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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Nautilus, ...: Vom Christmarkt
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Aus eines Bildners Seelenleben: Plastik, Malerei und Poesie
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Aus eines Bildners Seelenleben.

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demar Friedrich, H. Lefler, F. Amling entworfen
und diese Namen sind ja in Deutschland wohl-
bekannt. Wir wünschen dieser Ausgabe Eingang
in recht viele Hausbibliotheken; es giebt für die
reifere Jugend kaum bessere Lektüre. Sie sind aus
echtem deutschen Geiste geflossen, voll reichen Ge-
müts und von romantischem Schimmer umspielt. —
Ein Produkt echt deutscher Kunst sind auch die
Federzeichnungen von Bertha Bagge, die, zu einer
Mappe vereinigt, unter dem Titel „Lieder und Bilder"
in C. F. Amelang's Verlag in Leipzig erschienen
sind1). Sie zeigen eine merkwürdige Verwandtschaft
mit den Kompositionen Ludwig Richter's und sind
doch so selbständig, dass wir mit Vergnügen nach-
drücklich auf die Mappe hinweisen. Die Art und
Weise der Zeichnung, die Komposition der Land-
schaft, die Staffage und die frei spielende Ornamentik,
alles gemahnt an große Meister der Illustration,
unter andern auch an M. von Schwind. Das sind
keine bloßen Nachahmungen, sondern Entwürfe, die
etwas von dem Geiste der Meister in sich tragen.
Durch die Wiedergabe in Heliogravüre gewinnen
die Zeichnungen nahezu den Charakter von Radi-
rungen. In solchen Häusern und Familien, wo man
die Romantik nicht ganz verscheucht hat — sie wird
leider allenthalben von der rauhen Wirklichkeit ver-
jagt — mag diese Mappe eine beifällige Aufnahme
finden. Sie bewahrt eine bescheidene Poesie in sich
und steht dadurch im Gegensatze zu manch moder-
nem Prachtwerke, wo die Photographie, die Feindin
der poetischen und künstlerischen Darstellung, un-
umschränkte Herrscherin geworden ist. Es wäre
eine interessante Aufgabe für den Beobachter der
Zeitbewegungen, einmal zu untersuchen, in wie weit
die halb mechanische photographische Technik in
Bezug auf die Kunst und Litteratur schädlich ge-
wirkt hat. Sie hat ohne Zweifel neben unermess-
lichem Nutzen auch manchen Nachteil gebracht.
Sie arbeitet langsam und stetig daran, die Fähig-
keit künstlerischen Genießens abzustumpfen. Dass
der Sinn der Menschen in Kunst und Litteratur
immer mehr auf das rein Thatsächliche gerichtet
ist, dass dem Darsteller der „Einklang, der aus dem
Busen dringt und in sein Herz die Welt zurücke
schlingt", verloren zu gehen droht, ist eine Erschei-
nung, der die Photographie gewiss auch Vorschub
leistet. Nicht nur in der bildenden Kunst, auch im
Roman und im Drama macht sich das bemerklich,
wo der Trieb zu phonographiren, statt zu dichten,

deutlich erkennbar ist. Nicht mit dem gläsernen
Auge der herzlosen Dunkelkammer sollen Welt und
Menschen beschaut werden, sondern auf dem zarten
Grunde, der von Lust und Leid zu vibriren vermag,
sollen die irrenden Lichter der Außenwelt Seele und
Leben erlangen, um dauernd zu rühren und leisen
Nachklang des Vorgefühlten zu wecken.

NAUTILUS.

1) Fol. In Mappe M. 12.—

AUS EINES BILDNERS SEELENLEBEN.

PLASTIK, MALEREI UND POESIE
VON GUS1A I' EBERLEIN.^)

m. Wesen und Wege des heutigen Kunst-
schaffens sind einem intimeren persönlichen Ver-
hältnis zwischen Künstler und Publikum wenig
günstig. Die realistische Richtung gipfelt in unein-
geschränkter Objektivität; viele Künstler der Gegen-
wart sehen das Ziel der Kunst da, wo der Schöpfer
vor seinem Werke völlig in den Hintergrund tritt,
sie wollen objektiv erscheinen und suchen — bald
spröde, bald auch wohl gar zu stolz — ihr persön-
liches Empfinden und Trachten den Augen ihrer
Nebenmenschen nach Kräften zu entziehen. Selbst-
bekenntnisse und Selbstbiographien bildender Künst-
ler , an denen gerade die deutsche Kunstgeschichte
bisher so reich war, sind in den letzten Jahrzehnten
selten geworden.

Um so überraschender und bezeichnender wirkt
die Gabe, mit welcher einer unserer ersten Bild-
hauer, Gustav Eherlein, diesmal an den deutschen
Weihnachtstisch tritt. Er hat treffliche Nachbil-
dungen seiner Skulpturen vereint, ihnen in Tusch-
zeichnungen eine stimmungsvolle Umgebung ge-
schaffen, selbständige Skizzen hinzugefügt und das
Ganze als reiche Illustration zu einer Sammlung
seiner Gedichte verwertet. Plastik, Malerei und
Poesie verbinden sich hier zu einem Prachtwerk,
wie es in Deutschland völlig eigenartig ist, selbst
die Schwesterkunst der Musik — durch Kompo-
sitionen zu Eberlein's Gedichten von Hermann Erter
vertreten — ist hinzugezogen worden, um „eines
Bildners Seelenleben" zu schildern. — EinzelneGrund-
züge des letzteren stehen in Eberlein's Skulpturen sinn-
fällig verkörpert vor Augen. Dass er nüchternem Rea-
lismus abhold ist, bezeugt jedes seiner Werke. In
kraftvolle, jugendschöne Menschenkörper bannt er
die Gestalten einer Idealwelt, in der Venus und
Amor das Scepter führen und ewiger Frühling
herrscht. Man könnte ihn den Anakreontiker unter
unsern Bildhauern nennen — freilich mehr im Hin-

1) Berlin 1892. Schultz-Engelhardt.
 
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