Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

DOI Artikel:
Rosenberg, Adolf: Georg Bleibtreu
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0032

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
bi

Georg Bleibtreu f.

52

standen, und wie er ihre Leiden zu ergreifendem
Ausdruck gebracht hat, so hat er auch immer am
hellsten gejubelt, wenn das Befreiungswerk gelungen
war. Solcher Befreiungen hat er viele gesehen: von
Schleswig-Holstein bis Elsass-Lothringen, und er hat
die Großthaten, die dazu geführt haben, durch die
stürmische Beredsamkeit seiner Kunst verherrlicht.
Aber sein vielumfassender Geist sah darin noch nicht
das Endziel seines nationalen Strebens. Seit zehn
Jahren beschäftigte ihn ganz besonders die Lage der
Deutschen in Siebenbürgen, und mit voller Be-
geisterung suchte er nach seinem Teil dahin zu
wirken, dass auch dort wieder die deutsche Volks-
kraft erwache, um dem Ansturm der Magyaren und
Slaven die Stirn zu bieten.

Wenn das künstlerische Rüstzeug, das Bleib-
treu von der Düsseldorfer Akademie mit sich fort-
nahm, auch seinem Thatendrang nicht genügen
wollte, so hat er doch sicherlich in Düsseldorf den
Grund zu jenem Stilgefühl gelegt, das ihn später
über viele seiner Mitstrebenden erhob. Eine Reihe
von Jahren nach jenen ersten Erfolgen hatte er frei-
lich keine Gelegenheit, dieses Stilgefühl an irgend
einer größeren Aufgabe zu erproben, obwohl er un-
ermüdlich Gefechtsscenen und Schlachtenbilder malte,
deren Motive teils jener Schleswig-Holsteinischen
Bewegung, zum größeren Teile der Zeit der Befrei-
ungskriege von 1813—1815 entnommen waren. Aber
gerade solchen Bildern war die Stimmung und
geistige Richtung der offiziellen Kreise in den fünf-
ziger Jahren nichts weniger als günstig, und nach-
dem Bleibtreu 1858 nach Berlin übergesiedelt war,
sah er sich sogar genötigt, sich durch Anfertigung
von Illustrationen und Steinzeichmmgen die Sorge
um den eben gegründeten Hausstand zu erleichtern.
Dass er auch auf diesen Zweig künstlerischer Thätig-
keit den gleichen Fleiß und dieselbe Begeisterung
verwandte, wie auf seine Gemälde, zeigen besonders
die in Holz geschnittenen Illustrationen zu der
Sammlung „Deutschlands Kampf- und Freiheitslieder"
(Leipzig, 1862—63). Das Jahr 1864 brachte ihm
endlich die Aufgaben, nach denen er sich so lange
gesehnt hatte. Aus demselben Boden, der 16 Jahre
zuvor nur jene Niederlagen deutschen Heldentums
gesehen, die sein Pinsel geschildert, erblühten jetzt
Siege auf Siege, die er in einer Anzahl kleinerer
Bilder und auch in einem großen figurenreichen Ge-
mälde verherrlichte, das den Übergang der preu-
ßischen Truppen nach Alsen darstellt (jetzt in der
Berliner Nationalgalerie). Er hatte dieses Bild noch
nicht vollendet, als ihm der Ausbruch des preußisch-

österreichischen Krieges Gelegenheit bot, seine Stu-
dien unmittelbar vor der schreckensvollen Natur zu
machen. Im Hauptquartier des Prinzen Friedrich
Karl war er Zeuge der bedeutungsvollsten Ereig-
nisse des Krieges, und trotz seines zarten, schwäch-
lichen Körpers trug er alle Beschwerden, Mühsal
und Entbehrung mit dem unverwüstlichen Frohsinn
des Rheinländers und gehoben durch die Uberzeu-
gung, jetzt endlich zur Erreichung der höchsten
Ziele seiner Kunst gerüstet zu sein. Den Glanz-
und Höhepunkt seiner Schöpfungen, zu denen ihm
seine in Böhmen gemachten Studien und Beobach-
tungen die Stoffe boten, bezeichnet die ebenfalls in
der Berliner Nationalgalerie befindliche „Schlacht
bei Königgrätz", die Abwehr eines Angriffs öster-
reichischer Kavallerie auf den Standpunkt des könig-
lichen Hauptquartiers. Doch war es ihm vergönnt,
eine noch höhere Staffel seiner Kunst zu erklimmen.
Durch seine Werke und die Vorzüge seiner Persön-
lichkeit hatte er die Gunst des Kronprinzen Friedrich
Wilhelm gewonnen, in dessen Gefolge er dem deutsch-
französischen Kriege von Wörth über Sedan bis
Paris beiwohnen durfte. Mit rastlosem Fleiße machte
er sich nach seiner Heimkehr an die künstlerische
Gestaltung seiner Entwürfe, und schon 1871 begann
mit den „Bayern vor Paris", womit er seinem
Freunde, dem General v. Hartmann, ein ehrenvolles
Denkmal setzte, jene lange Reihe von Werken, die
Bleibtreu's Namen für immer eng mit der großen
Zeit von Deutschlands Wiedergeburt verknüpft haben.
Noch in seinem Todesjahre fügte er zu dieser Reihe
einen würdigen Schlussstein in dem Bilde „Kaiser
Friedrich in der Schlacht am Mont Valerien", worin
sich sein feiner Sinn für farbige Stimmung unter
einem beherrschenden Grundton noch einmal in alter
Kraft offenbarte. Es ist besonders charakteristisch
für seine Kunst, dass er niemals den Gegenstand
einem feststehenden koloristischen System unter-
ordnete, sondern die koloristische Haltung aus der
Natur des Motivs entwickelte. Daraus erklärt sich
die große Mannigfaltigkeit, die seine Gemälde in der
koloristischen Behandlung aufzuweisen haben, aber
auch ihre Lebensfrische und ihre überzeugende Wahr-
heit. Es giebt Bilder Bleibtreu's — wir citiren
nur die Zusammenkunft der Generale v. Moltke und
v. Wimpffen und ihrer Begleiter am Abend des
1. September vor Sedan und die Flucht Napoleon's I.
nach der Schlacht bei Belle-Alliance, — die etwas
von der fascinirenden, beinahe dämonischen Wirkung
Rembrandt'scher Helldunkelstücke an sich haben.
In diese letzte Periode seines Schaffens, deren
 
Annotationen