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Wiener Künstlorhaus.
pikanten venetianischen Karnevalsscene am Markus-
platz wirksam vertreten.. Auch Rud. Ottenfeld's „Mon-
tenegriner auf der Flucht" dürfen nicht übergangen
werden. Unter den Landschaften erinnerten II. Darnaui's
„Bauerngarten" in der zarten Abtönung der Farben
an Schindlers fein empfundene Vortragsweise; über-
troffen, in Bezug auf reizvolle Detaüausführnng,
wurde das Bildchen
noch durch Benlliure's
„Bauernhof". Einzig
in ihrer Art waren
wieder die Blumen-
stücke der Frau Olga
11 'iesinger-Florian ; es
sind immer kleine Far-
bengedichte, die von
der Künstlerin in die-
sem Genre auf die
Leinwand gezaubert
werden. Ein Waldbild
von Müller-Kurzweilg
verblüffte mit seinen
koloristischen Effek-
ten; vergriffen im Mo-
tiv und in der Farbe
hatte sich diesmal Et-
lore Tito in seinem
großen Bilde: „Ausden
venezianischen Alpen".
Wir treten in das
/.' / / hoch - Kabinett und
finden hier zunächst
das neu geschaffene
Bildniss Ihrer königl.
Hoheit der Frau Prin-
zessin Clementine von
Coburg, dann das des
jungen Minghetti, des
Baron Tucher u. a.
und in der Mitte dieses
vornehmen Zirkels das
„Indische Schlangen-
mädchen". Über die
Porträts wollen wir uns
kurz fassen; sie zeigen uns den Meister in der Wieder-
gabe des Geistig-Individuellen der Persönlichkeiten
auf einem Höhepunkte, der wohl kaum weiteren
Potenzen zugeführt werden kann. Er überragt darin
alle Bildnismaler der Gegenwart. Und zu dieser zeich-
nerischen Priorität gesellt sich die koloristische Vor-
nehmheit, „die historische Tradition unserer Klassiker",
Nasleh, ägyptische Tänzerin. Naturstudie von Leopold MÜIXB».
wie man Lenbach's Malweise bezeichnet hat. In den
ausgestellten Porträts ist übrigens der Künstler in der
Durchführung des Details weiter gegangen als sonst,
ohne aber damit das Auge vom Auge, dem Spiegel
der Seele, abzulenken. Einen besonderen Reiz erhielt
die kleine Ausstellung noch durch das „Schlangen-
mädchen". Der anmutig bewegte, jugendliche Torso
der braunen Schönen
tritt in vollendeter
Modellirung aus dem
Grunde hervor, und das
Antlitz mit dem fas-
cinirenden Blick, das
in kühner Überschnei-
dung nach rückwärts
geneigt ist, steht zu
dem emporgehobenen
Haupte der mächtigen
Boa in wirkungsvollem
Gegensatz. Andere
Bildnisse, wie die von
Liszt, Gladstone etc.
sind wohl von früher
her bekannt, aber ein
Zusammentreffen mit
so vornehmen Geistern,
wie uns Lenbach ver-
mittelt, ist immer ein
interessantes und an
regendes Ereignis.
Nun begeben wir
uns in die phantastische
Welt Franz Stuck's.
Die Ausstellung hat
drei Räume umfasst
und bot in Ölbildern,
Skulpturen, Handzeich-
nungen , Radirungen
und Photographien ein
nahezu vollständiges
Bild von dem Schaffen
des in Wien noch ziem-
lich unbekannten
Künstlers. Das eigen-
artige Stoffgebiet, welches in mancher Beziehung an
jenes Böcklin's streift, sowie die originelle Darstellung,
die schrill von allem Gewöhnlichen absticht, erregen
an und für sich das lebhafteste Interesse, aber auch
diametral sich entgegenstehende Urteile. Es sind
ganz merkwürdig dämonisch-visionäre Erscheinungen,
die sich in den Bildern offenbaren: bald unheimlich,
Wiener Künstlorhaus.
pikanten venetianischen Karnevalsscene am Markus-
platz wirksam vertreten.. Auch Rud. Ottenfeld's „Mon-
tenegriner auf der Flucht" dürfen nicht übergangen
werden. Unter den Landschaften erinnerten II. Darnaui's
„Bauerngarten" in der zarten Abtönung der Farben
an Schindlers fein empfundene Vortragsweise; über-
troffen, in Bezug auf reizvolle Detaüausführnng,
wurde das Bildchen
noch durch Benlliure's
„Bauernhof". Einzig
in ihrer Art waren
wieder die Blumen-
stücke der Frau Olga
11 'iesinger-Florian ; es
sind immer kleine Far-
bengedichte, die von
der Künstlerin in die-
sem Genre auf die
Leinwand gezaubert
werden. Ein Waldbild
von Müller-Kurzweilg
verblüffte mit seinen
koloristischen Effek-
ten; vergriffen im Mo-
tiv und in der Farbe
hatte sich diesmal Et-
lore Tito in seinem
großen Bilde: „Ausden
venezianischen Alpen".
Wir treten in das
/.' / / hoch - Kabinett und
finden hier zunächst
das neu geschaffene
Bildniss Ihrer königl.
Hoheit der Frau Prin-
zessin Clementine von
Coburg, dann das des
jungen Minghetti, des
Baron Tucher u. a.
und in der Mitte dieses
vornehmen Zirkels das
„Indische Schlangen-
mädchen". Über die
Porträts wollen wir uns
kurz fassen; sie zeigen uns den Meister in der Wieder-
gabe des Geistig-Individuellen der Persönlichkeiten
auf einem Höhepunkte, der wohl kaum weiteren
Potenzen zugeführt werden kann. Er überragt darin
alle Bildnismaler der Gegenwart. Und zu dieser zeich-
nerischen Priorität gesellt sich die koloristische Vor-
nehmheit, „die historische Tradition unserer Klassiker",
Nasleh, ägyptische Tänzerin. Naturstudie von Leopold MÜIXB».
wie man Lenbach's Malweise bezeichnet hat. In den
ausgestellten Porträts ist übrigens der Künstler in der
Durchführung des Details weiter gegangen als sonst,
ohne aber damit das Auge vom Auge, dem Spiegel
der Seele, abzulenken. Einen besonderen Reiz erhielt
die kleine Ausstellung noch durch das „Schlangen-
mädchen". Der anmutig bewegte, jugendliche Torso
der braunen Schönen
tritt in vollendeter
Modellirung aus dem
Grunde hervor, und das
Antlitz mit dem fas-
cinirenden Blick, das
in kühner Überschnei-
dung nach rückwärts
geneigt ist, steht zu
dem emporgehobenen
Haupte der mächtigen
Boa in wirkungsvollem
Gegensatz. Andere
Bildnisse, wie die von
Liszt, Gladstone etc.
sind wohl von früher
her bekannt, aber ein
Zusammentreffen mit
so vornehmen Geistern,
wie uns Lenbach ver-
mittelt, ist immer ein
interessantes und an
regendes Ereignis.
Nun begeben wir
uns in die phantastische
Welt Franz Stuck's.
Die Ausstellung hat
drei Räume umfasst
und bot in Ölbildern,
Skulpturen, Handzeich-
nungen , Radirungen
und Photographien ein
nahezu vollständiges
Bild von dem Schaffen
des in Wien noch ziem-
lich unbekannten
Künstlers. Das eigen-
artige Stoffgebiet, welches in mancher Beziehung an
jenes Böcklin's streift, sowie die originelle Darstellung,
die schrill von allem Gewöhnlichen absticht, erregen
an und für sich das lebhafteste Interesse, aber auch
diametral sich entgegenstehende Urteile. Es sind
ganz merkwürdig dämonisch-visionäre Erscheinungen,
die sich in den Bildern offenbaren: bald unheimlich,