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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Die neuesten Erscheinungen der englischen Radir- und Kupferstichkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0185

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von ihm nach der .Helene Fourment" des Rubens
in der Sammlung van der Hoop in Amsterdam her-
gestellte Blatt bildet einen weiteren Fortschritt in
dieser Richtung. Trotz des raschen Schaffens vermeidet
er durch seine Gründlichkeit die Klippen, welche
oft der Radirtechnik durch ihre Beweglichkeit er-
wachsen. Zum Ruhme der deutschen Kupferstich-
kunst sei hierbei erwähnt, dass der Stich der „Heil.
Cäcilie" von Professor Eilers, nach dem Gemälde
von Rubens, in der gesamten Tages- und Fachpresse
Englands den ungeteiltesten Beifall findet. Beson-
ders wird die geniale Kombination der ausgleichen-
den und ergänzenden Anwendung von Grabstichel
und Nadel hervorgehoben.

Die „Art Union of London" ist wohl diejenige
Gesellschaft Englands, welche mit am meisten dazu
beiträgt, die Kenntnis und Liebe zur Kunst zu för-
dern. Präsident der Vereinigung ist der Graf Derby.
Seit ihrem Bestehen hat die Gesellschaft ungefähr
für 462000 £ Kunstwerke angekauft und an ihre Mit-
glieder verteilt. In diesem Jahre veröffentlicht die
„Art Union" eine Originalradirung von Robert Mac-
beth nach seinem akademischen Bilde von 1892
„Nachzügler zur Fähre". Das Sujet bildet die alte
pittoreske Stadt Kings Lynn von jenseits des Flusses
gesehen, zu dem die im Vordergrund befindlichen
Fischer eilen, um das letzte Fährboot noch zu er-
reichen. R. Macbeth ist ein Radirer von so fest be-
gründetem Ruf, dass kaum etwas Neues über ihn
gesagt werden kann. Die Originalradirung stellt
die höchsten Ansprüche an den graphischen Künstler:
er muss Maler, Radirer und Drucker in einer Person
sein, er muss die Grammatik der Malerei, die Zeich-
nung vollständig beherrschen, Phantasie und Em-
pfindung besitzen, und endlich Plastik und Malerei
in ihrem Zusammenwirken scharf beurteilen können.
Daher ist die Radir- oder Atzkunst mit Recht als
die Königin der graphischen Künste zu betrachten.
Das vorliegende Blatt ist eine der besten Arbeiten
Macbeths, in der die Vorzüge seines festen und
prächtigen Stils durchweg erkennbar sind. Die Platte
misst ohne Rand 22 : 14 englische Zoll. — Die zweite
Publikation der „Art Union" führt den etwas ab-
sonderlichen Namen „Souvenir of Velazquez" und
ist in Mezzotintomanier gehalten. Der Vorwurf für
den Stich wird durch das schöne, gleichnamige Bild
von Sir John Millais gegeben, welches sich in der
Diplomgalerie der Königlichen Akademie befindet.
Der Stil fällt in die beste Periode von Millais. Ein
junges, hübsches englisches Mädchen wird dargestellt
in Auffassung und Farben des Velazquez. Dies ist

aber auch das einzigste, was an den spanischen
Meister erinnert. Das Blatt hat eine Größe von
22' 4 : 18 engl. Zoll und ist von Mr. Mac Culloch ge-
stochen. Die Mezzotintomanier kam bekanntlich
schon sehr früh durch den Prinzen Ruprecht von
der Pfalz nach England und wird aus diesem
Grunde häufig die „englische Manier" kurzweg ge-
nannt. Es wird hierbei, im Gegensatze zu den an-
deren Stichmanieren, aus dem Dunkeln ins Helle
gearbeitet. Die auf diesem Wege erreichte Wirkung
ist eine sehr zarte und weiche und reicht vollkom-
men aus, wo es sich, wie hier, nur um eine äußerst
korrekte Wiedergabe des Originals von Millais handelte.

Bei Lebzeiten war Romney nicht beliebt bei den
Kupferstechern, namentlich nicht im Vergleich mit
seinem großen Rivalen Sir Josliua Reynolds; aber
die letzten Jahre haben einige Platten nach jenem
Meister hervorgerufen und die Nachfrage nach den-
selben hält an. Die beste derartige, gleichfalls in
Mezzotinto ausgeführte und recht gelungene Arbeit
nach dem Bilde „Lady Hamilton als Natur", eines
der bedeutendsten Werke von Romuey, ist bei Men-
doza erschienen. Die Verfasserin, Mrs. Cormack, ist
dem Originale, welches voller Leben und Bewegung
ist, vollkommen gerecht geworden. Ein verhältnis-
mäßig neuerer Meister ist Oreenhead, der eine Über-
tragung des Bildes in der Nationalgalerie, „Die drei
Grazien" von Joshua Reynolds, in der Kunsthand-
lung von Graves ausgestellt hat. Die Hauptfigur
des Bildes ist die zur damaligen Zeit sehr berühmte
Gräfin Anna Townshend.

Der einzige Stich von Bedeutung in der langen
Liste der neueren Arbeiten ist eine Landschaft von
John Finnie, dessen gediegene Leistungen in den
Ausstellungen schon vielfach Aufmerksamkeit erregt
haben. Das Blatt stellt eine sehr hübsche, friedliche
Landschaft mit großer Naturtreue dar, und doch mit
jener Individualität, die keinem großen Künstler
fehlen darf. Der in Bristol bei Frost & Reed er-
schienene Stich führt den Namen „Weideflächen*.

Die auf der letzten Ausstellung der „Royal
Society of Painter-Etchers" von unserem berühmten
Landsmanne Professor Hubert Herkomer eingesandten
Radirungen müssen als bereits bekannt vorausgesetzt
werden. Dasselbe gilt wohl gleichfalls von den
Werken Robertsons, Axel Ilaig's und W. Strangs. —
Schließlich soll bemerkt werden, dass vor einigen
Wochen bei Christie eine sehr umfangreiche Auk-
tion einer Sammlung von Kupferstichen Bartolozzi's
stattfand. Diese Kollektion gehörte früher dem Her-
zoge von Lucca und ist wahrscheinlich von Barto-
 
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