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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Rosenberg, Adolf: Die grosse Berliner Kunstausstellung, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0264

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Die Große Berliner Kunstausstellung.

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1 Uhr: Gemeinsames Mittagessen im Württem-
berger Hof.

Nachmittags 3 Uhr: Sehluss der Besichtigung
der Sehenswürdigkeiten Nürnbergs.

Abends 7 Uhr: Gesellige Zusammenkunft in der
Rosenau.

Donnerstag den 38. September:

Ausflug nach Bamberg. — Abfahrt früh 7 Uhr
50 Minuten. Besichtigung der Sehenswürdigkeiten
Bambergs unter freundlicher Führung des k. Biblio-
thekvorstandes Herrn Dr. Leitschuh.

Anmeldungen und Zuschriften in Angelegenheiten des Kongresses sind an Herrn Direktor Hans
Boesch in Nürnberg (Germanisches Nationalmuseum) zu richten.

DIE GROSSE BERLINER KUNST-
AUSSTELLUNG.

IV.

Auch in diesem Jahre hat die deutsche Plastik,
die auf keiner anderen deutschen Jahresausstellung
reicher und imponirender auftritt als in Berlin, schon
aus dem rein äußerlichen Grunde, weil keine andere
deutsche Kunststadt so viele Bildner besitzt wie die
preußische Hauptstadt, ein weit höheres Durch-
schnittsniveau aufzuweisen als die Malerei. Es liegt
schon in der Natur des bildnerischen Stoffes, dass
sich der Dilettantismus in der Plastik nicht so breit
machen kann wie in dem weiten Bereiche der zeich-
nenden Künste, weil der Stoff kräftige Arme und
scharfe, gesund blickende Augen verlangt. Darum
ist auch die Plastik von den schädigenden Einflüssen
des verkehrten Naturalismus, der sein Ziel nur durch
Willkür und Roheit der Formenbehandlung zu er-
reichen sucht, freier geblieben als jedes andere Ge-
biet der Kunst. Selbst Naturalisten wie der Nor-
weger Stephan Sinding, der seit einigen Jahren in
Kopenhagen thätig ist, und der Münchener Joseph
Flossmann, lassen ihren ungestümen Schaffensdrang
immer noch innerhalb der durch das Material ge-
zogenen Grenzen der bildnerischen Form austoben,
wenn auch die Ausführung im einzelnen durchaus
malerisch ist und das Ganze auch noch durch far-
bigen Aufputz zur Konkurrenz mit einem Werke
der Malerei hinaufgeschraubt wird. Die in Berlin
ausgestellten Schöpfungen der beiden Künstler —
die Barbarenmutter, die die Leiche ihres gefallenen
Sohnes aus dem Kampfgetümmel fortträgt, und „Zwei
Menschen", ein sich im elementaren Ausbruch der
Leidenschaft umarmendes, nacktes Liebespaar von
Sinding und die Gruppe des nackten Weibes, das
seine Kinder vor einer drohenden Gefahr, anschei-
nend vor einer nahenden Wasserflut zu schützen
sucht, und die Büsten seiner Eltern von Flossmann
— waren nur für Berlin neu, wohin sie mit den
Münchener Sezessionisten gekommen waren. An

Sinding wird man, auch in seinen Ausschreitungen,
immer die geniale Kraft der Phantasie bewundern
müssen, ein Erbteil seiner nordischen Heimat, die
ihm die Gestalten der Recken, Natur- und Gewalt-
menschen eingiebt, die er im Stile des Naturalismus
der französischen Schule zur Erscheinung bringt.
Flossmann besitzt eine weit geringere Phantasie;
aber sein Formentalent ist dafür reicher, intimer,
feiner gebildet. Außerdem haben uns die Münch ener
Sezessionisten noch in der aus Holz geschnitzten
Figur eines betenden Mädchens, einer Naturnachah-
mung im besten Sinne des Wortes, von Georg Busch,
in der bronzirten, im Stile der florentinischen Früh-
renaissanceplastik komponirten und ausgeführten
Halbfigur einer Madonna mit dem Kinde, einem Ge-
bilde von höchster Anmut, von Josef Böhm, und in
einer humorvollen Brunnengruppe mit einer Satyr-
herme, die aus ihrem Munde einen Strahl auf einen
übermütigen Knaben herabschickt, von M. Gasteigcr
plastische Werke gebracht, die uns eine weit höhere
Achtung einflößen, als die meisten Malereien ihrer
ohne Wahl und Qual zusammengerafften Ausstellung.

Auf der letzten Münchener Jahresausstellung
waren auch die Werke des russischen, in Paris leben-
den Bildhauers Marcus Antokolsky zu sehen, dessen
beide Hauptwerke, die energisch aufgefasste, in
großem Stile erdachte und durchgeführte Kolossal-
statue Peter's des Großen und die Marmorfigur des
gefesselten, vor dem Volke stehenden Christus, ein
Werk von mehr pathologischem als künstlerischem
Interesse, seit fünfzehn Jahren die Wanderung durch
sämtliche nationalen und internationalen Kunstaus-
stellungen gemacht haben. Sonst war das Ausland
nur sehr schwach vertreten, was besonders für die
Italiener auffiel, deren Kleinplastik sich freilich rasch
überlebt hat, vielleicht auch vom deutschen Kunst-
markt durch die zum Teil ebenbürtigen, zum Teil
besseren Leistungen der deutschen und österreichi-
schen Bildner verdrängt worden ist. Als besonders
zierliche und glücklich erfundene Schöpfungen dieser
Kleinplastik heben wir aus der Masse nur die Sta-
 
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