Umständen dürfte auch das gleiche Ber-
^ fahren für das Berliner Museum zu empfehlen sein.
! Dennoch möchten wir bezweifeln, ob es dieselben Resul-
tate haben wird. Denn erstens besitzen weder Berlin
noch die uorddentschen Lande, nicht einmal annähernd,
eine so unerschöpfliche Fundgrnbe entsprechender Gegen-
stände, wie sie dem österreichischen Musenm in Wien und
den Kronländern zu Gebote stehen, und zweitens läßt
sich das System vielleicht gar nicht, oder doch nur sehr
unzulänglich, auf die technisch-wissenschaftlichen Samm-
lungen anwenden, weil es Privatsammlungen dieser Art
eigentlich gar nicht giebt.

Diese Gründe sind es vorzüglich, weshalb wir den
vom Berliner Verein eingeschlagenen Weg nicht für den
richtigen erkennen. Statt das kolvssale Gebäude mit un-
zulänglichen Mitteln sofort von allen Seiten in Angriss
zu nehmen, sollte man erst eiuen Theil zn einiger Boll-
ständigkeit oder wenigstens zur Lebensfähigkeit, zu nach-
haltiger und fruchtbarer Thätigkcit briugen, und dann erst,
weun die Mittel vorhanden oder zu beschasfen sind, einen
Schritt darüber hinausthun.

Mit welchem Theile hier zu beginnen ist, darüber kann
gar keine Frage sein. Aeußere und innere Gründe ent-
scheiden für das Kunstindnstrie-Museum. Dieses allein
ist eiue brennende Frage, die dringend der Erledigung
harrt, dieses ist aber auch an sich in erster Linie geeignet,
einen unmittelbaren praktischen Einfluß zu üben.

Zwischen der Wissenschaft und dem Gewerbe ist nie
die Brücke abgebrochen worden, nnd die Verbindung be-
steht jetzt durch Realschulen und technische Jnstitute aller
Art wirksamer und kräftiger denn je. Anders ist es mit
der Kunstindustrie. Kunst und Gewerbe haben sich seit
langen Zeiten völlig geschieden, darüber ist das Handwerk
in Ungeschmack versunken, und das Pnbliknm hat gleich
zeitig das Jnteresse und Urtheil in diesen Dingen ver-
loren. Diese gelöste Verbindung wieder herzustellen, ist
schon ein seit langem gefühltes Bedürfniß. Plötzlich aber
ist durch die enormen, wenn auch keineswegs überall zu
billigenden Anstrengungen der Engländer die Aufgabe
eine brennende und der Verzug ein gefährlicher geworden.
Sie haben nicht blos sich industrielle Künstler herangezogen
und selbst das Publikum bis zu einem gewissen Grade ge-
bildet und sein Interesse geweckt, sie haben nicht blos sich
an die Spitze der Kunstindustrie gesetzt oder die Franzosen
mindestens in die gleiche Linie neben sich herabgedrückt,
sie haben auch den ganzen Modegeschmack verändert und
auf eine völlig andere Basis gestellt. Und das ist durch
das Kensington-Mnseum geschehen, durch das Studium
guter Muster, welche uns die großen Kunstepochen der
Vergangenheit überliefert haben. Wer also nicht den Eng-
ländern den Vorsprung und damit das Geschäft überlassen
will, der ist gezwungen, möglichst schnell ihrem Beispiel
 
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