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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Über den Anteil der mathematischen Wissenschaften an der Kultur der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0047

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und DR. A. ROSENBERG

WIEN BERLIN SW.

Heugasse 58. Teltowerstrasse 17.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

^Neue Folge. IV. Jahrgang. 1892/93. _Nr. 6. 24. November.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, a 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshand-
lung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

IBER DEN ANTEIL DER MATHEMA-
TISCHEN WISSENSCHAFTEN AN DER
KULTUR DER RENAISSANCE»).

Dass die Wissenschaft neben der Kunst einen
Hauptanteil an der Kultur des Renaissancezeitalters
hat, wissen wir alle. Aber selten wurde uns diese
Thatsache für eines der wichtigsten Gebiete der
W issensch af t, die mathematische Disziplin, mit glei eher
Klarheit und mit so weitem Blicke dargelegt, wie
in dem oben bezeichneten Vortrage der Virchow-
HoltzendorfFsehen Sammlung, der überhaupt als ein
kurzes Resume der Geschichte des mathematischen
Wissens vom Altertum bis auf Kopernikus gelten
kann und somit viel mehr enthält, als der Titel an-
deutet. Da der Inhalt des Schriftchens seiner Natur
nach mit der Entwickelung der Kunst — man denke
nur an die mathematischen Grundlagen der Archi-
tektur und der Perspektive — die verschiedensten
Berührungspunkte darbietet, wollen wir durch einige
Daten auf das Interessanteste hinweisen.

Zunächst giebt der Autor eine lichtvolle Dar-
stellung der mathematischen Leistungen des Alter-
tums. Alles gipfelt in den unsterblichen Verdiensten
der Griechen, während die Römer bekanntermaßen
keinen einzigen nennenswerten Mathematiker hervor-
gebracht haben. In Alexandrien war der Mittelpunkt
der mathematischen Studien des hellenischen Alter-
tums. — Von dort wurden die Wissensschätze eines
Euklid und Eratosthenes, eines Hipparch und Ptole-
rnäos dann durch die Araber dem Westen Europas

1) Vortrag von Dr. F. Budio, Prof. in Zürich. Hamburg
1892. 33 S. 8.

Ubermittelt. „Nach- den hohen Schulen von Toledo,
Sevilla, Cordova und Granada strömten im 12. und
131 Jahrhunderte die Gelehrten von ganz Europa,
um die griechischen Klassiker kennen zu lernen und
sie — was das Wichtigste war — aus dem Ara-
bischen in das Lateinische zu übertragen. Auf diesem
Wege (nicht durch die Vermittelung von Byzanz,
wie man oft behauptet hat) wurde, namentlich durch
die unermüdliche Übersetzungsthätigkeit eines Ger-
hard von Cremona, eines Atelhart von Bath und
anderer, dem christlichen Abendlande der allmähliche
Einblick in die hohe mathematische Kultur des
klassischen Altertums erschlossen."

Noch ein zweites Verdienst kommt den Arabern
zu. Sie haben nicht nur die Mathematik der Griechen,
sondern auch die Zahlzeichen und die Zahlenlehre der
Inder dem modernen Europa vermittelt, Wenn der
hellenische Geist, als der eines vorwiegend formal
begabten, auf sinnliche Anschauung gerichteten
Volkes, in erster Linie sich mit den geometrischen
Problemen beschäftigte, so hatte der bei den Indern
seit altersher im Volke verbreitete und zu unge-
wöhnlicher Höhe entwickelte Zahlensinn die dortigen
Mathematiker vorzugsweise auf das Gebiet der Arith-
metik und der Algebra geführt. Von den Indern
ist das Zahlensystem und die Positionsarithmetik
zu den Arabern und von diesen besonders durch
Leonardo Pisano, den bedeutendsten Mathematiker
des christlichen Mittelalters (speziell durch dessen
Liber abaci, 1202), der modernen Wissenschaft zu-
geführt worden.

Auf der Geometrie der alten Griechen und auf
der Arithmetik der Inder des Mittelalters beruht alles,
 
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