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Die dritte Müchener Jahresausstellung.
Maler, eine äusserst reizvolle Kollektion, die einem
umfangreichen Essay über die Malerei der Isarstadt
bereits für sich allein genügenden Stoff bieten
würde. —
Es war sicherlich ein glücklicher Gedanke, durch
diese Sonderausstellungen die Anziehungskraft des
diesjährigen Salons zu erhöhen und seine Aufnahme
entsprach den Hoffnungen völlig; dennoch wäre die
Bedeutung der Münchener Jahresausstellung gefähr-
det gewesen, wenn sie diesmal in dieser rein prin-
zipiellen, auch an vielen anderen Stätten unschwer
nachzuahmenden Erweiterung des Programmes ge-
gipfelt hätte. Diebeiden vorangegangenen Münchener
Salons haben ihren würdigen 'Nachfolgern eine weit
höhere Aufgabe vorgeschrieben, im Sinne der Kunst-
geschichte: die jüngste Entwickelung unserer Malerei
von Jahr zu Jahr zu begleiten, im Sinne der Kunst:
neue, beachtenswerte Beispiele jedweder künstleri-
schen und technischen Gattung unseren eigenen
Malern als internationales Vergleichs- und Lehr-
material vor Augen zu stellen. ■—
Auch dieses hohe Ziel hat der Münchener Salon
auch in diesem Jahre erreicht. Man darf dies be-
haupten, ohne das gleichfalls prächtige Berliner
Unternehmen zu unterschätzen, und wenn der Be-
weis dafür gelingt, werden Vergleiche und Ausblicke
auf den Inhalt der Berliner Jubiläumsausstellung an
dieser Stelle im einzelnen völlig entbehrlich. So
möge das Gesamtbild des Münchener Salons, welches
im folgenden kritisch entworfen werden soll, Licht
und Schatten in sich selber tragen und als ein selb-
ständiges Stoffgebiet den Sonnenglanz, welcher dies-
mal über der Berliner Ausstellung ruhte, weder zu
steigern noch zu verdunkeln suchen! —
Der Münchner „Salon" ist international. Seine
Feinde sagen: „weil man in München Fremdes weit
besser schätzt, als die heimische Leistung", seine
Freunde: „weil man in München von allen lernen
will, von denen man lernen kann". Die Ausstellung
selbst bezeugte, dass das letztere zu Recht besteht:
einseitige Parteipolitik vermochte der unbefangene
Beschauer nicht zu entdecken. Neben der inter-
nationalen Freilichtmalerei die spanischen und ita-
lienischen Farbenmosaicisten; neben dem Impres-
sionismus die besten Feinmaler, ein Seiler, Simm,
A. von Schnitter, Gyula von Kardos, Bieter Gaaxmann:
neben den schottischen Landschaftsskizzen die Vor-
frühlingsbilder eines Kubierschky, Kallmorgen, Neubert,
Dill; — und diese Gegensätze ließen sich noch viel-
fach vermehren! — Freilich ist dem Ausland ein
großer, für viele ein zu großer Kaum zur Verfüg-
ung gestellt worden, aber es dankte für diese Frei-
gebigkeit durch die mannigfachen Anregungen, die
es unserer eigenen Kunst hier bot. —
Man hatte sich gewöhnt, im Münchener Salon
zuerst den französischen Saal aufzusuchen. War er
doch nahezu die einzige Stätte, an der man die
jüngeren Franzosen in reicherer Fülle auf deutschem
Boden studiren konnte. Dass es nicht immer die
jüngsten und auch nicht immer die — besten Bilder
sind, die hier zur Ausstellung gelangten, ist ein un-
vermeidliches aber nicht allzu schmerzliches Übel:
des Neuen und Guten war bisher noch genug zu
finden. So auch in diesem Jahr! Den älteren Saal,
den im Grunde doch mehr die Namen als die Werke
eines Bastien-Lepage, Bonnat, Corot, Gourbet, Daubigny,
Delacroix, Detaille, Diaz, Dupre, Fromentin, Mattet,
Millet, Neuville, Troyon zierten, darf ich hier über-
gehen, da er eine französische Kunstgeschichte der
letzten Jahrzehnte doch nur sehr dürftig illustriren
würde. Im ersten Hauptsaal herrschte diesmal ein
maßvollerer Ton als im Vorjahr. Die Extravaganzen
der modernen Pariser Schule blieben hier verhältnis-
mäßig selten. Selbst die auffallendsten Farbenexperi-
mente behielten diesmal wenigstens eine Rechtferti-
gung durch die Wahl ihrer natürlichen Vorbilder.
— So blieb Besnard bei seiner üppigen Neapoli-
tanerin, die in der „Dämmerung" am Gestade träumt
— ein virtuos auf Lila und Pupur gestimmtes
Farbenkunststück! —■ der Wirklichkeit denn doch
weit näher als in seiner vorjährigen „Vision", so
suchte Constant die eigenartige Beleuchtung seiner
Figuren schon durch den Titel „Mondscheinsonate"
zu erklären. Carolus Daran, Albert Lynch und Louise
Breslau studirten das Sonnenlicht und die feinen
koloristischen Probleme an anziehenden Gestalten
der vornehmen Welt, Boldini zeigte sein immenses
Können an kernigen Aufnahmen „nach dem Leben",
und das Gleiche gilt von den in München ausgestell-
ten Bildern Manets. Auch die glänzendste Leistung
der Freilichtmalerei in diesen und vielleicht in allen
Sälen, die beachtenswerter Weise einen zwar in
Paris zum Ruhm gelangten aber echt nordischen
Namen trägt, Anders Zorns badende Mutter, ist eine
echte Skizze „nach der Natur." Eine ganz eigen-
artige Frucht zwar nicht der malerischen, aber der
inhaltlichen Auffassungsweise der modernen Schule
lehrte James Tissofs Bilderserie kennen. Betrachtet
man diese vier Gemälde mit ihren Gestalten in mo-
dernster Gesellschaftstracht, so glaubt man die Re-
daktion eines englischen Seeromanes für ein modernes
Ausstattungsstück vor sich zu haben. Ein reicher
Die dritte Müchener Jahresausstellung.
Maler, eine äusserst reizvolle Kollektion, die einem
umfangreichen Essay über die Malerei der Isarstadt
bereits für sich allein genügenden Stoff bieten
würde. —
Es war sicherlich ein glücklicher Gedanke, durch
diese Sonderausstellungen die Anziehungskraft des
diesjährigen Salons zu erhöhen und seine Aufnahme
entsprach den Hoffnungen völlig; dennoch wäre die
Bedeutung der Münchener Jahresausstellung gefähr-
det gewesen, wenn sie diesmal in dieser rein prin-
zipiellen, auch an vielen anderen Stätten unschwer
nachzuahmenden Erweiterung des Programmes ge-
gipfelt hätte. Diebeiden vorangegangenen Münchener
Salons haben ihren würdigen 'Nachfolgern eine weit
höhere Aufgabe vorgeschrieben, im Sinne der Kunst-
geschichte: die jüngste Entwickelung unserer Malerei
von Jahr zu Jahr zu begleiten, im Sinne der Kunst:
neue, beachtenswerte Beispiele jedweder künstleri-
schen und technischen Gattung unseren eigenen
Malern als internationales Vergleichs- und Lehr-
material vor Augen zu stellen. ■—
Auch dieses hohe Ziel hat der Münchener Salon
auch in diesem Jahre erreicht. Man darf dies be-
haupten, ohne das gleichfalls prächtige Berliner
Unternehmen zu unterschätzen, und wenn der Be-
weis dafür gelingt, werden Vergleiche und Ausblicke
auf den Inhalt der Berliner Jubiläumsausstellung an
dieser Stelle im einzelnen völlig entbehrlich. So
möge das Gesamtbild des Münchener Salons, welches
im folgenden kritisch entworfen werden soll, Licht
und Schatten in sich selber tragen und als ein selb-
ständiges Stoffgebiet den Sonnenglanz, welcher dies-
mal über der Berliner Ausstellung ruhte, weder zu
steigern noch zu verdunkeln suchen! —
Der Münchner „Salon" ist international. Seine
Feinde sagen: „weil man in München Fremdes weit
besser schätzt, als die heimische Leistung", seine
Freunde: „weil man in München von allen lernen
will, von denen man lernen kann". Die Ausstellung
selbst bezeugte, dass das letztere zu Recht besteht:
einseitige Parteipolitik vermochte der unbefangene
Beschauer nicht zu entdecken. Neben der inter-
nationalen Freilichtmalerei die spanischen und ita-
lienischen Farbenmosaicisten; neben dem Impres-
sionismus die besten Feinmaler, ein Seiler, Simm,
A. von Schnitter, Gyula von Kardos, Bieter Gaaxmann:
neben den schottischen Landschaftsskizzen die Vor-
frühlingsbilder eines Kubierschky, Kallmorgen, Neubert,
Dill; — und diese Gegensätze ließen sich noch viel-
fach vermehren! — Freilich ist dem Ausland ein
großer, für viele ein zu großer Kaum zur Verfüg-
ung gestellt worden, aber es dankte für diese Frei-
gebigkeit durch die mannigfachen Anregungen, die
es unserer eigenen Kunst hier bot. —
Man hatte sich gewöhnt, im Münchener Salon
zuerst den französischen Saal aufzusuchen. War er
doch nahezu die einzige Stätte, an der man die
jüngeren Franzosen in reicherer Fülle auf deutschem
Boden studiren konnte. Dass es nicht immer die
jüngsten und auch nicht immer die — besten Bilder
sind, die hier zur Ausstellung gelangten, ist ein un-
vermeidliches aber nicht allzu schmerzliches Übel:
des Neuen und Guten war bisher noch genug zu
finden. So auch in diesem Jahr! Den älteren Saal,
den im Grunde doch mehr die Namen als die Werke
eines Bastien-Lepage, Bonnat, Corot, Gourbet, Daubigny,
Delacroix, Detaille, Diaz, Dupre, Fromentin, Mattet,
Millet, Neuville, Troyon zierten, darf ich hier über-
gehen, da er eine französische Kunstgeschichte der
letzten Jahrzehnte doch nur sehr dürftig illustriren
würde. Im ersten Hauptsaal herrschte diesmal ein
maßvollerer Ton als im Vorjahr. Die Extravaganzen
der modernen Pariser Schule blieben hier verhältnis-
mäßig selten. Selbst die auffallendsten Farbenexperi-
mente behielten diesmal wenigstens eine Rechtferti-
gung durch die Wahl ihrer natürlichen Vorbilder.
— So blieb Besnard bei seiner üppigen Neapoli-
tanerin, die in der „Dämmerung" am Gestade träumt
— ein virtuos auf Lila und Pupur gestimmtes
Farbenkunststück! —■ der Wirklichkeit denn doch
weit näher als in seiner vorjährigen „Vision", so
suchte Constant die eigenartige Beleuchtung seiner
Figuren schon durch den Titel „Mondscheinsonate"
zu erklären. Carolus Daran, Albert Lynch und Louise
Breslau studirten das Sonnenlicht und die feinen
koloristischen Probleme an anziehenden Gestalten
der vornehmen Welt, Boldini zeigte sein immenses
Können an kernigen Aufnahmen „nach dem Leben",
und das Gleiche gilt von den in München ausgestell-
ten Bildern Manets. Auch die glänzendste Leistung
der Freilichtmalerei in diesen und vielleicht in allen
Sälen, die beachtenswerter Weise einen zwar in
Paris zum Ruhm gelangten aber echt nordischen
Namen trägt, Anders Zorns badende Mutter, ist eine
echte Skizze „nach der Natur." Eine ganz eigen-
artige Frucht zwar nicht der malerischen, aber der
inhaltlichen Auffassungsweise der modernen Schule
lehrte James Tissofs Bilderserie kennen. Betrachtet
man diese vier Gemälde mit ihren Gestalten in mo-
dernster Gesellschaftstracht, so glaubt man die Re-
daktion eines englischen Seeromanes für ein modernes
Ausstattungsstück vor sich zu haben. Ein reicher