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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Ein Wort über die Münchener Jahresausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0121

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229

Bin Wort über die Münchener Jahresausstellungen.

230

ständig ihren Weg gehenden Künstler eine entschie-
den kleinere ist als die, die mit mehr oder weniger j
Geschick und Geschmack das zu illustriren ver-
stehen, was man so gemeinhin „Nachempfindung"
nennt. Dazu bieten Ausstellungen die beste Ge-
legenheit.

Geradezu erstaunlich aber ist die Freigebigkeit
mit Medaillen. Wie viele solche werden für eine
internationale Kunstausstellung (1892 haben wir eine
solche in München) nötig sein, wenn schon bei einer
Münchener Jahresausstellung deren siebenundsiebzig
zur Verteilung gelangten, wobei allerdings entspre- j
chend den übrigen Umständen unter den 15 ersten
Medaillen ein Münchener Maler (Ludwig Herterich
figurirt neben Max Liebermann und Emil Hundrieser
in Berlin, Max Klinger in Rom und Adolf Hilde-
brarid in Florenz); die zweite Medaille — es gab
deren bloß 62 — entfiel mit sechs Exemplaren auf
München resp. Dachau und Umgebung, mit vier auf
das übrige Deutschland und Osterreich, der liest
blieb dem Auslände. Hoffen wir, dass die Münche-
ner Medaillen nicht eines Tages den Rubelkurs haben!

Ein weiterer Umstand, der geradezu erheiternd
wirken müsste, wenn er nicht die vollständige Un-
sicherheit des Urteils, um nicht einen anderen, viel-
leicht treffenderen Ausdruck zu gebrauchen, bewiese,
ist der, dass z. B. in einem Jahre Bilder mit Kling-
Klang-Gloria in die Ausstellung einziehen, die im
Vorjahre mit Glanz durchgefallen sind, dass man
das eine Mal Namen liest, die das nächste Mal
in der Liste der Refüsirten zu finden sind! Wie es
scheint, will man für jedes Jahr, so wie in den Kon-
fektionsgeschäften, auch da die haute nouveaute am
lebhaftesten unterstützen. An eine Rückwirkung
solcher Umstände auf die ganze künstlerische Weiter-
entwickelung zu denken, das ist überflüssig, narren-
haft, philiströs u. s. w.

Eine unzweifelhaft trügerische Seite aber haben
die Ausstellungen trotz allem äußerlichen Glänze
und allen in ihnen zur Entfaltung gelangenden Ta-
lenten jeglicher Art. Diese Seite berühren, heißt
der Sache mit Nüchternheit entgegentreten und im
voraus bereits den Vorwurf hausbackener Gesin-
nung von seiten derer auf sich laden, die unbetei-
ligt, gar nicht in den Fall kommen, irgendwie mo-
ralische oder materielle Einbuße dabei zu erleiden, j
im günstigsten Falle, wenn es schief geht, die Ach-
seln zucken und sagen: Ja, wer hätte daran gedacht!

Diese trügerische, verblendende Seite der Sache
sind die Verkaufssummen. Man spricht das eine Mal
von einer ganzen, das andere Mal von einer halben I

Million. Welchem unüberlegten, oder sagen wir
nicht rechnenden Gemüte imponirte eine solche Ziffer
nicht! Wir wollen nicht sagen, dass es nicht genug
rechnende, auch berechnende Künstler gäbe — der
Augenschein überzeugt uns tagtäglich von ihrem
Vorhandensein, indessen giebt es ein gut Teil Un-
befangener, welche die Rechnung ohne den Wirt
machen. Bei den Verkaufsziffern wird nur die
Gesamtsumme genannt; wie viel davon auf die
Produktion des eigenen Landes entfalle, bedenkt man
durchschnittlich nicht. Man spricht von den Staats-
ankäufen und wenn sich dieserhalber auch nicht
alle eine ganz besonders große Schuhmacherrech-
nung für abgenutzte Fußbekleidung in Sachen eige-
nen Vorwärtskommens auflaufen lassen, so hoffen
doch gar viele, ihr Name gehöre binnen Jahr und
Tag mit zu denen, welche in den Galerien offiziell
als die Vertreter der Kunst unserer Zeit prangen.
Abgesehen davon, dass namhafte Münchener Meister
der Vergangenheit und Gegenwart in der Galerie
daselbst gar nicht vertreten sind, hat man auch be-
gonnen, sich mit der Kunst des Auslandes zu be-
fassen, wobei denn freilich die besten Namen nicht
anzutreffen sind. Man sucht vergeblich nach Millet,
Courbet, Diaz, Rousseau, Corot, Daubigny und an-
deren Koryphäen, von denen man hätte Arbeiten
haben können, ganz speziell im Jahre 1891 hätte
haben können. Sie fanden offenbar keine Gnade
vor den Kunstephoren.

Nennt man den Namen Raffet, von dem ein
paar auf einer Leinwand vereinigte Studienfiguren
um den Preis von 5000 Mark erworben wurden, so
kam diese Summe nicht mehr dem Künstler zu gut,
der bereits Anno 1860 gestorben ist, sondern dem
Kunsthändler, der die Leinewand für 100 und etliche
Gulden erstanden hat und sie nun glücklich um
hohen Preis an eine königliche Galerie losschlug.
In einem anderen Falle — es betrifft dies ein spa-
nisches Bild — wurde dieses nicht um das Angebot
des Künstlers gekauft, sondern später aus den Händen
eines Händlers mit wesentlichem Preisaufschlag.

Nimmt man all diese Momente, auf deren wei-
tere Detaillirung hier nicht eingegangen werden
kann, zusammen, so ergiebt sich der Schluss, dass
die pomphaft der Welt aufgetischten Verkaufszif-
fern das als direkte Unterstützung des Künstlers
nicht sind, was allgemein von ihnen angenommen
wird. Von ihnen leben außer dem schaffenden
Künstler eine ganze große Reihe anderer. Davon
sprechen die Enthusiasten, und ich wiederhole es,
in erster Linie die, die bei der Sache nichts zu
 
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