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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Erinnerungen an und von Karl Oesterley, [2]
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Erinnerungen an und von Karl Oesterley.

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in Hannover gekauft. Im Herbst kehrte ich nach
Göttingen zurück und malte die Porträts von Ott-
fried Müller, des Abts Lücke und des Hofrats Hugo
und fuhr fort meine Vorträge zu halten. 1844 ging
ich abermals nach Düsseldorf, um das große Bild
„Ahasverus verstößt den Heiland von seiner Thür"
zu malen. Dasselbe wurde vom Kunstverein für die
Rheinlande und Westfalen zur Verlosung angekauft
und fiel als Gewinn dem Könige der Belgier zu.
1845 wurde ich in Hannover zum Hofmaler ernannt,
nachdem diese Stelle seit Hambergs Tode unbesetzt
geblieben, und hierbei wurde die Bestimmung ge-
troffen, dass ich zwei Monate im Sommer in Göt-
tingen Vorträge zu halten hätte und die übrige Zeit
meiner künstlerischen Thätigkeit leben sollte. Es
erfolgte dann 1845 meine Übersiedelung nach Han-
nover, wo ich zunächst eine beträchtliche Anzahl
Porträts malte. Nach zweijährigem Aufenthalt er-
hielt ich den Befehl, das Porträt des Königs Ernst
August zu malen. Derselbe residirte damals in
Schloss Georgengarten. Sein Arbeitszimmer lag zu
ebener Erde nach Süden, und als ich zur befohlenen
Stunde ins Zimmer geführt und vorgestellt wurde,
saß der König vornübergebeugt und schrieb, und
bemerkte nach erfolgter Vorstellung: „Nun, so malen
Sie mir." Ich erwiderte: „Majestät geruhen, in dieser
Stellung ist mir das unmöglich, auch bitte ich, in
einem anderen Zimmer ohne grelles Sonnenlicht die
Sitzung vornehmen zu dürfen." Sr. Majestät waren
nicht in gnädigster Laune ob dieser Zumutung, und
immer noch nicht in gutem Licht, nahm ich den
Rollsessel mit Sr. Majestät und rollte den König
halb durch das Zimmer in ein günstiges Licht. Den
Blick des Königs nach dieser That habe ich nie
vergessen, als wolle er sagen: „Was wagst Du mit
mir zu machen?" Nach halbstündiger Sitzung, in
welcher die Gräfin Grote und Generalmajor v. Slicher
den König unterhielten, fragte er: „Bin ich nun
fertig? Ich will das Bild sehen." Auf dringendes
Bitten, hiervon abzustehen, sah er das Bild doch
an und rief entsetzt: „Das ist ja scheußlich, ich will
nicht mehr sitzen." Meine Entschuldigung, dass das,
was der König jetzt gesehen, nur Hieroglyphen
seien, fand keinen Anklang und mit der Sitzung
war es vorbei. Nach circa vierzehn Tagen wurde
ich wieder befohlen und fand den König in rosig-
ster Laune. Ich hatte in der deprimirten Stimmung
nach der ersten Sitzung versucht, aus dem Gedächt-
nis das Porträt weiter zu malen und nach Möglich-
keit ein abgerundetes Ganzes herzustellen, in der
Resignation, dass meine Stellung als Hofmaler so

wie so erschüttert sei. Der König sagte also, als
ich zur zweiten Sitzung befohlen war: „Nun lassen
Sie mich mal Ihre Hieroglyphen sehen." Als ich
das Bild vorzeigte, meinte der König: „Ah, char-
mant, nun brauche ich nicht mehr zu sitzen." Als
ich erklärte, dass das Bild noch lange nicht fertig
sei, wurde mir denn auch noch eine dreiviertelstün-
dige Sitzung huldvollst gewährt. In dieser Zeit
malte ich auch das Bildnis der Kronprinzessin Marie
mit dem anderthalbjährigen Erbprinzen Ernst August
auf dem Schoß. Nach eben erfolgtem Tode des
Königs Ernst August wurde ich beauftragt, den-
selben auf dem Sterbebette zu zeichnen.

Nach dem Regierungsantritte des Königs Georg V.
bekam ich bald den Befehl, denselben in Garde du
Corpsuniform zu malen, wozu der König in liebens-
würdigster Weise oft Stunden lang in meinem Atelier
stand."

Soweit die eigenen Notizen des heimgegange-
nen Künstlers. Der Sohn desselben, der bekannte
Landschaftsmaler C. Oesterley jr. in Blankenese bei
Hamburg teilt uns über den Meister noch folgende
Daten mit:

Bis ins achtzigste Lebensjahr war Oesterley un-
ermüdlich thätig; dass dann aber schwächer und
unsicher werdende Augenlicht zwangen ihn, Pinsel
und Palette niederzulegen. In friedlichster Einfach-
heit, von allen geliebt und alle wieder liebend, ver-
brachte er seine letzten Lebensjahre im Kreise seiner
Töchter und Angehörigen, bis der vorige harte Winter
ihm den Genuss der freien Luft abschnitt und zum
friedlichsten, seligsten Entschlafen führte am 25. März
1891. Zu den schönsten Erinnerungen des Verewig-
ten gehöre der Aufenthalt in Düsseldorf und der in-
time Verkehr mit den damaligen Malern Prof. C.
Sohn, E. Deger, C. F. L. Lessing, Ad. Schrödter,
Th. Hildebrand, Chr. Köhler etc., sämtlich längere
Zeit früher heimgegangen. In Heidelberg war er
gern zusammen mit dem ihm von Göttingen her
innig befreundeten Gervinus, dessen Porträt nebst dem
des berühmten Historikers Schlosser dort gemalt
wurde. Ferner führte der Verewigte in Heidelberg
eine Szene aus Dantes „Divina Commedia" aus.

Auch in Paris knüpfte Oesterley mancherlei
Beziehungen an, so mit Horace Vernet, Paul de la
Roche u. a. m. Letzterer machte ihm den Vorschlag,
ihre Kompositionen gegenseitig auszutauschen, was
leider nachher zum großen Bedauern Oesterleys
unterblieben ist. Mit dem Aufenthalt in Paris ver-
band er den Zweck, im Louvre mehrere Bilder zu
kopiren, namentlich Tizians Grablegung.
 
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