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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Erinnerungen an und von Karl Oesterley, [2]
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Rosenberg, Adolf: Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0170

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Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie.

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vergessen, dass die Gründlichkeit des Studiums der
Natur die Mutter aller echten Kunst war und bleibt.

S. W.

AUSSTELLUNG IN DER BERLINER
NATIONALGALERIE.

Am 6. März ist zu Ehren des am 19. November
1891 in seinem 64. Lebensjahre verstorbenen Ge-
schichtsmalers Gustav Spangenberg in der National-
galerie eine Ausstellung eröffnet worden, die so ziemlich
sein gesamtes Lebenswerk in 32 vollendeten und 24 un-
vollendeten Ölgemälden und in etwa 200 Studien, Zeich-
nungen und Entwürfen in verschiedener Technik um-
fasst. Von den in weiteren Kreisen bekannt gewor-
denen Ölgemälden fehlt kaum eines, und von seinem
großen Monumentalwerk, den von 1884—1887 ausge-
führten vier Friesgemälden im Treppenhause des
Hallischen Universitätsgebäudes, die die Wirkungs-
kreise der vier Fakultäten durch symbolische Grup-
pen und durch Darstellungen aus der Bibel und
der antiken Geschichte veranschaulichen, erhält man
eine Vorstellung durch eine Reihe von Aquarellen,
Kreide- und Kohlenzeichnungen. Es ist also eine
nahezu vollständige Künstlerbiographie, die uns so-
zusagen in der Urschrift des Meisters vorgeführt
wird. Neue Züge, die das bisherige Urteil über die
Bedeutung Spangenbergs und seine künstlerischen
Absichten erheblich verändern könnten, bringt die
Ausstellung trotz ihrer Reichhaltigkeit freilich nicht
bei. Ein aufklärendes Licht fällt dadurch nur auf
die ersten Jahre seiner künstlerischen Entwicklung,
die uns in den Bildern „Wallfahrt" (1857 in Paris
gemalt, mit Figuren in der Tracht der deutschen
Renaissance), „Der Rattenfänger von Hameln" (1860),
„Der Johannisabend in Köln" (1861, im Museum
zu Breslau) und „Die Walpurgisnacht" (1862, in
der Kunsthalle zu Hamburg) vor Augen geführt
wird. Alle diese Bilder stehen trotz ihres Zusammen-
hangs mit der deutschen Sagenwelt und ihrer im
deutschen Empfinden wurzelnden Grundstimmung
koloristisch noch völlig unter dem Einfluss seiner
Pariser Studien bei Couture und Triqueti, der erst
gegen die Mitte der sechziger Jahre völlig ver-
schwand, um dem nach Dürer und Holbein gebil-
deten malerischen Stile Platz zu machen, der zu-
erst in zweien seiner Lutherbilder, „Luther als Knabe
im Hause der Frau Cotta" und „Luther im Kreise
seiner Familie" (1866, im Museum zu Leipzig), zum
Durchbruch kam. Wenn man jetzt Spangenbergs
Gesamtwerk überblickt, wird man bekennen müssen,

dass er, als er sich von der malerischen Anschauung
seiner ersten Zeit lossagte und sich an die deut-
schen Renaissaneemeister anschloss, mindestens so
viel geopfert als gewonnen hat. Der „Johannis-
abend in Köln" — Frauen und Jungfrauen, die
Kräuter in den Rhein werfen, damit der Fluss alles
Unheil des nächsten Jahres hinwegschwemme —
ist ein Kleinod poetischer, durch den Zauber des
Kolorits erzeugter Stimmung, die Spangenberg auch
in seinem Hauptwerke, dem „Zuge des Todes", nicht
wieder erreicht hat.

Eine weniger bekannte und gewürdigte Seite
seines Schaffens lernen wir auch durch eine Reihe
von Landschafts- und Architekturstudien in Öl nach
südfranzösischen Motiven, die in den Jahren 1850
bis 1854 entstanden sind, und durch eine Anzahl
von Bleistiftstudien aus Nürnberg, Regensburg und
einigen Harzstädten (1861—1865) kennen. In ihnen
zeigt er sich als tüchtiger und verständnisvoller
Architekturzeichner, der namentlich auch die kolo-
ristischen Reize von Innenräumen aus altem Haus-
rat und verlassenen Winkeln herauszuspinnen weiß.

Zu „Luthers Bibelübersetzung" (1870) und dem
„Zuge des Todes" (1876) hat die Nationalgalerie
kürzlich noch ein drittes flgurenreiches Bild: „Hans
Sachs, seine Dichtungen vorlesend" (1871), erworben,
das unter den Bildern Spangenbergs aus dem Re-
formationszeitalter koloristisch am höchsten steht.
Die Lebhaftigkeit, der leuchtende Glanz der Lokal-
farben sind hier zu einer feinen Harmonie abge-
dämpft, die später im Schaffen des Künstlers immer
seltener wurde. Den höchsten Grad von leuchten-
der Farbenpracht hat er, ohne durch harte und
grelle Kontraste zu verletzen, in einem Cyklus von
fünf Bildern erreicht, die das Märchen von der
Königstochter und dem Riesen auf zwei großen Ta-
feln und die Personifikationen des Rüdesheimers,
der Liebfrauenmilch und des Burgunders auf drei
schmalen Zwischenbildern darstellen. Sie bildeten
den Wandschmuck eines Zimmers in seinem Hause.

Was er nach dem „Zuge des Todes" geschaffen,
stellt sich als ein langsames Herabsteigen von der
mit jenem Bilde erklommenen Höhe dar. Weder
mit der Allegorie „Am Scheidewege" noch mit dem
„Irrlicht" und den „Heiligen Frauen am Grabe
Christi" (1880) erzielte er einen durchgreifenden Er-
folg. Noch im Jahre 1891 vollendete er ein grö-
ßeres religiöses Gemälde: „Domine, quo vadis"?
(Christus dem geflohenen Petrus vor den Thoren
Roms erscheinend), dessen feierliche, landschaftliche
I Stimmung. leider durch die Trockenheit der Farbe
 
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