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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Richter, Jean Paul: Die Winterausstellung der Londoner Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0159

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und DR A. ROSENBERG

WIEN
Heugasse 58.

BERLIN SW.
Teltowerstrasse 17.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. IL KÜHL, .Tägerstr. 73.

Neue Folge. IV. Jahrgang.

1892/93.

Nr. 19. 23. März.

Die Kunstclironik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshand-
lung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE WINTER AUSSTELLUNG DER
LONDONER AKADEMIE.

Die vierundzwanzigste Winterausstellung von
Werken älterer Meister in der Königlichen Aka-
demie in London enthält zwar mehrere Gemälde, die
ebenda schon in früheren Jahren zu sehen waren,
aber dem Interesse der Sammlung wird dadurch
nicht im mindesten Abbruch gethan. Die Mehrzahl
der 178 Werke von Meistern der italienischen, der
vlämischen , der holländischen zumal und auch der
einheimischen Schule müssen ebenso auf den Kunst-
freund wie auf den Forscher einen tiefen Eindruck
machen. Numerisch schwach vertreten ist nur die
spanische und die deutsche Schule. Von der erste-
ren kommt eigentlich nur Murillo mit drei hervor-
ragenden Werken in Betracht. Am bedeutendsten
ist die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten (Nr. 131)
aus der Sammlung des Earl of Strafford in Wrotham
Park, eines der liebreizendsten und bestechendsten
Werke Murillo's in England, von tadelloser
Erhaltung. Die Geschichte des Bildes giebt
Curtis unter Nr. 134, und es möge hier bei-
läufig bemerkt sein, dass die Frage, welche Curtis
aufwirft, ob das 1816 von G. Byng in der British
Institution ausgestellte, aus einem Kapuzinerkloster
in Genua stammende und 1810 für 1000 £ in
London verkaufte „Riposo" mit dem Strafford'schen
Bilde identisch sein könne, einfach zu bejahen ist,
weil „Bynch" der Familienname der Straffords ist.
Aus derselben Sammlung ist das Bild der lebens-
großen Gestalten des hl. Joseph, welcher den
Cliristusknaben an der Hand führt (Nr. 113), eines

von jenen Meisterwerken, zu deren vollem Genuss
der Weg durch die kaudinischen Pässe des Bigot-
tismus führt.

Während unter den Italienern des sechzehnten
Jahrhunderts nur weniges neben dem vielen Vor-
trefflichen von geradezu bestechender Wirkung ist,
ist das Verhältnis bei den Malern des fünfzehnten
Jahrhunderts eher das umgekehrte. Aus der an
Italienern reichen Sammlung in Locko Park ist vor
allem das sogenannte Porträt des Sigismondo Mala-
testa zu nennen, welches für Piero della Francesca
gilt (Nr. 146). Es ist ein im Profil nach links ge-
wandtes Brustbild eines etwa fünfzehnjährigen
Prinzen, das sich mir sofort als Werk des Francesco
Gossa von Ferrara-zu erkennen gab, und wer mit
den kostbaren Wandmalereien dieses Meisters im
l'alazzo Schifanoja sich vertraut gemacht hat, wird
gewiss dieser Bestimmung auch noch aus einem
Nebengrunde seinen Beifall nicht versagen. Jene
Fresken enthalten das Porträt des Borso inmitten
anderer Prinzen des Hauses Este und des Hofstaates.
Offenbar ist der Dargestellte auf dem Tafelbild auch
ein Prinz des Hauses Este; — aller Wahrscheinlich-
keit nach ist dies ein Jugendporträt des späteren
Herzogs Ercole I., von dem wir sonst nur Porträts
auf Medaillen, die seiner Regierungszeit angehören,
besitzen. Man vergleiche besonders die des Spe-
randio (Heiß PI. VII, 1) und des Coradini (Heiß
PI. V, 1, 3—7). Ich möchte dieser Neubestimmung
deswegen ein besonderes Gewicht beilegen, weil an
ihr das Recht jüngster Neutaufen von Porträts auf
Cossa's Namen bemessen werden sollte.

Drei Porträts der Ausstellung führen den Namen
 
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