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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Rembrandts Deckenbild für das Amsterdamer Rathaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0291

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569

Rembrandts Deckeiibild für

das Amsterdamer Rathaus.

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REMBRANDTS DECKENBILD FÜR DAS
AMSTERDAMER RATHAUS.

Vor wenigen Monaten überraschte der Stadt-
archivar Dr. jur. de Roever in Amsterdam (in „Oud-
Holland", IX, 297) die Kunstforscher mit der Nach-
richt, dass auch Rembrandt seiner Zeit den Auftrag
erhalten hätte, für das Rathaus zu Amsterdam ein
Gemälde zu liefern. Laut eines notariellen Aktes,
den Roever gefunden hatte, bestimmte nämlich Rem-
brandt den vierten Teil des Honorars für dieses Bild
zur Tilgung einer Schuld von 1082 Gulden. Das
Renibrandtsche Werk glaubte man in dem Bilde der
nächtlichen Verschwörung der Bataver unter Claudius
Civilis gegen die Römer wiederzuerkennen, das sich
neben andern Bildern in einem Bogen der Galerie
des Rathauses befindet. Die Untersuchungen, die
man sogleich anstellte, haben nun allerdings ergeben,
dass dieses Gemälde nicht von Rembrandt ist, ob-
gleich Melchior Fokkens in seiner Beschreibung des
Amsterdamer Rathauses aus dem Jahre 1662 Rem-
brandt ausdrücklich als den Urheber der Schilderung
jener nächtlichen Verschwörung bezeichnet. Ja selbst
für das Hauptwerk des Jurriaen Ovens, als welches
Zesen es 1664 in seiner Beschreibung von Amster-
dam bezeichnet, erschien das Bild jetzt nicht gut
genug.

Mit Recht fragt man sich: wo ist denn da das
Rembrandtsche Gemälde geblieben? Fokkens könnte
sich ja schließlich geirrt haben, wenngleich auch
das wenig wahrscheinlich ist, aber der notarielle
Akt ist doch nicht aus der Welt zu schaffen. Die
Frage beantwortet Herr Hofstede de Groot, der zweite
Direktor des Haager Museums in ausreichender und
durchaus befriedigender Weise. Bekanntlich befindet
sich im Museum zu Stockholm ein Bild aus Rem-
brandts letzter Zeit, das eine Verschwörung, einen
gemeinsamen Schwur darstellt. Um eine lange Tafel
sitzen und stehen elf Personen. Das Haupt der Ver-
sammlung, ein bejahrter Mann mit nur einem Auge,
der an erhöhter Stelle sitzt, hält ein großes Schwert
mit der Hand in die Höhe; zwei Personen zu seiner
Rechten und drei links von ihm berühren mit ihren
Schwertern das seinige, ein sechster hält die rechte
Hand in die Höhe, die übrigen verfolgen aufmerk-
sam den Verlauf der Dinge. Der Vorgang wird
durch eine Kerze erleuchtet, die der Körper eines
der Männer verdeckt. Man hat dieses Bild, das ohne
allen Zweifel einen gemeinsamen Schwur darstellt,
als den Schwur Ziskas bezeichnet, weil dieser ein-
äugig war. Da aber Rembrandt bekanntermaßen

niemals den Stoff eines seiner Bilder aus der mittel-
alterlichen oder neueren Geschichte gewählt hat, so
schlug Anton Springer mit weit größerer Wahr-
scheinlichkeit, das Richtige zu treffen, vor, das Bild die
Vision des Judas Makkabäus zu nennen, wofür die
alttestamentliche Auffassung des ganzen Vorgangs
sprach. Endlich hat Karl Madsen in seinen schwe-
dischen Studien (Studier fra Sverige) das Bild als
die Stiftung des schwedischen Reichs durch Gott
Odin zu deuten versucht. Die Einäugigkeit des
Anführers gab auch hier den Schein des Richtigen.

Hofstede de Groot weist alle diese Deutungen
zurück und erklärt, indem er zugleich auf eine Skizze
im Kupferstichkabinett zu München verweist, das
Stockholmer Gemälde für das in Rede stehende Bild
Rembrandts für das Amsterdamer Rathaus. Die
Münchener Skizze ist offenbar für ein größeres Bild
bestimmt, als das Stockholmer ist. Es sind links
und rechts ungefähr acht Personen mehr darauf; doch
ist das Stockholmer Bild zweifellos beschnitten, denn
man sieht darauf eine Hand, deren Eigentümer fehlt.
Der Vordergrund der Skizze zeigt acht Stufen, die
zu einer Erhöhung führten, worauf die Tafel steht.
Oben bildet eine Art Gewölbe den Abschluss, durch
dessen Öffnungen man Bäume und die Zinnen eines
Kastells erblickt. Unten ist das Bild rechteckig, im
oberen Drittel abgerundet. Diese Form stimmt mit
dem Platze am Gewölbe des Amsterdamer Rathauses
durchaus überein. Auch sonst spricht Verschiedenes
für die Ansicht, das Stockholmer Bild sei das,
welches einst Fokkens dort sah. Die Hauptperson
ist einäugig. Das war Claudius Civilis nach dem
Berichte des Tacitus. Die Verschwörung geht nach
der Andeutung der Skizze im Walde vor sich; auch
das erzählt Tacitus von der Verschwörung der Bataver.
Endlich stimmt auch die Entstehungszeit des Bildes:
nach der gefundenen Urkunde und nach Fokkens
war das Bild 1662 an Ort und Stelle, und das Stock-
holmer Bild gehört nach seiner Malweise der Spät-
zeit Rembrandts an. Bode setzte es in das Jahr 1654,
giebt aber zu, es sei schwer, Rembrandts Werke aus
jener Zeit bis aufs Jahr genau anzusetzen. Das
Bild selbst trägt keine Jahreszahl.

Wie das Rembrandtsche Bild aus Amsterdam
nach Stockholm gekommen sei, erklärt Hofstede de
Groot durch folgende ansprechende Vermutung: Rem-
brandt malte das Bild nach der Münchener Skizze im
Auftrage des Amsterdamer Magistrats. Er malte es iu
dekorativer Weise, wie es der hohen Stelle, für die
es bestimmt war, angemessen war. Aus der Nähe
wirkte es natürlich schlecht. Dieser Umstand, wahr-
 
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