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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 2.1867

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Die Wiener Museumspläne und das Jury-Gutachten
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Zur Florentiner Domfaçade, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4906#0171

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Einberufungsschreiben präcisirt war, uud wie er logisch
auch gar nicht anders verstanden werden kvunte. Es han-
delte sich ja nicht um eine Prüfung von Probearbeiten,
sondern um die Gewinnung eines Bauplans; die Bediu-
gung aber, daß eiu Projekt, wie es da ist, ausgeführt
allen Anforderungen entspreche, durfte von der Kom-
mission um so weniger ausgestellt werden, als sie selbst ja
erst diese Anforderungen wesentlich bestimmte und ergänzte.
Deßhalb stellte sich Tietz ganz richtig die Frage: welches
Projekt ist das relativ beste uud wie ist es mit den prak-
tischen Bedürfnissen in Einklang zu bringen? Jndem cr
weiter den Standpunkt der Beurtheilung, welcher Zweck-
mäßigkeit und Schönheit von einauder trennt und auf
verschiedene Linien stellt, bei einem monumentalen, noch
dazu der Kunst gewidmeten Bau entschieden verwirft, kommt
er zu dem Ergebuiß, daß Hansen's Projekt die mcisten
Vorzüge i/sich vereinige und zugleich überall die Mög-
lichkeit der Erweiterung oder Abänderung im Sinne der
von der Kommission ausgesprochenen Grundsätze biete.
Die Kommission selbst scheint den Eindruck, welchen dieses
entschiedene und wohlbegründete Votum auf den unbefange-
nen Leser machen muß, sehr wohl erkannt zu habeu, da
sie sich bemüßigt fand, in einem Nachwort noch einmal zu
wiederholen, daß sie sich ausschließlich an die Projekte,
wie sie hier vorlagen, gehalten, der Alternativen sich ent-
halten habe; die Gründe für diese Enthaltsamkeit erfährt
man nicht.

Was nun weiter geschehen werde, ist schwer zu
sagen. Die Mehrheit der Kommission überläßt alles
dem Gntdünken der Executivbehörden, sie erlaubt sich
nicht einmal den bescheidensten Vorschlag, ob ein neues
Programm ausgearbeitet, eine neue Jurh einberufen
oder was sonst gethan werden könne. Wenu die Re-
gieruug nun ganz willkürlich einen Projektanten oder
einen Fünften mit dem Baue beauftragt, oder nach altbe-
liebter Manier etwa eine Verschmelzung mehrerer Pläne
dekrctirt, so hat sie den Schein des Rcchts für sich. Sie berief
eine Notabelnversammlung mit fast unbeschränkteu Befug-
nissen, aber diese erklärte sich für inkompetent! Und
dabei muß sie doch die Berantwortlichkeit übernehmen,
falls etwa das schlechteste von den Projekten zur Aus-
führung gebracht werden sollte, denn sie macht keinen
Untersckued zwischen Hansen, Ferstel und Hasenauer.
Wie oft und laut ist beklagt worden, daß Lebenssragen
der Kunst bei uns nach anderen als künstlerischen Motiven
entschiedeu werden, wie viel bitterer Hohn ist über
das unglückliche Opernhaus ausgegossen worden, und die
erste große Gelegenheit, ein besseres System iu's Leben
zu rufen, wird sc leichtsinnig verscherzt!

Und noch einer andereu Besorgniß kann man sich bei
Betrachlung dieses Gegenstandes schwer entschlagen.
Künstler wie Hansen sind stets und überall selten geweseu,
die Ausstcllung in Paris hat den Mangel an schöpferischen

und durchgebildeten, ihres Ziels sich bewußten Naturen
unter den Architekten aller Länder wieder offen dargelegt.
Wäre es ein Wunder, wenn irgend ein anderer Staat
den Versuch machte, diesen ausgezeichneten Mann für sich
zu gewinneu, demmau inWien keincn<Itaatsauftrag,janicbt
einmal eine Professur anvertrauen will? Und was sollte
ihn unter so bewußten Umständen an Wien fesseln? Träte
aber der Fall ein, verlören wir auch Hansen, wie wir in den
letzten Jahren beispielsweise den Physiologen Ludwig, den
Nechtslehrer Brinz, den Philologen Bonitz eiugebüßt
haben, die sämmtlich geblieben sein würden, hätte man
nur den Willen gezeigt, sie zu halten: dann wird wieder
Niemand die Schuld auf sich nehmen wollen. Aber dies-
mal wäre kein Entrinnen, das Votum in der Museums-
angelegenheit würde zur Anklageschrift gegen die Unter-
zeichner desselben.

Zur Florentiner Domfatznde.

Nach Mittheilungen des Prof. H. Semper.

(Fortsetzung.)

Das Basilikalsystem wäre, wie gesagt, das ange-
messenste für den einen der beideu Fälle, daß man die Fayade
als einfache Stirnwand der Basilika behandeln wollte;
es würde am schönsten und treuesten die ini Gebäude
selbst enthaltene Jdee des Rannies und der Konstruktion,
wozu die Fayade den Zugang eröffnet, aussprechen.
Die pyramidale Anlage, die geneigten Linien, welche
gegen einen Kulminationspunkt hinstreben, jedoch vou
vertikalen unterbrocken werden, haben nicht die invnotoue
Form, die am Terrassensystem zu tadeln ist. Man wirst
dem Basilikalsystcm vor, nicht mit der Tradition über
einzustimmen, da die Kirchen im vorliegenden Stil drei-
giebelig sind. Doch könnte es sich noch fragen, ob nicht
so viele Beispiele von basilikalbekrönten Kircheu, wie sie
zu Florenz(S. Miniato, S. Maria Novella), Pisa, Lucca
bestehen, nnd die in ihrer allgemeinen Anlage und ihrer
äußeren Dekoration viele Aehnlichkeiten mit nnserer Basi-
lika anfweisen, ob diese Mouumente gar keinen Werth
haben neben den zwci großen Mnstern von Orvieto und
Siena.

Ferner wirft man dem Basilikalsystem vor, daß es in
seiner Anwendung auf unseren Fall ebensowenig wahr
sei wie das Dreigiebelsystem, da die Linien der drei
Dächer nicht den sichtbaren Linien der Bekrönungen ent-
sprechen könnten. Darauf ist zu erwidern, daß, wenn
die Linien materiell nicht miteinander übereinstimmen,
sie es doch insofern thun, als der Anschein die Jdee vom
basilikalen Prinzip erweckt, welches in der Forni des
Durchschnitts des Gebäudes enthalten ist.

Nach diesem System sind 22 Projekte ausgearbeitet
worden. Ilnter diesen Projekten, an welche viel Fleiß
 
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