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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Meyer, Alfred Gotthold: Die dritte Münchener Jahresausstellung, [1]
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Die dritte Münchener Jahrcsausstellunfr.

38

Heeder — so etwa dürfte dessen Inhalt lauten —
schickt seinen hoffnungsvollen Sohn auf See; lockeres
Leben, besonders im Kreise hübscher Japanerinnen,
lässt diesen die väterlichen Ermahnungen vergessen;
nach Jahren kehrt er als
Schweinelieferant heim

feiert den Begi

Gentl

heruntergekommener
der Vater verzeiht ihm und
i seines neuen Lebenswandels als

eman mit einem solennen Lunch, zu welchem
der Ruderklub geladen ist. — Laut Katalog aber
wiU Tissot in diesen Darstellungen die Geschichte
des „verlornen Sohnes" erzählen, die gleiche altehr-
würdige Legende, die in dieser Ausstellung durch
den Münchener Hermann Neuhaus in echter Freilicht-
malerei aber völlig im Geiste unseres Dürer geschil-
dert wird! Ob eine solche „Modemisirung" der bi-
Wischen Stoffe,

, die fast wie ein humoristischer
Protest gegen Uhde uns anmutet, zukunftsvoll sei,

Iwird billig bezweifelt werden müssen, jedenfalls aber
ist. sie hier mit einem höchst tüchtigen Können
durchgeführt, und die satten, goldigen Töne, sowie
die äußerst sorgsame Detaillirung lassen die Seltsam-
keit des Titels vergessen. — Vielleicht eben wegen
dieser Vorzüge wird man in Tissots Malweise einen
Gegensatz gegen die modernste Richtung erblicken,
und dennoch offenbart näheres Studium seine im-
pressionistische Schulung. Ähnliches gilt von A.
Boulard dem älteren. Seine meist auf dunkles Braun
gestimmten Bilder wirken zwischen den grellen
Farben ihrer Umgebung wie ein Anachronismus,
aber derselbe wäre hier mit dem Namen Rembrandts
gedeckt, an den diese Porträts und Strandlandschaf-
ten in erstaunlichem Grade gemahnen, und er ist
ferner überhaupt nur scheinbar, denn auch Boulards
Tonmalerei wurzelt im Impressionismus. Selbst
Agaches rätselhafte „dekorative Figur" ist von seinem
Einfluss nicht frei. —

Nicht im französischen Saal aber glaubte man im
Vorjahr die verdammungswürdigsten Ausschreitun-
gen der „neuen Schule" zu finden, sondern bei jenen
eigenartigen Neulingen im Salon, die bei vielen als
Neulinge auch in der Malerei die unliebenswürdigste
Aufnahme fanden: bei den Schotten. Ihre vorjährigen
Hauptnamen, Guthrie, Paterson, Lavery, Boche, Hamil-
ton standen auch jetzt wieder an der Spitze, die bei-
den letzteren mit ähnlichen und gleichwertigen Bil-
dern, wie im vorigen Jahr, wenn anders man nicht
an Rockes intimen Kabinettstücken „Tete-ä-tete" und
»Die kleine Geigerin" noch größere Meisterschaft
in der Wiedergabe der warmen Interieurbeleuchtung
und noch höheren Reiz in den lieblichen Mädchen-
gestalten rühmen will. Guthrie, Paterson und Lavery

aber fügten dem Gesamtbild ihres Könnens einige
neue Züge hinzu, Guthrie durch 42 kleine Pastell-
skizzen, welche eine seltene Sicherheit von Blick
und Hand und gleichzeitig eine erstaunliche Viel-
seitigkeit bekunden, Paterson in einer duftigen, an
Corot gemahnenden Landschaft, in welcher die lieb-
liche Idealfigur des „Echo" englische Einflüsse ver-
rät, und Lavery in einem großen Repräsentationsbild:
„Empfang der Königin von England in Glasgow".
Lavery hatte bereits in seinem „Tennispark" seine
virtuose Beherrschung der Luftperspektive bewährt;
diesmal lieferte er in der Wiedergabe der nach
Hunderten zählenden Menge, die sich hier im Hinter-
grund des Festsaales Kopf an Kopf drängt, ein tech-
nisches Meisterstück, aber es blieb zu bedauern, dass
er die Scene so wenig zu beleben und über die Be-
deutung einer malerischen Momentaufnahme zu er-
heben wusste. Zum Teil wird dies freilich schon
durch den Standpunkt der Darstellung bewirkt und
gerechtfertigt. Das Bild ist von oben her aufge-
nommen, so dass selbst die Gestalten des Vorder-
grundes in starker Verkürzung und kleinem Maßstab
wiedergegeben sind und keine scharfe Individuali-
sirung ermöglichen. Auch der rote Fußteppich des
Saales erhielt hierdurch eine selbst den koloristischen
Gesamteindruck störende Ausdehnung. Für derartige
Aufgaben wird sich der von A. von Werner in seiner
„Kaiserkrönung" eingeschlagene Weg stets am
meisten empfehlen, da er wenigstens die porträt-
mässige Charakteristik der im Vordergrund stehen-
den Figuren zulässt und dem Massenbild durch
einzelne Episoden intimeren Reiz verleiht. —

Die nüchterne Auffassung Lavery's nimmt um
so mehr wunder, als seine Landsleute sich auch dies-
mal eher durch ein Übermaß als durch Mangel an
Phantasie und Einbildungskraft auszeichneten. Selbst
ihre unversöhnlichsten Gegner werden diese schot-
tischen Künstler als bedeutsame Vertreter landschaft-
licher Stimmungsmalerei anerkennen müssen. Das all-
gemeine Urteil hat in gleichem Sinne entschieden,
denn gerade diese winzigen schottischen Landschaften
haben vielfach Käufer gefunden. Thomas Austen
Brown, Dow, Docharty, Alex. Frew, Thomas Givsvenor,
Hornel, Mac Bridge, Mann, Macgregm; Mclville, Thomas
Morton, Walton schilderten auch diesmal die poetische
Schönheit ihres Heimatlandes in glühenden Farben.
Zweifellos suchten sie starke Effekte: Mondlicht über
dem Wald, dessen Stämme der vom Hirtenlager auf-
steigende Feuerschein streift; Mondlicht auf dem
Bach, der im Waldesdunkel plätschert; blutroter
Abendhimmel, von dem sich die Baumstämme schwarz
 
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