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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 2.1867

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Zur Florentiner Domfaçade, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4906#0172

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167

uiid Talent verwendel wordeu ist, zeichiien sich fol-
gende aus:

2 Projekte von Calderini.

2 Projektc von Cipolla.

2 Zeichnungen von Felli.

1 Projekt von Petersen.

2 Projekte von Errico Alvino.

1 Projekt init der Nr. 40.

1 Projekt von Capellini.

Die zwei Projekte Calderini's sind ein Zeugniß von
großem Talent nnd Geschmack. — Nur scheint der Ber-
fasser die Aufgabe nicht ganz gelöst zu haben, die er so
treffend in seiner Schrift bezeichnet hat, daß nämlich die
Fayade als syinbolischer Ausdruck der konstruktiven und
räumlichen Jdee des Gebäudes, zn dem sie gehört, dienen
müsse. Am wenigsten glücklich ist das neue Projekt.
Die aufsteigenden Linien, welche den Dachlinien der
Abseiten entsprechen, werden durch die Hauptgesimse un-
sichtbar und verfehlen den Zweck des Künstlers.

Die Disharmonie zwischen der Steignng der Bekrö-
nnngen und der Thür- nnd Fenstergiebel ist ein anderer
Hanptvorwnrf, der jedoch nicht nnr diesem Projektc, son-
dern der Mehrzahl dieses Shstems zn machen ist. Die
großen Nischen links nnd rechts vom Hauptportal
drücken dasselbe zu sehr und bringen einen unruhigen
Gesammteindrnck hervor. Anch sind die fünf Statnen über
dem Hanptportal nnd den Nischen zu groß, so daß sie die
Maße des Ganzen für das Ange verkleiuern. Die Par-
tie des Mittelschiffs ragt zu sehr über die Abseiten empor.

Das ältere Projekt desselben Künstlers unterscheidet
sick besonders dadurch vom späteren, daß der Mittelgie-
bel eine geringere Höhe hat als dort, nnd daß das Ge-
sims des Brnnellesco beibehalten ist. Dieses Projekt
entspricht mehr deni konstruktiven Prinzip, das der Künstler
adoptirt hat. Doch ist die Disharmonie unter den ver-
schiedenen Neigungen der Linien hier noch größer. Jm
Ganzen ist dieses Projekt weniger belebt, als das neue.
Die drei Portale, besonders das mittlere, sind nicht be-
deutend genug.

Das schöne Projekt von Cipolla ist bewundernswerth
um seiner feinen und eleganten Ausführung willen.
Dennoch sind auch hier dieselbeu Vorwürfe wie bei den
anderen Projekten des Basilikalsystems zn machen; zndem
ist die aufsteigende Linie der Abseiten verborgen. Das
Hauptportal mit dem reichen Baldackinmotiv darüber ist
anßerordentlich schön und großartig, wenn auch vielleicht
nicht ganz in der Strenge des Stils gehalten. Die
lithochrome Feldereintheilung zu beiden Seiten der Haupt-
rosette ist etwas monotoii. 2m Ganzen ist das Projekt
eine sehr schöne Arbeit.

Das andere Projekt desselben Künstlers ist minder
glücklich, indem statt des schönen Baldachins ein einfacher

Giebel sich über dem Hanptportal erhebt, ;u dessen Seiten
viel leerer Raum übrig bleibt. Darüber sind fünf
Nischen mit Heiligen. Der große Spitzbogen, der statt
des Getäfels die Hauptrosette umgiebt, ist uicht minder
monoton.

Von den zwei Zeichnnngen des Architekteu Felli besitzt
die eiue gute Verhältnisse, Feinheit in den Details und
macht einen großartigen Gesammteindruck. Da der
Künstler die Portale gar nicht mit Giebeln bekrönt hat,
so ist er auf diese Wcise knrzweg dem Konflikte zwischen
den verschiedeuen Neignngen der Linien ausgewichen, —
einem Konfliktc, der unbedingt vermieden werden mnß.
Das große Motiv über dem Hauptportal giebt der
Fayade einen kräftigen Mittelpunkt. Doch sind die lan-
gen Nischen in den Pfeilern nicht zulässig.

Petersen hat in seiner schönen Arbeit die Neigungs-
schwierigkeiten dadnrch zu überwinden gesucht, daß er die
Berhältnisse der Portalgiebel wie die Neignng der Dach-
bekrönungen ermäßigte. Einen Hauptvorwurf inuß
man dieser Fayade machen, daß die Verhältnisse der
Wandfläche des Hanptschiffes zn sehr in die Länge gehen.
Es hätte eine stärkere, in Relief markirte Liuie in
der Höhe des Metallkrenzes an Stelle der Marmorstrei-
fen nnd Gesimse von weuig Relief treten sollen, welche
sich zu oft wiederholen und der Einheit schaden. Die
Feinheit der Linien wie die Mäßigung im Gebrauch des
weißen Marmors geben diesem Projekt eine gewisse
Naivetät, doch leidet es auch an Schüchternheit nnd
Trockenheit.

Das eine Projekt des Prof. Alvino ans Neapel wett-
eifert niit dem Cipolla's, was meisterhafte Zcichnung
und Ausarbeitung betrifft. Die allgemeinen Verhält-
nisse dieser reichen Fayade sind sehr gut angegeben und
gegliedert, vermittelst arckitektonischer, in Relief hervor-
tretender Linien. Hierdurch hat er erreicht, daß die drei
Wandflächen zwischen den vier Pfeilern zn ihrer Höhe nicht
in dem Maßverhältniß stehen, wie bei den meisten ande-
ren Projekten. Der Künstler hatte das richtige Gefühl,
daß der monumentale Efsekt des Gebäudes sich in der
Fayade gipfeln müsse, und daß er, um dies Resultat zu
erreichen, sich nicht mit der einfachen Wiederholung der
Motive der Seitenfayaden begnügen konnte. Und
nm so weniger war er genöthigt, sich zn ängstlich dem
dominirenden Stil zn nnterwerfen, als derselbe weit ent-
fernt ist, ein einheitlicher zu sein, sondern vielmehr deut-
lich die Spnren der verschiedenen Epochen an sich trägt,
in denen an diesem Gebände gebant wnrde. So ricktig
jedoch des Künstlers Prinzip sein mag, so hat er sich doch
theilweise allznsehr, theilweise nicht bestimmt genug
voni herrschenden Stil entfernt. Es waltet in der Fayade
ein zn plastischer, bewegter Geist vor, der lebhaft an
die spanisch-gothischen Kathedralen Neapels erinnert.
Anßerdem sind die Motive der Fayade zn wenig con-
 
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