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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Rosenberg, Adolf: Die grosse Berliner Kunstausstellung, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0265

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tuetten von Mozart und Beethoven von R. Weigl in
Wien, die auf der Mondsichel ruhende Venus mit
dem durch Amor personifizirten Abendstern von Hans
Rathauskg in Wien, die Bronzefigur eines träumen-
den nackten Mädchens von Stanislaus Gaucr in Rom,
die Bronzefigur einer Susanna im Bade von Th.
Heinrich Bäumer in Dresden, die nackte Figur eines
Wasser schöpfenden Mädchens von Johann Götz in
Berlin, der auch in dem Relief eines antiken Ring-
kampfes eine nicht gewöhnliche Kenntnis der per-
spektivischen Gesetze des Reliefstils gezeigt hat, die
Figur eines kegelschiebenden Bierphilisters von
W. Haverkamp in Berlin, die nackte Phryne vor
Gericht von Otto Petri in Pankow bei Berlin und
die vornehme Marmorfigur der Aspasia, die eine von
ihrer Rechten gehaltene bronzene Nike sinnend be-
trachtet, von Otto Riesch in Berlin hervor.

Dass die Monumentalplastik in Berlin in hoher
Blüte und voller Schaffenskraft steht, ist, wenn man
in Betracht zieht, dass die Aufträge für Kaiser-,
Sieges- und sonstige Denkmäler einmal abnehmen
können, kein so günstiges Zeichen wie die stärkere
Pflege der Idealplastik, die auf dieser Ausstellung
so hervorragende Schöpfungen vorführt, dass die
deutsche Plastik auch in dieser Gattung bald nicht
mehr hinter der französischen zurückstehen wird.
Werke, wie die nackte arabische Schwerttänzerin
mit dem nicht schönen, aber echten Rassentypus von
A. Brütt, die sich dem breiten Rücken des Stiers
anvertrauende Europa von M. Ungar, das junge, zwei
Amphoren tragende Mädchen, das die krönende
Figur eines glücklich komponirten Wandbrunnens
bildet, von C. v. Ucchtritz, die Sirene, die einen
widerstrebenden Jüngling in ihre verderbliche Um-
armung zwingt, von R. Ohmann, der nackte bärtige
Bildhauer von Michelangeleskem Typus, der bei der
Bearbeitung einer kolossalen Zeusbüste sinnend inne-
hält, von F. Lepcke, die schwungvoll bewegten, lam-
pentragenden, nackten Figuren eines Jünglings und
eines Mädchens, die für die Friedrichsbrücke in Berlin
bestimmt sind, von Carl Piper, sind Zeugnisse tief
eindringenden Studiums des menschlichen Körpers,
das zu völliger Beherrschung der Form gelangt und
zugleich durch Geschmack und Adel der Auffassung
geläutert ist. Es liegt also nicht an dem Mangel
an Können, dass solche Werke bei uns im Vergleich
zu Frankreich immer noch selten sind, sondern am
Mangel an Verständnis und Entgegenkommen im
kaufkräftigen, kunstliebenden Publikum, das lang-
sam über dem Bedarf an Porträtbüsten und Grab-
denkmälern eben erst beim Geschmack an der Klein-

plastik angelangt ist. Mit wenigen Ausnahmen hat
also immer noch der Staat das nobile officium, die
Idealplastik großen Stils zu unterstützen, allein zu
erfüllen.

In der Pflege der Monumentalplastik haben ihm
jetzt große und kleine Gemeinwesen einen Teil seiner
Pflicht abgenommen. Unsere Ausstellung hat an
solchen Denkmälern, deren Kosten im wesentlichen
durch Gemeindemittel und freiwillige Beiträge be-
stritten worden sind, die Kaiser Wilhelm-Denkmäler
für Mannheim und Elberfeld von Gustav Eberlein,
für Bremen von Robert Baerwald, für Görlitz mit
den Statuen Bismarcks und Moltke's an den Lang-
seiten des Sockels von Pfuhl, für Bromberg von
A. Calandrelli, durchweg kolossale Reiterstandbilder,
zum Teil mit reichem Gruppen- und Reliefschmuck
am Sockel, das Standbild Kaiser Friedriche für
Spandau von Albert Manthc, das kolossale, in echtem
Monumentalstil ausgeführte Standbild des Marschalls
Blücher für Caub am Rhein von F. Schapcrxmd das durch
feine, geistvolle Charakteristik ausgezeichnete Bronze-
standbild des Bischofs Bernward, das sich auf einem an
den Ecken mit romanischen Marmorsäulen besetzten,
an drei Seiten mit Bronzereliefs geschmückten Granit-
sockel erhebt, für die Stätte seines segensreichen
Wirkens, Hildesheim, von F. Hartzer aufzuweisen.
Bei den Denkmälern Eberlein's sind die poesie- und
schwungvollen, von flammender Begeisterung getra-
genen Sockelgruppen weit genialer als die für beide
Denkmäler identische Reiterfigur und die Reliefs,
in denen der malerische Stil mit den Anforderungen
der geschichtlichen Realität in Zwiespalt geraten ist.
Sehr glücklich erfunden, reich an fesselnden Einzel-
heiten und wirksam im Aufbau sind auch die beiden
für das Treppenhaus des Stuttgarter Museums be-
stimmten Gruppen Eberlein's: „Der Friede sichert
die Kraft-des Landes" und „Die Landwirtschaft und
der Reichtum des Landes". Das sind keine trocke-
nen Allegorieen, sondern Abbilder blühenden, von
idealer Auffassung getragenen Lebens.

Auch in der Porträtbildnerei ist der Dilettan-
tismus so in den Hintergrund gedrängt worden, dass
man kaum noch über völlig interesselose Arbeiten
zu klagen Grund hat. Desto größer ist die Fülle
der durch geistige oder technische Vorzüge fesseln-
den Büsten und Reliefs, aus denen wir nur die Mar-
morbüste des verstorbenen Hamburger Bürgermeisters
Petersen von B. Kruse, auch ein vollkommenes Ab-
bild der Natur, aber nicht im Stile Liebermann's,
die Büsten der Schriftsteller H. Seidel und J. Trojan
von Harro Magnussen und die Reliefporträts seiner
 
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