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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Böck, Rudolf: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [3]
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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause.

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ders in seinen „Mähern", in denen die Schwüle des
Tages, das Zittern der heißen Luft tüchtig ge-
kennzeichnet ist, ganz der Wiedergabe eines kurzen
Eindrucks. Außerordentlich farbenkräftig und wahr ist
Douzette in seinen Mondlandschaften, die vor allen
ähnlichen Bildern auffallen. — Ein interessantes und
vielversprechendes Talent ist Theodor Hörmann, der
in seinen Waldinterieurs und selbst in Winterland-
schaften ganze Farbenbrände anstiftet; er zeigt
manchen schroffen Gegensatz zu den Modernen und
ist doch ganz modern in der Aufrichtigkeit seiner
starken Empfindung, die er rücksichtslos wiedergiebt.
Hoffentlich lässt seine künstlerische Klärung nicht
lange auf sich warten. — Die Marine vertritt Hans
Gude am besten: die Weite des Meeres und die
Größe des Himmels giebt sein Pinsel vortrefflich in
seinem Bilde aus den norwegischen Scheeren wieder.
— Als tüchtige Landschafter," wie dies in der Natur
der Sache liegt, zeigt sich uns eine Anzahl an-
erkannter Tiermaler der älteren und neueren Rich-
tung, so Weishaupt, der das flimmernde Licht auf
der Weide am Bach und das Gewimmel der Kühe
glücklich trifft, Lins, der starke Impressionist, der
eine Gansherde sehr humoristisch konterfeit; doch
möchten wir auch von ihm wieder intimer Gearbei-
tetes sehen; Thiele mit seinen Winterscenen und
endlich der markige Friese, der sich auf einer
preußischen Heide mit einem Schaufelhirsch ebenso-
gut zurechtfindet, wie mit dem Löwenpaar in der
B erberei.

Den Übergang von den Landschaftern zu den
Blumenmalern vermittelt der in Paris gebildete
Ribarz; er versteht es, jede Pflanze mit einem Stück
der sie charakterisirenden Landschaft zu umgeben,
was ihm besonders geschmackvoll in seiner „Iris"
gelungen ist; diese Richtung wird Schule machen.
Olga Wisinger-Florian hat einen großen, seit fast drei
Jahren vorbereiteten Cyklus „Die Monate" aus-
gestellt, . der, ohne Anspruch auf Komposition zu
machen, die bekannte Meisterschaft der Künstlerin
in der Wiedergabe eines Ausschnittes aus der Natur
glänzend zeigt, so besonders in den blütenschweren
Zweigen des März-April, dem Juli-August mit ihren
Garben und dem Mohn, im Allerheiligen- und Winter-
bild und in dem fein der Natur abgelauschten Er-
wachen der ersten Blüten. — Ein vorzügliches Bild
hat der Schüler des unvergesslichen Schindler, Carl
Moll, in seinem von blühenden Blumenstöcken aller
Farben geschmückten Fenster, das von einem Streif-
licht getroffen wird, ausgestellt. Ein ähnliches
Sujet in einfacherer Lösung brachte Marie Hermann.

Gegen die Vorjahre tritt an Zahl das Stillleben
bedeutend zurück. Durch große Wahrheit zeichnet
sich in diesem Fache Charlotte Ilampel und beson-
ders J. V. Carstens aus, dem das Stoffliche der Me-
talle vorzüglich gelingt. Der hochbegabte Adam
Kunz zeigt uns die Natur leider immer mehr unter
einer Patinakruste eines alten nachgedunkelten
Schmökers. Wozu eine solche Brille? Camilla
Friedländer und Schödl frappiren durch ihre spitz-
pinseligen Mikromalereien immer wieder aufs neue
durch ihren Bienenfleiß und ihre, sagen wir, engel-
hafte Geduld, bei allem Mangel an künstlerischen
Gedanken.

Wir haben nur noch wenige Worte der an Zahl
recht bescheiden vertretenen Architekturzeichnung
zu widmen. Unseren Architekten möchten wir nicht
nur in ihrem, sondern auöh in Absicht auf das wohl-
verstandene Interesse des Publikums raten, etwas
aufdringlicher zu sein. Es sollte keine Jahresausstel-
lung geben, auf der uns nicht wenigstens in einem
größeren Saale die Architektur allein von ihrer
wichtigen Thätigkeit erzählt. — Heuer freuen wir
uns, Neues von Anton Weber, Franz von Krauß
und Hermann Giesel zu sehen. Krauß stellt den
Entwurf zu einem Waldbrunnen aus, der uns in
seinen romanisirenden Formen wie ein Stück aus
einer Schwind'schen Märchenerzählung anheimelt.
Weber hat ein Projekt für ein Bad in Sophia, in
dem er den römischen Thermen zu einer Renaissance
verhilft. —

Was uns ganz allgemein bei den oft so vor-
züglichen Eindrucksmalern fehlt, ist die Intimität
in der Ausführung, die sich, wir glauben die Zeichen
dafür bereits zu sehen, ganz von selbst in nicht
zu ferner Zeit einstellen wird. Die Kunst hat
wieder das Bedürfnis, aus dem Breiten in das Tiefe
zu gehen.

Und nun noch ein Wort über die so bald ge-
schlossene A.bendausstellung: es muss nicht nur den
ausstellenden Künstler, sondern auch jeden Freund
der Kunst, der auf die weitestgehende Popularisirung
derselben so wie jener Gewicht legt, unangenehm
berührt haben, sofort die Flinte ins Korn werfen zu
sehen nach den ersten Tagen des schlechten Be-
suches. Vielleicht denkt die Leitung darüber nach,
ob an Frühjahrssonntagen Abends überhaupt eine
passende Zeit für großen Besuch ist, und ob denn
eine Krone ö. W. der Eintrittspreis ist, mit dem
man die an Wochentagen zu haranguirenden Massen
heranzieht, und mit dem man die Kunst volkstümlich
macht — ? UUÜ. BÖCK.
 
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