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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Ein Wort über die Münchener Jahresausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0120

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227

Ein Wort über die Münchener Jahresausstellungen.

228

Organismus der Angelegenheit, weil ihr sachlich und
örtlich fernstehend, durchaus unvertraut sind, dass
das Ausland thatsächlich gegenüber Deutschland,
gegenüber München Vorzüge nicht zu rechtfertigen-
der Natur genieße; anderwärts wurde gesagt, es
thue ja doch nichts, wenn gelegentlich einmal ein
paar bessere heimische Werke gegenüber geringe-
ren ausländischen zurückstehen müssten! Das ist
eine Logik, die man nur in Deutschland, sonst aber
nirgends auf der ganzen Welt kennt, leider scheint
sie vielerorts das Leitmotiv in allen möglichen Din-
gen wirklich zu bilden. Was würden, drehen wir
einmal den Spieß um, Herausgeber von Zeitschrif-
ten, Redakteure u. s. w. dazu sagen, wenn man
ihnen eines Tages in aller Freundschaft erklärte:
Wir brauchen jetzt einmal für ein halbes Jahr eure
Arbeit nicht, da wir der Abwechselung halber und
der Fortbildung in fremden Sprachen zu lieb uns
auf ausländische Litteratur beschränken! Ja — es
ist recht leicht, gute Ratschläge zu erteilen, wenn
man selbst nichts dabei zu riskiren hat.

Man wollte rein künstlerisches Ausstellungsma-
terial haben, die „Marktware" aber, die in früheren
Jahren gar oft überwiegend war, zur Seite drängen.
Das wirklich zu thun, wäre nicht anders denn als
ein Verdienst zu bezeichnen. Heute freilich liegt
die Sache so, dass man in mancher Beziehung nicht
mehr von ausgestellter Münchener Marktware reden
kann, wohl aber von einer Aufstapelung auslän-
dischen Gutes, das geschickt wird, sicherlich nicht
bloß um künstlerische Schaustellungen zu bereichern,
sondern am Markt daselbst Nutzen zu ziehen. Da-
bei ist nicht zu leugnen, dass die Ausstellungen
andererseits bezüglich dessen, was sie boten, von
Jahr zu Jahr sich hoben. Die letztverfiossene, vom
Sommer 1891, war eine geradezu künstlerisch groß-
artige zu nennen, welche an Qualität in Deutsch-
land von keiner anderen, heiße sie, wie immer sie
wolle, erreicht worden ist. Das sei freudig zuge-
standen, wenngleich dabei bemerkt werden muss,
dass, wie gesagt, neben den guten fremden Werken,
die in erster Linie auffallen mussten, auch eine er-
kleckliche Anzahl minderwertigen Zeuges gleicher
Herkunft sich vorfand, das eben so gut hätte weg-
bleiben können. Wer Wochen lang eingehend eine
Ausstellung studirt, bekommt, das darf man ja wohl
annehmen, einen besseren Einblick in die Sache, als
wer im Laufe weniger Tage die zweitausend und
etliche hundert Nummern „abmacht".

Die Zahl der 1891 ausgestellten Kunstwerke
verteilt sich — das kann jeder Zweifler nachrechnen

—, wenn man dem „offiziellen" Katalog vom 24. Sep-
tember Vertrauen schenken darf1), wie folgt:

Deutsche Aussteller Oül 2) mit 1258 Nummern,
davon

Maler 538 mit 1002 Werken,

Bildhauer 77 „ 158
Architekten 15 „ 34 Entwürfen etc.,
Radirer 31 „ 64 Rahmen voll einzelner Blätter.
661 1258"
Nichtdeutsche Aussteller 700 mit 1876 Nummern,
davon

Maler 632 mit 1711 Werken,

Bildhauer 57 „ 117
Architekten 6 ,, 14 Entwürfen etc.,
Radirer 11 ,, 34 Rahmen voll einzelner Blätter.
706 1876

München war vertreten durch
327 Maler mit 515 Bildern,
41 Bildhauer mit 67 plastischen Werken,
9 Architekten mit verschiedenen Entwürfen,
10 Graphiker.

Inwiefern diese Zahlen parallel laufen mit dem
anfangs gegebenen Prinzip, von welchem die Jahres-
ausstellungen ausgingen, mag jeder ausrechnen, wie
er es eben fertig bringt, besonders jene Patrioten,
die darin keine Bevorzugung des Auslandes erblicken.

Für alle von außen her gesandten Arbeiten be-
zahlt die Münchener Künstlergenossenschaft die
Fracht; die Nichtdeutschen, also Franzosen, Eng-
länder, Schotten, Skandinavier etc. waren außerdem
juryfrei, ohne dass man die Ausstellungsobjekte vor-
her gesellen hatte; die Deutschen dagegen hatten
die, Jury zu passiren. Die letztere hat hoffentlich
mit diesen sonderbaren Maßnahmen durchaus nichts
zu schaffen gehabt, da sie von sich aus eigentlich
i keine neuen Bestimmungen treffen kann, sondern
S bloß über Zulässigkeit oder Abweisung der einge-
sandten Bilder zu urteilen hat. Allerdings sind Aus-
stellungs- wie andere Paragraphen von jeher dazu
da gewesen, um je nach Bedürfnis und der suprema
lex gehalten zu werden.

Ob die gehäuften Ausstellungen auf einem Boden,
der keine künstlerischen Traditionen aufzuweisen
hat, wie etwa Paris, zum Nachteil oder zum Vor-
teil der weiteren Entwickelung gereichen, kann wohl
im allgemeinen nicht gesagt werden. Das ist indivi-
duell. Sicher ist jedoch, dass die Zahl der selb-

1) Die Kataloge zeichneten sich von jeher durch Un-
vollständigkeit und konfuse Anordnung aus und waren meist
erst in vierter oder fünfter Auflage richtig, wenn die Zeit
des Ausstellungsschlusses nahte.

2) Die Kollektivausstellungen der verstorbenen Künst-
ler Hans von Marees und 6. F. Waldmüller sind dabei
nicht, Boecklin dagegen, der mit 17, Hildebrand in Florenz,
der mit 22 Arbeiten vertreten war, zu den deutselien Aus-

| stellern gerechnet, ebenso Klinger in Rom u. s. w.
 
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