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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Die neuesten Erwerbungen für das British Museum: Von den Baulichkeiten und Skulpturen zu Persepolis und Pasargada. - Das Monument des Cyrus. - Die Inschrift von Bisutun
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0056

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sinnigen Beschützers der Wissenschaften, des Grafen
von Aberdeen und des Sir Gore Ouseley. Die groß-
artige Serie von Fundstücken, welche Dieulafoy für
die französische Regierung erwarb, fanden im Louvre
zu Paris Aufstellung, so besonders der prachtvolle
„Fries der Unsterblichen". 1887 wurde Cecil Smith
von der britischen Regierung nach Persien geschickt,
und er empfahl, tüchtige Former dorthin zu senden,
ehe es zu spät, da der Transport unmöglich sei.
Der Staat zögerte, indessen durch hochherzige Privat-
leute, wie Lord Savile, und durch die Hilfe Sir
Drummond Wolfs wurde die Sache durchgeführt.
Der Former Giuntini mit seinem Sohn erwiesen sich
als sehr geschickt. Beide hatten schon Bildwerke
in Mexiko für das South-Kensington Museum „in
situ" abgeformt. Die Expedition leitete Mr. Blundell,
der über diesen Gegenstand einen sehr interessanten
Vortrag beim diesjährigen Orientalistenkongress hielt.
Die gewöhnliche Masse zum Formen konnte wegen
der Beschwerlichkeit des Weges nicht angewandt
werden, und man bediente sich daher einer Papier-
machemasse aus faserigem spanischen Papier, das
eine vorzügliche Form giebt. Ein Blatt dieses Pa-
piers wird in Wasser getränkt und auf die Ober-
fläche der Skulptur gelegt und so lange mit einer
weichen Bürste aufgedrückt, bis jeder Zwischenraum
der obern Bildfläche ausgefüllt ist. Diesem Blatt
wird ein zweites hinzugefügt und in derselben Weise
folgen sechs bis acht Stücke Papier. Man lässt
dann das Ganze trocknen und erhält auf diese Weise
eine Papierrnaeheform, welche bei gewöhnlicher Vor-
sicht die Gestalt behält und kein Risiko des Zer-
brechens bei Transportschwierigkeiten verursacht.
Die Expedition war im November aufgebrochen und
ist jetzt zurückgekehrt. Unter den so gewonnenen
Abdrücken befindet sich der lange Fries mit Figuren,
welcher das Treppenhaus der von Xerxes errichteten
Halle zierte. Er besteht aus einer dreifachen Reihe
von Figuren, einer Prozession von Höflingen und
Personen verschiedener Nationalitäten, welche dem
König zu dem Frühjahrsäquinoctium Geschenke
bringen, gerade so wie der Schah noch heute
solchen Tribut empfängt. An einer Wendung der
Treppe befindet sich eine charakteristische Gruppe
von Löwen, die einen Stier angreifen; daneben eine
vortreffliche Figur aus der „Leibgarde der Unsterb-
lichen'1 , die einen lehrreichen Vergleich mit dem
kolorirten Gardisten aus Susa gestattet. Ferner ist
zu nennen: ein kolossales Relief über einem Thür-
bogen des Palastes des Darius: der König mit einem
Greifen kämpfend; ein Hochrelief von dem Thor

der Halle der „hundert Säulen"; der König sitzt auf
dem Thron, über ihm das beschützende Emblem des
Ormudz, unterhalb fünf Reihen bewaffneter Krieger,
wahrscheinlich als Typen der verschiedenen Natio-
nalitäten in der persischen Armee.

Cyrus und Kambyses regierten vom Sattel
herab, wie unsere Kaiser im Mittelalter, bald da,
bald dort; sie waren fast beständig auf Feldzügen.
Wenn Cyrus rastete, so war es zu Pasargadae, dem
Hauptort seines Stammes, dem Sitz seiner Ahnen.
Dort ist er auch begraben, dort an seinem Lieblings-
aufenthalt hat er Stadt und Burg gleichsam als
Siegesdenkmal neu erbaut. 49 englische Meilen von
Persepolis auf dem Wege von Schiras nach Ispahan
in der Nähe des Dorfes Murghab, stand noch vor
wenigen Monaten das Monument, in welchem das
Grabmal des Cyrus erkannt wird, majestätisch durch
seine Einfachheit und die Großartigkeit der Um-
gebung. Das Grabmal war im Viereck von einer
Säulenhalle umgeben, um den ein Hain und Anger
sich zogen. In der Nähe war ein kleines Haus für
die Magier, die das Grab zu bewachen und die
Totenopfer jeden Tag darzubringen hatten. Alexander
der Große sah noch die Leiche; während er in Indien
war, haben Griechen das Grabmal geplündert;
Alexander ließ nach der Rückkehr die Thäter hin-
richten und schloß die Gruft mit seinem Siegelring.
Seit langer Zeit war das Grabmal leer, von den
Säulen stand noch eine einzige! Die Expedition von
Mr. Cecil Smith kam gerade noch zur richtigen Zeit,
um die Abformungen bewerkstelligen zu können,
denn das Monument ist in jüngster Zeit arg zerstört
und verwüstet. In wenigen Jahren wird keine Spur
mehr von demselben vorhanden sein. Das wichtigste
Ereignis von allen ist deshalb wohl der gelungene
Abdruck des Bildes des Gründers der großen
Herrscherfamilie der Achämeniden, denn die früheren
Abbildungen sind mehr oder weniger mangelhaft.
Einst soll eine Inschrift besagt haben: „0 ihr Sterb-
lichen! Ich bin Cyrus, Sohn des Kambyses, Gründer
der persischen Monarchie und Beherrscher Asiens,
beneidet mich deshalb nicht um dieses Denkmal!"
Die von der Expedition mitgebrachte, abgeformte
Keilinschrift lautet: „Ich bin Cyrus der große
König, der König der Könige, der Achaemenide!"
Der Tote spricht wie ein Lebender, denn hier
herrschte der feste Glaube an die Unsterblichkeit
der Seele. Darunter steht das bekannte Bild des
Cyrus in assyrischer Tracht mit erhobener Rechten
und vier Fittichen, denn Cyrus ist hier schon als
Genius erfasst! Das erste Duplikat im Gipsabguss
 
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