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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Böck, Rudolf: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0193

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373

Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause.

374

Bronzegruppe von Überbacher in München „Junger
Faun mit Pantherfamilie" und der „GefangeneFischer"
von dem Spanier Marinas Oarcia'm Segovia weitaus die
Krone. Das letztere Werk — ein älterer Knabe sucht
seinen kleineren Bruder aus der Umklammerung
eines Polypen zu befreien — ist in der Wiedergabe
des physischen und psychischen Vorganges, der körper-
lichen Anstrengung beider und der großen Seelen-
angst des Kleinen von der gegenständlichsten Wir-
kung — ein in's Plastische übersetzter Murillo. Aber
auch die erstgenannte Schöpfung ist von schneidigem
Realismus in dem behaglichen faunischen Lächeln
des Knaben und dem schleichenden Pantherweibchen
— dabei von jeder Seite betrachtet das Ganze von
grosser Schönheit der Linien, ohne der Wahrheit Ein-
trag zu thun, weil alles ungesucht und unbeabsich-
tigt wirkt. Benk's „ Herrschertugenden" für den
neuen Burgtrakt am Michaelerplatz sind ein schönes,
akademisches Werk, aber viel geschmeidiger ist seine
trauernde, weibliche Figur mit der herrlichen Dra-
perie vom Grabmale Coudenhove; fast möchten wir
sagen sich selbst übertroffen hat er in der Marmor-
büste einer jungen Frau, die uns wie ein lieblicher
Traum der Frührenaissance berührt. VogVs Raiinund-
Denkmal müsste in der richtigen landschaftlichen
Umgebung und mit allem Raffinement einer decenten
Polychromirung geradezu von frappirender Wirkung
sein. 0. König hat leider seinem innersten, heiteren
Wesen wenig entsprechende Sujets in Grabdenkmälern
zur Bearbeitung gefunden. Dürnbauer möchten wir
lieber auf seinen alten realistischen Wegen begeg-
nen. Kaan's „Eva mit Kain und Abel" wäre, statt
des bösen Buben noch einen zweiten guten gesetzt,
eine noch viel bessere Caritas geworden. Bathausky,
Loj; und Schwarte stellen in Kleinplastik aus, wobei
der letztere von den dreien freilich der Meister ist:
der Ciseleur mit der fein empfindenden Hand. Das
Streben dieser Künstler, die Plastik als Zimmerschmuck
wieder gangbarer zu machen, verdient alle Unter-
stützung. Von den älteren Monumental-Plastikern
bringt Kundmann seine schöne Figur von der Fassade
des kaiserlichen Museums „Das Kunstgewerbe",
Tautmhayn eine schön aufgebaute Gruppe „Träu-
mende Nymphe" und ein alle Fähigkeiten des
Meisters zeigendes malerisches Bronzerelief „Das
Urteil des Paris", das besonders in den ganz plastisch
herausgearbeiteten Figuren des Paris und des Her-
mes rechts, und der Juno und ihrer Begleiterin
links von größter Lebendigkeit ist. Die Komposition
der Mittelgruppe schließt sich in eine halbkreisför-
mige Linie, ohne deshalb zu akademisch zu werden, i

Ungern vermissen wir Medaillen dieses geschmack-
vollen Eklektikers und seines realistischen Kunstge-
nossen Scharff. Hat' Roty keine andere Frucht ge-
tragen als ein paar ausgestellte Gussmedaillen von
Schaffer? Das ist doch kaum glaublich; wir haben
Hoffnung fürs nächste Jahr! Durch Anmut und
Wahrheit hervorragend ist die Gruppe „Frühling"
von Brenner, ein gesund naiv geschautes Stück Na-
tur von ungekünstelter Wiedergabe männlicher und
weiblicher Formen: ein angeborener Schönheitssinn
mit gefälliger Vortragsweise wird wohl den vielver-
sprechenden Künstler vor Verflachung bewahren.
Nicht übergehen dürfen wir den tüchtigen Hans
Bernard, der zwei von Waschmann in Bronze ausge-
führte Madonnenreliefs bringt voll religiösen Gefühls,
ein moderner Quattrocentist ähnlich wie Fuss in
seinem „Votivbild". Unvergessen sei noch Wind's
derb-sinnliche Mädchenfigur „Schlange". Unter der
Kleinplastik zeichnet sich Windcr's lebendige Pferde-
gruppe und Alois Düll's Reiterstatuette des Erzher-
zogs Albrecht aus, in der allerdings der mächtige
Einfluss des Radetzky - Monumentes fühlbar ist.
Charlemont bringt einen trefflichen Bettlerjungen.
Den ganzen romantischen, künstlerischen Vormärz
zaubert uns Weigl's „Raimund" vor Augen. Bendl hat
eine glückliche tanagräische Empfindung in seine
kleine Figur aus Buchsholz zu legen gewusst. Jarl's
schönes Talent versprüht leider in kleinen Tier-
gestalten. Die bemalte Plastik vertritt wie immer
mit gutem Erfolg Arthur Straßer, und seine Terra-
cotta „Verlassen" berührt uns wie ein Bild von
Millet. Weyr hat ein reizendes Marmorrelief mit
wenig aber außerordentlich geschmackvoller Ver-
goldung. Ein Mädchen, das dem schlafenden Amor,
einem köstlichen, kleinen Kerlchen, die Flügel stutzt.
In der Bronzebüste überragt alle, wir sind's gewohnt,
an Charakteristik, genialer Auffassung und leben-
atmender Wiedergabe unser Tügner, sowohl in sei-
nem „Bruckner" mit der köstlichen taktirenden Hand,
als auch in seinem „Preyer"; aber auch in seinem
Marmorwerk „Hans Makart" sticht er die anderen
aus dem Sattel. Es ist ein schöner, aber schmerz-
licher Nachruf an das früh erloschene Meteor der
Wiener Koloristik. Der Raum gestattet uns nicht,
die vorzüglichen Porträts von Kautsch, Schmidgruber,
Swoboda, Bitterlich und mancher anderer einer ein-
gehenden Würdigung zu unterziehen, die sie ver-
dienen.

Wie die Wiener Plastiker, so sind auch die
Wiener Maler, wenn auch nicht immer Autochthonen,.
aber doch hier wirkend und von dem genius
 
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