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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Der Ausbau des Doms zu Trier
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0287

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561

Der Ausbau des

Doms zu Trier.

562

allen weiteren Restaurirungsarbeiten zurück. Ein-
zelne Kunstkenner stimmten aber dem Domkapitel
bei, ja sie erklärten, wenn das Transept nicht
wäre, so müsste man es noch jetzt anlegen, um die
Monotonie des langgestreckten Kirchenschiffes auf-
zuheben. So erhielt denn auch in jüngster Zeit bei
der Beratung des Domkapitels mit den höchsten
staatlichen und fachmännischen Autoritäten das Pro-
gramm von Wilmowsky's die bedeutende Modifika-
tion: alle einer jüngeren Kunstperiode angehörenden
Bauten sollen, wenn sie nur in ihrer Art wahre Kunst-
werke darstellen, erlialten werden. Dahin gehört zu-
nächst das Querschiff, dazu auch die Schatzkammer
und die Marmorgalerie im Chor mit Aufsatz.

Auf welche Teile soll sich denn aber die beab-
sichtigte weitere Eestauration erstrecken ? Nach den
im Detail ausgearbeiteten Plänen soll dem spät-
gotischen Aufsatz des südwestlichen Glocken-
turmes ein stilgerechter schlanker Helm aufgesetzt
werden und der um ein Stockwerk erhöhte ansto-
ßende Treppenturm seine ursprüngliche Gestalt wie-
der erhalten. Der reichen Westfassade soll durch
Abtragung des falschen Giebels und durch Wiederher-
stellung aller Lichtöffnungen und romanischen Ver-
zierungen ihre ehemalige majestätische Würde zu-
rückgegeben werden. Infolge der Beseitigung des
Giebels muss die ganze Bedachung um mehrere
Fuß flacher gelegt werden. Dies wird keinem Be-
denken unterliegen, da die neue Bedachung mit
Kupfertafeln vorgesehen ist, die beiden Westtürme
aber durch diese Änderung wie ehedem weit kräf-
tiger hervortreten werden. Vor den Seitengalerien
zur verkürzten Umfassungsmauer hin befinden sich
jetzt keine Dächer zur Abführung von Regenwasser
und Schnee; diese fallen vielmehr in Bassins, deren
Druck die Gewölbe der Seitenschiffe belastet und
ernstlich gefährdet. Diese Wasser- und Schneebe-
hälter sollen entfernt und statt derselben möglichst
flache Dächer von der Umfassungsmauer zu den
Galeriefenstern geführt werden.

Im Innern der Kirche ist schon die östliche
Krypta und der Kapitelsaal kunstgerecht restaurirt und
begonnen, den Chor mit Glasmalereien zu schmücken,
und zwar mit solchen, welche keine Selbständigkeit
und Prädominanz beanspruchen, sondern sich be-
scheiden der Architektur unterordnen, und aus der
Kirche nicht eine Camera obscura machen. Für das
Sanctuarium ist ein reicher Hochaltar nebst bischöf-
lichem Throne vorgesehen. Der Chor wird vielleicht
einen Mosaikbodenbelag erhalten und nach Wieder-
herstellung der verkürzten Chorschranken ein würdiger

Chorabschluss mit kleinen Altären die Restauration
dieses Teiles vollenden. Dass das große Orgelwerk
mit seinem Unterbau von ionischen Säulen aus
dem Westchor entfernt werden muss, ist selbstver-
ständlich, auch muss aber das ganze Mobiliar der
Kirche im romanischen Stile erneuert werden. Zur
Ausschmückung des Innern steht zwar nicht mehr
der antike Marmor, das Mosaikgetäfel und der
Goldreichtum wie ehedem zur Verfügung, aber der
Pinsel unserer besten Maler wird sich jahrelang be-
mühen, die Wandflächen, die Gewölbe, die Kreuz-
pfeiler und Schwibbogen mit bildlichen Darstellungen
und Ornamenten zu zieren.

Man kann diesem Projekt, über welches sich
Regierung und Kapitel in den wichtigen Punkten
geeinigt haben, zustimmen: der Stellung des Quer-
schiffes, Verlängerung des erhöhten Chors an die
gekürzte halbe Bogenstellung, Aufstellung des'Hoch-
altars im Sanctuarium möglichst nach vorn.

Was nun die heute noch zweifelhaften Punkte
angeht, so bleibt die Schatxlcammer erlialten. Es ist
dies der achteckige Barockbau, den Erzbischof Johann
Hugo um 1700 an den Chor anbauen ließ. Dieser Bau ist
außen und innen eine Perle des Barockstils, von zier-
lichster Durchbildung und legt sich an die Apsis an,
ohne dieselbe wesentlich zu stören. Ja, die malerische
Wirkung dieser Verbindung des altehrwürdigen ro-
manischen Riesenbaues und des kleinen, wie ein Spiel-
zeug danebenstehenden Bauwerkes erregt die Freude
aller Kunstfreunde. Mit der Erhaltung dieses Baues
hängt zusammen die Konservirung der Marmortreppe
im Chor, die den Zugang zur Schatzkammer ver-
mittelt. Sie wird selbst bei Wiederherstellung des
Chores in den alten romanischen Formen ohne irgend-
wie den Gesamteindruck zu stören, zum größten
Teil durch den Hochaltar verdeckt werden, und so-
mit den größten Stilpuristen keinen Anlass zur Klage
geben.

Die zweite Kardinalfrage ist die Freilegung des
Westchors. Wie in Mainz und Essen, so findet sich
am Trierer Dom ein gewaltiger romanischer Westchor
angebaut. Derselbe ist im vorigen Jahrhundert
gleichfalls mit Stuck ausgekleidet und würden diese
Arbeiten, die in gewaltiger Höhe von großartiger
Wirkung sind, vielleicht zu erhalten sein.

Dagegen muss unter allen Umständen das Orgel-
werk mit dem Unterbau von ionischen Säulen entfernt
werden. Quer durch den Triumphbogen des West-,
chores zieht sich nämlich zur Stütze der riesigen Orgel
eine Halle von vergoldeten ionischen antiken Säulen,
nach Entwürfen Schinkels hergestellt: man sollte es
 
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