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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0026

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Kunstlitteratur. — Nekrologe.

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Mängel der Darstellungen Giotto's ganz übersahen und ihn
als den Begründer des „stile nuovo" priesen. Wir kunst-
geschichtlichen Betrachter müssen gleichsam zu Zeitgenossen
Giotto's werden, um zu empfinden, welche Künstlerkraft sich
in ihm birgt. — Und dies gilt von allen Meistern, von denen
der Gegenwart wie von denen der Vergangenheit: den Genius
begreift nur, wer sich ehrfürchtig in sein Wesen und Wer-
den vertieft.

Das Kunstverständnis ron heute. München. C. Fritsch.
1892. 67 S. 8.

* Diese anonym erschienene kleine Schrift, als deren
Verfasser wir wohl einen Münchener Maler der jüngeren
oder mittleren Generation anzunehmen haben, enthält in
etwas umständlicher Form so manche gute Gedanken und
gesunde Grundanschauungen, dass wir sie den Lesern und be-
sonders unsern maßgebenden Kunstbehörden zur Beachtung
empfehlen möchten. Der Autor klagt über die niedrige Stufe
des heutigen Kunstverständnisses, im Vergleiche mit dem
weitverbreiteten Sinne für Musik und Litteratur, und be-
schäftigt sich eingehend mit den Mitteln, diesen Zustand zu
verbessern. Vor allem wünscht er das Publikum darüber
gründlich aufgeklärt zu sehen, dass es nicht im Gegenständ-
lichen, „Begebenheitlichen" (wie er sagt), sondern allein in
der Art der Darstellung den Wert der Kunst suchen müsse.
„Die Schönheit im Leben und die Schönheit in der Kunst
sind zwei grundverschiedene Dinge.1' Für die Malerei ist
das „Prinzip der reinen Koloristik" das einzige wahrhaft
moderne Prinzip. — Dann sei mehr für den fertigen Künstler
zu thun, nicht alles und Übermäßiges für den lernenden.
Die Kunst braucht nicht nur Schulen und Stipendien, sondern
vornehmlich Aufträge. Ohne diese müsse sie verkümmern.
— Tn Sachen des Ausstellungswesens eifert der Autor lebhaft
gegen die übertriebene Ausländerei. Diese müsse den Aus-
ländern selbst verächtlich vorkommen. „Die übermäßige
Bevorzugung der fremden Kunst hat bei uns schon einmal,
in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, die
heimische Kunst zu Fall gebracht." — Nicht ohne Berech-
tigung führt der Autor Klage über die Präponderanz der
Architekten im modernen Kunstschul- und Gewerbewesen.
Er will, dass Maler und Bildhauer auch in diesen öffent-
lichen Angelegenheiten mitraten sollen. Der künstlerische
Geist der Architektur selbst werde gewinnen, wenn Maler
und Bildhauer den Einfluss auf ihr Schaffen zurückgewännen,
den sie in der Renaissance besessen. Am gefährlichsten aber
sei das in unserer Zeit so häufige Dreinreden von Laien bei
der Entscheidung der höchsten Kunstfragen. „Das Höhere
und Höchste zu verstehen, ist nicht Sache jedes gewöhn-
lichen Menschen, ebenso wie es für einen gewöhnlichen Vogel
schwer sein möchte, einem Adler in seinem Fluge zu folgen."

* „Die Baukunst der Qriechen" von Josef Dürrn, eine der
für unsere Leser besonders wichtigen Abteilungen des be-
kannten, bei Bergsträßer in Darmstadt erscheinenden „Hand-
buchs der Architektur", ist soeben in neuer, vollständig um-
gearbeiteter Gestalt erschienen. Das Decennium, welches seit
der ersten Ausgabe des Buches (1881) verflossen ist, hat uns
u. a. die epochemachenden Funde von Tiryns und Pergamon,
die großen Publikationen über Olympia und Kleinasien und
eine Reihe von Einzelforschungen und systematischen Werken
über die hellenische Architektur gebracht, so dass die ältere
Durm'sche Behandlung des Gegenstandes sich als an Haupt und
Gliedern unzureichend erwies. Der Verfasser begnügte sich
jedoch nicht mit einer sorgfältigen Ausnützung der neuesten
Litteratur für die Zwecke seines Buches, sondern verschaffte
sich selbst auch erneute Autopsie der klassischen Denk-
mälerstätten; er war demnach in der Lage, den modernen

Pfadfindern kritisch nachzugehen und ihre Resultate teils
nach eigener Anschauung zu bestätigen, teils zu ergänzen
und zu berichtigen. Der Umfang der zweiten Auflage ist
auf 386 Seiten angewachsen (gegen 247 der ersten). Auch
die Illustrationen sind durch viele neue, zum Teil von Dürrn
nach der Natur gezeichnete Stücke vermehrt. Eine ganz
besonders wertvolle Beigabe bildet das von dem rühmlichst
bekannten Archäologen Prof. Dr. F. von Dahn in Heidelberg
herrührende, musterhaft gearbeitete Register. Dasselbe ent-
hält nicht nur die alphabetisch geordnete Ubersicht über alle
in dem Buche behandelten Ortschaften und Denkmäler,
sondern in klein gedruckten Seitenkolumnen auch ein voll-
ständiges Verzeichnis der dazu gehörigen wichtigeren Litte-
ratur, unter Ausschluss des Veralteten und unter Weglassung
der bekannten Handbücher und Nachschlagewerke. Alles in
allem genommen, löst das Durm'sche Buch in der vorliegen-
den zweiten Bearbeitung die ihm gestellte Aufgabe, uns von
der Architektur der Griechen ein klares, wissenschaftlich
begründetes Bild zu geben, in vorzüglicher Weise, und darf
allen Architekten, Archäologen und Schulmännern aufs
wärmste empfohlen werden.

Die Schönheit. Vortrag von Dr. Gustav Glorjau, o. Prof.
d. Philosophie. Kiel und Leipzig, Lipsius & Tischer. 1892.
26 S. 8.

* Der Vortrag wurde im Saale der höheren Mädchen-
schule zu Kiel zum Besten des Gustav-Adolf-Vereines gehalten,
und hieraus erklärt es sich wohl, dass der Ton mehr dem
des protestantischen Kanzelredners als des ordentlichen Pro-
fessors der Philosophie entspricht. Mit den Grundanschau-
ungen des Autors können wir uns übrigens einverstanden
erklären. Er tritt mit Wärme für einen lebensvollen Idealis-
mus ein, wie ihn die Kunstheroen aller Zeiten lehren. „Körper,
Farben, Töne" — sagt er — „sind nicht an sich selbst schön ;
sie sind es nur, wenn und soweit sie die Bewegung des Lebens
ausdrücken, das aus verborgenen Tiefen in die Erscheinung
tritt." Seine Beispiele und Citate wählt der Autor am liebsten
aus der Bibel, aus Schiller und Beethoven. Von Goethe
schweigt er!

KUNSTLITTERATUR.

St. Von der Bibliotheque de V Enscigncment des Bcanx-Arts
ist soeben ein neuer Band erschienen und zwar von L. Palustre:
Die Architektur der Renaissance. Das Buch ist mit zahlreichen
Abbildungen nach photographischen Aufnahmen des Ver-
fassers geschmückt.

NEKROLOGE.

*i* Der Berliner Architekt Julius Ilenniclcc ist am
14. Okt. zu Konstanz im 61. Lebensjahre gestorben. Im
Verein mit seinem langjährigen Kompagnon van der Hude,
dem zumeist die künstlerische Gestaltung der Aufgaben oblag,
hat er in Berlin seit dem Ende der sechziger Jahre eine Reihe
von Monumentalbauten, Wohnhäusern und Villen geschaffen,
unter denen die großen Gasthäuser: Kaiserhof, Centralhotei
und Habsburger Hof, das Haus des Offiziersvereins und das
Lessingtheater die hervorragendsten sind. Als Schüler Hitzig"s,
unter dessen Leitung er den Börsenbau ausführte, hat er sich
zumeist in den Formen der italienischen Renaissance, später
auch, wie z. B. in der inneren Ausschmückung des Lessing-
theaters, im Rokokostil bewegt.

*** Der Geschichtsmaler Heinrieh Ainmüllcr, ein Sohn
des Glasmalers Max Ainmüller, ist am 7. Oktober in Salzburg
im 55. Lebensjahre gestorben. In der Münchener Glas-
 
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