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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Aus eines Bildners Seelenleben: Plastik, Malerei und Poesie
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0069

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blick auf den Geist seiner Werke, als auf ihre Form,
denn äußerlich bleiben seine Gestalten in der
weichen Fülle ihrer Glieder und in der malerischen,
auf das Momentane gerichteten Auffassung der Ba-
rockplastik näher als der Antike, und dem entspricht
auch das effektreiche Pathos, welches er zuweilen
erstrebt und erreicht. Zweifellos hat anakreontische
Poesie die Geburtsstunden seiner glücklichsten
Schöpfungen verklärt. Auch in seinen Gedichten
klingt sie wieder. Sie bergen keinen tiefen Ge-
dankeninhalt und nur selten stürmische Leidenschaft,
wohl aber einen allem Schönen offenen Sinn. Lenz
und Liebe, Jugend und Naturpoesie sind die viel-
fach variirten Grundthemata, in welche stets von
neuem der Dank an den Schöpfer für die Schaffens-
kraft tönt.

Bisweilen sind sie dithyrambisch gehalten, meist
aber spricht die anakreontische Muse in leichten,
gefälligen Versen. Dass die letzteren oft nicht so
vollendet und geglättet sind, wie Eberlein's Bild-
werke, wird dem Künstler niemand verübeln, zumal
einzelne Gedichte, wie „Lebenspfad", „"Wilde Rosen",
„Am Hange", „Glockenblume", „Maiglöckchen",
.Pantöffelchen", „Der sterbende Krieger", „Gebet",
auch dem zünftigen Dichter Ehre machten. Beruht
doch auch der Wert dieser Veröffentlichung weniger
in ihren Einzelheiten, als in ihrer ganzen Tendenz,
welche im Gegensatz zu den Mächten, die heut' im
Reiche der Kunst die Herrschaft führen, für den
Idealismus eintritt, und die heut' so häufig geleug-
nete Verbindung zwischen dem, was die Hand schafft
und was die Seele empfindet, in den Worten bekennt:
„Es soll, wie ein Motiv durch Melodien,
Des Künstlers Wesen sieh durch seine Werke ziehen."
Die vignettenartigen Umrahmungen der Bild-
werke — meist Landschaften und Blumen — zeugen
von feinem künstlerischen Takt und dekorativem
Geschick, und einige der selbständigen Entwürfe,
wie beispielsweise das Bauernkind mit dem Blumen-
strauß, lassen Eberlein's Begabung in neuem Lichte
erscheinen, während andererseits auch aus diesen
Aquarellen zuweilen die etwas süßliche, gar zu
„ideal" verflüchtigte Weise spricht, welche einzel-
nen Eberlein'sehen Frauenfiguren die rechte Lebens-
frische nimmt. — Das aber sind Bemerkungen,
welche nur an dieser Stelle berechtigt sind: als
Prachtwerk für das deutsche Haus ist diese Publi-
kation mit rückhaltloser Freude zu begrüßen, und
besondere Anerkennung gebührt der Verlagsbuch-
handlung für die vornehme, in allen Teilen trefflich
gelungene Ausstattung. Derartige Publikationen

pflegen in Frankreich zeitweilig zur Modesache zu
werden: bei uns verhält man sich ihnen gegenüber
leider meist spröde. Mögen diese Zeilen dazu bei-
tragen, diese Sprödigkeit zu überwinden!

BÜCHERSCHAU.

Karl Heineniann. Goethe's Mutter. Ein Lebensbild nach
den Quellen. Vierte Auflage. (Leipzig, Artur Seemann,
geb. 8 Mk.)

Wenn ein streng wissenschaftlich gehaltenes Buch in der
kurzen Frist von einem Jahre und zwei Monaten es zu vier
Auflagen bringt, so muss das ganz besondere Ursache haben.
Einmal ist ja der Gegenstand des Buches ein überaus glücklich
gewählter. Goethe's Mutter! Wem geht nicht bei diesem Namen
das Herz auf? Seit der Zeit, wo der Dichter selbst in Dichtung
und Wahrheit ein Bild seiner Mutter entworfen, seit der Ver-
öffentlichung von Bettina's Briefwechsel mit einem Kinde,
der neben dem großen Dichter seine Mutter scharf in den
Vordergrund stellte, hat die prächtige Frau nicht aufgehört,
ein Liebling des deutschen Volkes zu sein. Aber zu zweit
gebührt doch dem Verfasser des Buches das größte Verdienst
daran, dass sein Werk so gut „gegangen" ist. Es war eine
tüchtige Aufgabe, das nachgerade massenhaft aufgespeicherte
historische Material kritisch zu sichten, zu durchdringen und
zu benutzen. Wenn Verfasser als Mann der Wissenschaft jeden
Blender verschmähte, wenn er in seiner Entsagung oft so weit
ging, Frau Rat lieber mit eigenen Worten sprechen zu lassen,
als selbst das Wort zu nehmen, so hat er vielleicht denen,
die durch Lektüre erregt, nicht angeregt sein wollen, nicht
Genüge gethan, wohl aber allen, die nach des Tages Arbeit
noch ein Stündchen denkender Einkehr bei den großen Geistern
der Nation halten wollen. Und endlich zum dritten: der Ver-
lagshandlung gebührt ein großer Anteil an der Verbreitungs-
fähigkeit des Buches. Sie hat es schon bei der ersten Auf-
lage mit Illustrationen ausgestattet, die beim Lesen nicht
störten, sondern anzogen, nicht unterbrachen, sondern auf
den Text nur noch mehr aufmerksam machten. Wir haben
bei einer Besprechung der ersten Auflage die reichhaltigen
Kunstbeilagen des Buches bereits gewürdigt. Es wird dem
Charakter dieser Zeitschrift angemessen sein, wenn wir auf die
Vermehrung der Kunstbeilagen, welche die dritte und die vierte
Auflage erfahren hat, hauptsächlich eingehen. Im ganzen haben
wir 18 solcher neuen Beilagen gezählt. Davon sind einzelne
an die Stelle bereits vorhandener getreten, das Goethehaus
in Frankfurt z. B. ist nach einer im Jahre 1890 angefertigten
Photographie gegeben, anstatt nach der Abbildung aus Kön-
necke's Bilderatlas, der Holzschnitt nach dem Bilde Goethe's
von May ist jetzt durch eine Heliogravüre ersetzt, Lili's Bild
nach einem im Goethehause in Frankfurt befindlichen Stich
hier mitgeteilt. Die Heliogravüre nach dem May'schen Bilde
scheint nach der von der Verlagsbuchhandlung Cotta vor
einigen Jahren herausgegebenen Photographie gemacht zu
sein, die leider allzustark retouchirt worden ist, so dass das
Bild in Heinemann's Buch etwas Gelecktes bekommen hat.
Ganz anders wirkt eine Photographie ohne Retouche, wie sie
unser verstorbener Zarncke für seine Sammlung hat anfertigen
lassen. Bei Lili's Bild scheint es dem Herrn Verfasser entgan-
gen zu sein, dass es bereits in Jügel's Buch, das Puppen-
haus, veröffentlicht worden ist. Es ist bei Jügel leicht
kolorirt, die Züge sind noch etwas schärfer als in der hier
vorliegenden Reproduktion, Lili sieht dort entschieden älter
aus als hier. Wir hätten aber, offen gestanden, an dieser
 
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