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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Rosenberg, Adolf: Das Projekt für den Berliner Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0202

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oder, wie man jetzt in den Bauzeitungen sagt, der
Verfasser des Planes hatte in doppelter Hinsicht eine
gebundene Marschroute vor sich. Auf der einen
Seite der Bauplatz, auf der andern Seite der Ent-
wurf des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, des späteren
Kaisers Friedrich, der auf diesen Bauplatz gegründet

dieses unorganische Anhängsel an der Nordseite ab-
schnitte, würde man ein einheitliches Ganzes ge-
winnen, und das, was man dem Entwürfe am meisten
zum Vorwurf macht, die Nachahmung der Peters-
kirche, würde vielleicht dem Bau zum Vorteil ge-
reichen. Dann könnte der große Baugedanke Michel-

Westfassade des Domentwurfs für Berlin.

und von Raschdorff selbst in künstlerische und tech-
nische Form gebracht worden ist. An diesem
Plane festzuhalten, war der Wunsch Kaiser Wil-
helms IL, der nur der Überlieferung seines Hauses
folgt, wenn er in pietätvoller Sohnespflicht die künst-
lerischen Gedanken seines Vaters zu verwirklichen
strebt. Raschdorff hat gewiss seine ganze Kraft
aufgeboten, um aus diesem Dilemma mit Ehren
herauszukommen. Aber die Fassade bleibt Kulisse,
bleibt Theaterdekoration, wenn man sich nicht ent-
schließen kann, die Gruftkirche Preis zu geben und
für sie irgendwo anders einen passenden Platz zu
suchen. Zeit dazu ist noch genug. Wenn man

angelos, der durch die Anfügung eines Langhauses
so arg verstümmelt worden ist, verkörpert werden,
und diese Art der Nachahmung würde keinem mo-
dernen Architekten zur Unehre gereichen. Die Bil-
dung der Fassade deutet übrigens darauf hin, dass der
fürstliche Erfinder des Planes und sein künstlerischer
Ratgeber bedacht gewesen sind, die Mängel der
Peterskirche zu vermeiden. Die beiden kleinen Kup-
peltürme an den Ecken der Hauptfront zeigen, um
wie viel wirkungsvoller die Fassade der Peterskirche
ausgefallen wäre, wenn das unglückliche Langhaus
nicht die Perspektive verschoben hätte, und dass die
Absicht Berninis, zwei seitliche Glockentürme zu er-
 
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