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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0116

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219 Vereine und Gesellschaften. 220

geführt. Mit Ausnahme der Ankäufe moderner Bilder durch
den Kunstverein und den Verein von Kunstfreunden sind wesent-
liche Veränderungen "nicht zu verzeichnen. Da wurde vor
fünf Jahren Dr. Liehtwark, ein Hamburger, an die Spitze
der Kunsthalle berufen. Trotz der ungünstigen Verhältnisse
hat er es verstanden, in wenigen Jahren eine vollständige
Veränderung zu wege zu bringen: nicht nur in der Kunst-
halle selbst, sondern im ganzen künstlerischen Leben von
Hamburg. Nicht nur ist das Museum verdoppelt und ver-
dreifacht in seinem Bestände, vor allem ist dasselbe ein
lebendiger Faktor im geistigen und sozialen Leben der Stadt
geworden. Unterstützt wurde Dr. Liehtwark in hervorragen-
der Weise bei seinem Antritt durch Herrn 6. C. Schwabe,
einen in London angesessenen Engländer. Dieser schenkte
der Kunsthalle im Jahre 1880 seine auf l'/2 Million Mark
geschätzte Sammlung moderner englischer Bilder und be-
stritt zugleich die Erweiterung des Gebäudes. Hierdurch
war mit einem Schlage das Interesse des Hamburger Publi-
kums wieder der Kunsthalle zugewendet. Den reichen Ham-
burger Kaufleuten war damit ein Vorbild zur Nachahmung
gegeben. Endlich war durch diese umfangreiche Sammlung
englischer Bilder in der Kunsthalle die erste Stätte für eine
Sammlung moderner Kunstwerke fremder Schulen geschaf-
fen. Diese günstige Lage hat Dr. Liehtwark mit klarem
Blicke erfasst und in Anlehnung an gegebene Verhältnisse
ausgebeutet. Fast gleichzeitig bot sich nach einer anderen
Richtung hin eine Bereicherung der Kunsthalle dar. Die
bekannte Sammlung altholländischer Bilder in Besitz des
Herrn Job. Wesselhoeft in Hamburg stand zum Verkauf
und war der Stadt angeboten, als Dr. Liehtwark nach Ham-
burg kam. Damals war nicht eine Stimme für diesen An-
kauf, der wenige Jahre später (1858) durch einstimmigen
Beschluss von Senat und Bürgerschaft vollzogen wurde.
Durch diesen Ankauf ist die Kunsthalle erst unter die nen-
nenswerten Galerien eingetreten. Um dieses rasch angewach-
sene Material recht wirksam zu machen, knüpfte er vor
allem an lokale Bedingungen und Traditionen an. Aus
diesem Gesichtspunkte ist die ansehnliche Sammlung Ham-
burger Ansichten aus Stadt und Land entstanden und ist
der Anfang gemacht zu einer Sammlung von Porträts her-
vorragender Hamburger Persönlichkeiten in Bild und Stich,
und der Sammlung von Kunstwerken althamburger Künstler.
Gerade in Hamburg haben diese Zeugnisse lokaler Kunst-
thätigkeit einen künstlerischen Wert, da sich hier zuerst in
Deutschland nach dem dreißigjährigen Kriege durch die engen
Beziehungen zu Holland ein künstlerisches Leben entwickelte.
In gleicher Weise sind auch die Sammlungen der Hand-
zeichnungen, Stiche, Münzen und Medaillen nach dieser lo-
kalen Seite angebaut worden. Ausschließlich durch private
Beihilfe hat Dr. Liehtwark auch nach der Seite der moder-
nen Kunstwerke die Kunsthalle zu erweitern versucht. Einen
reichen Quell für Gemälde bilden hier Vermächtnisse. An-
ders dagegen in der Plastik, die in deutschen Sammlungen
überhaupt sehr schwach vertreten ist. Eine Anzahl ge-
wählter Originalskulpturen und eine reichere Sammlung der
besten Bildwerke aller Nationen aus unserer Zeit wird in
Hamburg selbst die besten Früchte tragen. Ein besonderer
Zweig der Plastik, der besonders für die Goldschmiede eine
treffliche Schule abgeben wird, liegt schon in einer Samm-
lung von Medaillen und Plaketten fertig vor. Besonders
wird die französische Plastik in dieser Abteilung ihrer un-
bestreitbaren Stellung entsprechend eine hervorragende Rolle
spielen. Dieser Gesichtspunkt, dass man an den Vorzügen
der Fremde die eigenen Schwächen am besten erkennen
könne, wird auch für eine Pflege der außerdeutschen Kunst

überhaupt eine der wichtigsten Aufgaben der Kunsthalle
werden. Ohne fremde Hilfe, lediglich durch seine eigene
Kraft hat Dr. Liehtwark die zweite eben so wichtige Auf-
gabe, die Nutzbarmachung der Sammlung ergriffen und
durchgeführt. Nicht nur durch jede mögliche Erleichterung
und Unterstützung in der Besichtigung durch täglichen Zu-
tritt, durch Nachbildungssammlungen und Bibliothek hat er
dieses Ziel verfolgt, sondern vor allem durch die verschie-
denartigsten Vorträge. So ist die Hamburger Kunsthalle
jetzt eine Lehranstalt ersten Ranges. — Herr Springer legte
darauf das von ihm herausgegebene hinterlassene Werk
seines verstorbenen Vaters („Albrecht Dürer" von Anton
Springer, Berlin, Grote 1892) vor und machte auf die Par-
tien des Buches aufmerksam, in denen der Verfasser zu
neuen Resultaten kommt. Stärker als bei Thausing und aller-
dings im Gegensatze zu ihm wird von Springer in der Ju-
gendentwickelung Dürers der Einfluss der Italiener betont.
Das spätere Leben Dürers wird in eine humanistische, eine
Krusmische und eine Melanchthonische Periode geteilt und
für jede können charakteristische Werke seiner Hand ge-
nannt werden. Zur Erklärung einiger der bekanntesten rät-
selhaften Kupferstiche gelang es, Stellen aus Erasmischen
Schriften anzuführen, denen Dürer ohne Zweifel die erste
Anregung zu seinen Darstellungen verdankte. Nach Dürers
Büchern und nach seinem litterarischen Nachlass, soweit er
bis jetzt publizirt ist, ist sein künstlerisches Glaubensbekennt-
nis ausführlich geschildert worden. — Sodann berichtete noch
Herr ron Loga über das kürzlich erschienene Werk von J.
TP. Lintern, The masters of wood-engraving. Das umfang-
reiche, glänzend ausgestattete Buch macht seit 50 Jahren
zum ersten Male den Versuch, eine umfassende Geschichte
des Holzschnittes zu geben. Der Verfasser, selbst ausüben-
der Künstler, fühlt sich aus diesem Grunde besonders zur
Lösung dieser Aufgabe berufen. Giebt man ihm gern zu,
dass er vor anderen Autoren größere technische Erfahrung
voraus hat, so ist ihm vor allem eine eingehendere Sach-
kenntnis, namentlich für die Geschichte der älteren Perio-
den zu wünschen. Das Bedeutende, was namentlich in
Deutschland in den letzten Jahren auf diesem Gebiete ge-
leistet ist, ist ihm völlig entgangen. Der zweite Teil, wel-
cher von Bewicks neu erfundener Technik ausgehend, die
Entwickelung, namentlich des englischen Holzschnittes des
vorigen und dieses Jahrhunderts schildert, ist weit wert-
voller. Der neuen großen Bewegung, welche sich in den letz-
ten Jahrzehnten unter Amerikas Führung vollzogen, steht
Linton mit Unrecht ablehnend gegenüber. — Der Präsident
berichtete sodann über die Thätigkeit der Kommission zur
Vorbereitung der „Ausstellung von Kunstwerken aus der Zeit
Friedrichs des Großen in Berliner Privatbesitz", die seitens
der Gesellschaft in der Oktobersitzung beschlossen wurde.
Die Ausstellung sei durch Zusage von allen Seiten gesichert;
als Lokal sei wieder die Akademie der Künste in Aussicht
genommen und zugesagt. Als Zeit für die Ausstellung sei
der Monat April und die erste Hälfte des Mai festgesetzt. —
Herr Bode teilte mit, dass die Verhandlungen der italieni-
schen Regierung über den Ankauf der Sammlung Borghcse
durch ein Gebot des Baron A. Rothschild auf Tizians „Ir-
dische und himmlische Liebe" (die Summe von sechs Mil-
lionen Francs scheint verbürgt zu sein!) in ein schnelleres
Tempo gebracht seien, aber noch nicht zu einem Resultat
geführt hätten. Ein öffentlicher Verkauf dieser Galerie sei
noch nicht ausgeschlossen. Größere Auktionen stünden für
das Jahr 1892 bisher nur in London fest: die Galerie des
Herzogs von Devonshire in Chiswick und wahrscheinlich
auch ein Teil der Galerie von Earl Dudley sollten zur Ver-
 
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