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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Rosenberg, Adolf: Die Ausstellung der "Vereinigung der Elf" in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0149

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285

Die Ausstellung der ,,Vereinigung der Elf" in Berlin.

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DIE AUSSTELLUNG DER „VEREINIGUNG
DER ELF" IN BERLIN.

Dem Konventikel der Münchener „24", das zur
Hälfte aus überzeugungsvollen Naturalisten, zur an-
deren Hälfte aus Verirrten und Verblüfften bestand,
ist nach einer kurzen Zwischenherrschaft am 5. März
im Schulte'schen Salon die zweite Ausstellung der
noch vom vorigen Jahre in schreckensvollem An-
denken stehenden „Elf" gefolgt. Während der Zeit
des Interregnums machten sich verschiedene Par-
teien ungefähr im ParitätsVerhältnis geltend: die-
jenigen, die heute Idealisten und Schönfärber ge-
scholten werden, weil sie Wahrheit und Schönheit
zu vereinigen suchen, durch Edgar Meyer, der eine
Reihe fein gestimmter, mit edelsten koloristischen
Reizen erfüllter Landschaften, Marinen und Straßen-
ansichten aus Venedig und Umgebung ausgestellt
hatte; die kecken Realisten durch die Brüsseler
David und Pierre Oyens, die in Innenräumen mit
Figuren auf die Wiedergabe der raffinirtesten Be-
leuchtungskomplikationen ausgehen, und die natu-
ralistischen Ultras durch den in München gebildeten,
jetzt in Holstein lebenden Hans Olde, der in seinen
Landschaften zu allen Jahreszeiten wahre Orgien des
Farbentaumels vollführt. Die »Elf", die jetzt ans
Ruder gelangt sind, haben dem Ruf, der ihnen vor-
aufging, keinen Abbruch gethan. Das verflossene
Jahr ist an ihnen fast spurlos vorübergegangen.
Die extremen Naturalisten sind nur noch etwas
starrsinniger, fanatischer und formloser geworden,
und die anderen haben sich von ihrer Art nicht ab-
bringen lassen. Das ist ein höchst verdächtiges
Symptom, das dafür spricht, dass auch diese kaum
ins Leben getretene Vereinigung bereits unter dem
Zeichen der Sezession steht.

Eine geistige Gemeinschaft zwischen den Elf
oder auch nur ein gemeinsames Streben war schon
bei ihrer ersten Ausstellung nicht zu bemerken.
Diese zweite Ausstellung zeigt eine noch stärkere
Kluft. Was haben die Landschafts- und Marine-
maler Müller-Kurxwelly und Schnars-Alquist mit Na-
turalisten vom Schlage Liebermann's zu thun? Die
Strandlandschaften des ersteren haben vornehmlich
durch den Reiz der poetischen Stimmung und durch
den Schmelz des geschmeidigen, fast flaumigen
Kolorits auf das große Publikum gewirkt, und das
passt nicht in das System der Naturalisten, die auch
unter den »Elf das erste Wort führen und darum
ein Bild Kurzwelly's, vielleicht weil es gar zu schön
gemalt war, von ihrer Ausstellung zurückgewiesen

haben. Der Hamburger Schnars-Alquist ist ein
Marinemaler, der mit großer koloristischer Gewandt-
heit allen atmosphärischen Stimmungen gerecht
wird, daneben aber ein starkes Gewicht auf korrekte
Zeichnung und plastische Darstellung legt. Streng
genommen also auch einer, der nach naturalisti-
schen Begriffen ins alte Eisen gehört. Der in
München gebildete J. Alberts schildert in überaus
trockenen Abschriften nach der Natur Land und
Leute der Halligen, jener Nordseeinseln, auf denen
sich ein eigenartiger Menschenschlag in alten Ge-
wohnheiten erhalten hat: das Innere karg ausge-
statteter Gotteshäuser, einen Friedhof, Fischer und
Landleute daheim und im Freien, herb und nüchtern
in Zeichnung und malerischer Durchführung. Ein
vollends unsicherer Kantonist ist der Berliner Hugo
Vogel, der sich schon durch das Bildnis Robert
Dohme's, eine Art „Symphonie in Blau und Grün",
und durch einige niederländische Innenräume mit
Figuren als entschiedenen Anhänger der „neuen
Kunst" ausgewiesen hatte und jetzt plötzlich mit
zwei Bildnissen, dem einer jungen Dame in weißer
Gesellschaftstoilette und dem eines jungen Orgel-
spielers, erscheint, die wieder in seinem alten, vor-
nehmen Stil, in jener maß- und geschmackvollen
Ausdrucksform gehalten sind, zu der er den Grund
in der Düsseldorfer Schule gelegt hat. Eine neutrale,
oder doch ziemlich indifferente künstlerische Persön-
lichkeit ist der Porträtmaler O. Mosson, dessen
Bildnis des vor seiner Staffelei eine Cigarette
rauchenden Malers Fr. Stahl nur durch den hellen,
sonnigen Ton und durch die nachlässige Haltung
des Dargestellten für die neue Richtung zeugt. Ein
anderer der Elf, der Berliner Landschaftsmaler Walter
Leistikow, hat seinen Naturalismus gegen das vorige
Jahr sogar erheblich gemäßigt. Die Mehrzahl seiner
Ölbilder und Pastellzeichnungen sind ungemein reiz-
voll durch die Feinheit des Tons, durch die duftige
Zartheit der Behandlung und durch die poetische
Stimmung, alles Eigenschaften, die den vor der na-
turalistischen Episode entstandenen Landschaften
des noch jungen Künstlers schnell allgemeine Be-
achtung errungen haben.

Stärker scheinen sich dagegen die naturalisti-
schen Neigungen bei Hans Herrmann und Fr. Stahl
ausgebildet zu haben. Ersterer bemüht sich, in der
Lindenallee einer holländischen Stadt, die von kleinen
Mädchen belebt ist, die vor der Schule ihre kind-
lichen Spiele treiben, vergeblich, die „Symphonie
von Blau und Grün" zu stände zu bringen, während
eine holländische Bleiche mit Wäscherinnen wieder
 
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